Mittwoch, 26. September 2018
Elina
Geschrieben 2016


Meine Versuche über Pingos haben mich auf den Ge-schmack an Romanen gebracht, die ich nicht zu schreiben brauche. Ich bin gleich in der Gegend geblieben, Balkan also, möchte jedoch das Land in der Schwebe lassen. Zelko, so heißt mein Ich-Erzähler mit Vornamen, läßt ein Besuch seines Nachfolgers auf dem Posten des Rektors der Kunstakademie keine Ruhe. Deshalb beginnt er mit Aufzeichnungen. Zeit hat er ja dazu, als Pensionär. Dabei war das Anliegen, das D. zu ihm führte, banal. Er hatte Zelko eröffnet, da bekanntlich dessen 70. Geburtstag bevorstehe, habe das Kultusministerium eine von D. zu besorgende Festschrift zu Ehren Zelkos angeregt. D. stellte ihm nun das Konzept vor, bat um Erlaubnis, auch einen bestimmten, bereits in der Presse veröffentlichten Aufsatz aus Zelkos Feder aufnehmen zu dürfen, und zudem um einige biografische Angaben, die ihm noch fehlten. Zelko verzichtete darauf sich zu zieren, sagte zu allem Ja und Amen und atmete auf, als D. wieder verschwunden war.

Gewiß bekam jeder, der sich in vergleichbarer Position befand, eine solche Festschrift. Und möglicherweise wäre sie Zelko noch vor einem Jahr keineswegs peinlich gewesen. Jetzt aber lag sie ihm nach zwei Tagen bereits wie ein auf der Herdplatte erhitzter Ziegelstein im Magen. Hatte er sie am Ende in der Tat verdient, nämlich als Strafe dafür, daß er sich schon bald nach Elinas Tod und dem Ende des Krieges das Leben hatte entgehen lassen? Er hatte es vorgezogen, sich »volksdemokratischen« Illusi-onen hinzugeben und im neuen Staate ein angesehener Kunstwissenschaftler und ein angesehener Bürger zu werden. Und diese Erkenntnis kam reichlich spät. Wahrscheinlich verdankte sie Zelko lediglich dem Zufall jener weltweiten »Jugendrevolte«, von der neuerdings ständig in den Zeitungen zu lesen war. Bei ihm, in der Hauptstadt des Landes, geschah zwar in dieser Hinsicht noch nicht viel, aber in Paris, Berlin, selbst New York mußte es ziemlich heftig zugehen. In Berlin hatte die Polizei beim Staatsbesuch des Schahs von Persien gerade einen wehrlosen jungen Demonstranten erschossen. Ausgerechnet vor einem Opernhaus! Elina war Sängerin gewesen – damals, vor dem Krieg. Übrigens pflegte sie ihren Namen auf der ersten Silbe zu betonen. Ja, sie hatte sogar einer Art »Kommune« angehört, wie jetzt die langhaarigen Rebellen in Berlin dazu sagten. Bis sich Elina verkriechen mußte. Und dann standen die Schwarzhemden vor der Tür, schnauzten sie an und stießen sie mitsamt eines Rucksacks, den sie noch hastig hatte vollstopfen dürfen, die Treppe im Hausflur hinunter.

Zelkos Erinnerungen fließen nur zäh aufs Papier, weil sie mit vielen Schmerzen, daneben Unklarheiten verbunden sind. Außerdem hat er sich vor der Falle Sentimentalität zu hüten, wie ihm noch rechtzeitig aufgeht. So bemüht er sich, die Gefahren durch die Verfolgung Elinas und überhaupt das ganze Leid nicht zu verharmlosen. Seine im Grunde schon eingesperrte Geliebte war aufgestöbert und bald darauf ermordet worden. Hier drängt sich ihm freilich die wenig barmherzige Frage auf, ob es nicht auch besser so gewesen sei. Denn wer konnte wissen, wie sich die Liebschaft gestaltet hätte, nach dem Krieg? Nach allen Erfahrungen: schlecht. Ähnliches mag für den Fall einer professionellen Sängerinnen-Laufbahn Elinas gelten. So aber hat er Elina zwar verloren, aber doch noch in guter Erinnerung. Und sich selber ebenfalls? Das dürfte schwierig werden. Denn diesem erhebendem oder jedenfalls beruhigendem Selbstbild des jugendlichen Kunstpädagogen Zelko schlägt ja der einmal aufgequollene Hader mit seinem gar zu angepaßtem späterem Lebens-wandel ins Gesicht. Außerdem ist es abscheulich, einem blühendem jungem Menschen den Tod zu wünschen. Dies alles könnte für den geplanten Roman bedeuten, ein Wechselspiel zwischen Zelkos Erinnerungen an Elina und kritischen Steiflichtern aus seinem Nachkriegs-Werdegang zu geben.

Es fing schon bezeichnend an, verdankte sich ihre Liebschaft doch einem Verhängnis. Er hatte Elina nur kennengelernt, weil sie aus dem faschistischem Deutsch-land geflüchtet war. Sie landete in der Provinzhauptstadt L., damals um 30.000 EinwohnerInnen, wo sie weitläufige Verwandte hatte. Mit denen überwarf sie sich aber rasch, weil sie an ihrer »unmöglichen (weltlichen) Singerei« festhielt. Als sie Zelko in einem Jazzkeller in ihren Bann schlug, war sie bereits in die »Kommune« gezogen. Die halbe Kommune machte Musik. Aber niemand sang und bewegte sich wie Elina. Selbstverständlich war Zelko nicht der einzige, der von ihrem Auftreten und ihrem Können beeindruckt war. Er war jedoch der einzige schwarzmäh-nige, »fortschrittliche« Kunstpädagoge L.s, der Elina an einen türkischen oder gar arabischen Vollbluthengst erinnerte. Außerdem war er deutlich älter als sie und vergleichsweise gut situiert. Zwar hatte ihr neuer Geliebter bereits eine Familie, nämlich Frau und Söhnchen, aber damals gab man sich in den Kreisen, in denen Zelko und Snegana verkehrten, aufgeklärt und unangepaßt. Das letzte Wort versah Zelko in seinen Aufzeichnungen mit einem …! So badete er mit seiner neuen Geliebten in der lokalen Subkultur, immer begünstigt vom schwarz- oder mittelmeerischen Klima, das genauso Musik auf der Straße oder unter den Arkaden am Hauptmarkt wie das Liebes-spiel in etwas abgelegenen Lorbeer- oder Olivenhainen gestattete. Doch der »Sommer der Anarchie« währte nur kurz. Das Land wurde von den deutschen Faschisten besetzt.

Ich nehme davon Abstand, Elinas Erscheinung oder die beinahe schlichte Art ihres Auftretens zu schildern. Eingeweihte dürften sich dabei zu leicht an die Sängerin Erika Lewis von Tuba Skinny erinnert fühlen. Das darf man Lewis natürlich nicht sagen. Sonst stirbt auch sie sofort, am Schock dieser Eröffnung. Dafür kann ich mich für Elinas Charakter verbürgen: trotz ihrer Ader für Koketterie unbedingt aufrichtig, zudem selbstgewiß, anspruchslos, ausgeglichen. Auf ihre Art war die junge Frau fromm – nur nicht jüdisch. Ihre eher tiefe Sopranstimme besaß neben zahlreichen betörenden Zügen den schnöden Vorteil kräftig genug zu sein, um sich auf der Straße gegen die Bläser der Truppe oder die Marktweiber, Pferdefuhrwerke und Automobile durchzusetzen. Ach ja, im Gegensatz zu María Malibran hätte sie bestimmt ihren Weg gemacht! Die gefeierte, angeblich gerade schwangere Operndiva fiel 1836 bei der Jagd im Londoner Hyde Park im Alter von 28 Jahren vom Pferd. Anschließend sollen in Brüssel 50.000 Menschen die Straßen gesäumt haben, durch die der Wagen mit ihrem Sarg fuhr. Welche fürstliche Belohnung für eine geringfügige Torheit!

Vorerst wird »nur« der Judenstern über Elina verhängt. Das bedeutet selbstverständlich Spießrutenlaufen, doch Zelko und auch die meisten MusikerInnen und Freunde halten zu ihr. Bald kommt allerdings das Arbeitsverbot. Und dann geht ihnen auch schon eine dringende Warnung aus Kollaborateurs-Kreisen zu: Verhaftungen und Verschleppungen in KZs stünden bevor. Das Liebespaar steht nun vor der finsteren Alternative: fliehen oder untertauchen? Im Glauben, die Faschisten hielten sich (auch in Deutschland) nicht mehr lange an der Macht, entscheiden sich die beiden für das zweite. Eine Cousine von Zelko ist bereit, Elina in ihrer Wohnung zu verstecken. Da Ivett jedoch berufstätig ist, darf sich Elina während deren Abwesenheit kaum rühren, denn seitens der Nachbarn droht Verrat. Auch sonst ist die Einengung schlimm. Das betrifft etwa Fenster, Türen, Wasserhahn, Toilette, Müll, Stimme senken, Pantoffeln oder Socken nicht vergessen und vieles mehr. Zwar sind gelegentliche »offizielle« Besuche Zelkos (bei der Cousine) möglich; bleibt er freilich über Nacht, müssen er und Elina im Bett bereits bei bloßen Gesprächen flüstern oder aber mühsam eine Wolldecke über sich drapieren, weil die Zimmer-wände zur Nachbarwohnung so dünn sind. Für über-raschende, unliebsame Besuche oder Kontrollen gibt es womöglich ein Schlupfloch zum Dach, wo Elina, an einen Schornstein geklammert, von den Nachbarhäusern her nicht bemerkt werden kann. Das bedeudet mit Herbst-beginn ein hübsches Zittern – Angst und Kälte im Verein.

Erschwerend kommt die wirtschaftliche, durch Besatzung und Kriegswirtschaft bewirkte Not hinzu. Während die Löhne sinken und die Rohstoffe knapp werden, beschlagnahmen die BesatzerInnen gnadenlos; nach den Radios, Pferden und Autos ziehen sie sogar die Fahrräder und das Tafelsilber ein. So nagt selbst der noch im Schuldienst stehende Zelko nebst Familie bald am Hungertuch. Der Mangel an Geld, Nahrung, Kleidung, Brennstoff schlägt in Elinas Unterschlupf »natürlich« doppelt durch. Glücklicherweise verfällt das Paar auf die Idee, ein bestimmtes, kunsthandwerklich wertvolles Spielzeug herzustellen, das Zelko an ein Warenhaus verkaufen kann. Sie nehmen die Serienproduktion auf. Dadurch hat Elina immerhin zugleich eine gewisse, wenn auch reichlich stumpfsinnige Waffe gegen ihre Verdam-mung zur Untätigkeit in der Hand. Dies alles stellt ihre natürliche Heiterkeit auf eine große Probe. Ein weiteres Problem erwächst aus Krankheiten. Als Untergetauchte kann sie nicht kurzerhand zum Arzt marschieren, während der umgekehrte Versuch, einen Arzt ins Haus zu bekommen, kaum weniger gefährlich ist.

Als nicht geringe Hilfe, etwa bei der Versorgung mit Lebensmitteln, Nachrichten, Fertigungszubehör, stellt sich Zelkos Söhnchen Konstantin heraus. Der Junge bestand darauf, er ist tatendurstiger Antifaschist. Im Herbst ist er sogar in der Lage, Elina und Ivett durch einen »Front-bericht« aus eigener Anschauung aufzumuntern. Das Bürgermeisteramt – das selbstverständlich unter der Fuchtel der im Schloß residierenden deutschen Komman-datur stand – hatte einen allgemeinen »Schulwandertag« auf die gepflügten Äcker der umliegenden Herrensitze angeordnet. Dabei hieß es für die Mädchen und Jungen in Wahrheit stundenlang Steinelesen, nämlich die Äcker in dichten Ketten abzugehen, sich tausendmal zu bücken und die aufgeklaubten Steine auf die Wagen von Pferdege-spannen zu werfen, die in gewissen Abständen vor den Ketten aus Kindern herfuhren. Das machte Konstantin einmal derart wütend, daß er einen Stein »aus Versehen« zu weit warf. Er landete auf dem Schädel eines Gauls, der natürlich sofort ausbrach – der Tumult und das Donnerwetter der Schleifer von Partei und Gut waren beträchtlich. Dummerweise war Konstantin von einem Bonzensprößling belauert und bei dem kriminellem Wurf ertappt worden. Sogleich verpetzt, hatte er alle Mühe, sich bei den Schleifern herauszureden. Allerdings war Konstantin beileibe nicht der einzige Antifaschist auf dem betreffendem Acker. Einer wußte, der Bonzensprößling besaß auf dem elterlichen Villengrundstück einen Goldfischteich mit Schwanenhäuschen in der Mitte, der sein ganzer Stolz war. Das Schwanenhäuschen war gemäß der Jahreszeit unbesetzt, doch die Goldfische tummelten sich noch im Wasser. Wie erst, als von einem benach-bartem Gehölz her eine echte, gestohlene Handgranate in das Schwanenhäuschen krachte!

Wäre ich der Autor dieses Romans, würde ich Konstantin zu einem spätem Sorgenkind seines Vaters machen. Ich sage spät, weil Zelko erst neuerdings der Verdacht beschleicht, sein Sohn verdanke seine atemberaubende Karriere als »Bildhauer«, neben seiner kaum zu bestreitenden Aufgewecktheit, genau jener berüchtigten »modernen« Schaumschlägerkunst, die er, der einflußreiche Kunstwissenschaftler Zelko, mit etlichen Publikationen, zudem als Akademiedirektor nicht unerheblich mitzufördern wußte. Warf er jetzt einen Blick auf diese hochtrabenden und hochbezahlten Phrasen, an die er sogar über Jahre hinweg ehrlich geglaubt hatte, wurde ihm ähnlich schlecht wie von dem eingangs erwähnten Ziegelstein. Ja, das wäre vielleicht schon der Weg, den der gefeierte Bildhauer Konstantin ging: er verlegte sich darauf, Parkteiche mit schwimmenden, mehr oder weniger gekurvten Verbänden aus Ziegel- oder Pflastersteinen zu versehen, die wahlweise an abgetriebene Uferbefestigungen, Riesengoldfische oder herrenlose Landepisten für Modellflugzeuge erinnerten. Die Steine hatte er dabei stets so raffiniert mit Kanthölzern unterfüttert, daß sie gerade einen Daumen breit aus dem Wasser lugten, während die Unterfütterung überhaupt nicht zu sehen war. O diese Leichtigkeit! Die in diesem Lande kaum mehr dem »Sozialistischem Realismus« huldigenden KunstkritikerInnen schwärmten, und Konstantin strich die in der Tat recht bequem verdienten Erlöse und Staatspreise ein.

Immerhin, es war nicht der Knabe Konstantin, der Elina, etwa durch ein Verplappern, zur Besatzungszeit ans Messer lieferte – das muß ihm hoch angerechnet werden. Und es war auch nicht die Umgehung des Gesangsverbots für Elina, auf das sich die Beteiligten anfangs notgedrun-gen geeinigt hatten. Es war die Hausmitbewohnerin M., Gattin eines Kollaborateurs, der bis dahin lediglich Abteilungsleiter bei den städtischen Gas- und Elektrizitätswerken gewesen war. Bald darauf leitete er den Betrieb. Seine Gattin, ohnehin an Langweile leidend, hatte sich, was die Wohnung der Cousine anging, schon so einiges zusammengereimt, und als sie einmal die WC-Spülung vernahm, obwohl eigentlich niemand in der Wohnung sein konnte, rief sie bei der Kriminalpolizei an.

Ja, das Gesangsverbot war das Schlimmste für Elina gewesen. Nach zwei Monaten hatte sie es nicht mehr ausgehalten. Sie brach in Schluchzen aus, preßte sich ein Sofakissen vors Gesicht und brachte die Gläser in Ivetts Vitrine zum Klingen, denn so heftig wackelte der Stuhl, auf dem sie saß – Zelko zerriß es fast das Herz. Sie überlegten hin und her. Heimliche Ausgänge wagen? Singen nachts im Wald? Und dergleichen mehr. Schließlich fiel Zelko ein früherer Schulkamerad ein, ein Pfarrer, der als »fortschrittlich« galt. Seine Kirche lag gleich um die Ecke. Das war die Notlösung. Nun durfte Elina mehrmals wöchentlich im Schutz der Abenddämmerung über den Hinterhof zur Kirche schleichen, um dort vorgeblich für Aufführungen des Kirchenchors oder kirchliche Liederabende zu »proben«. Gegen mögliche Spitzel oder Polizisten hatten sie einen Wachdienst organisiert, sodaß immer einer Schmiere stand, Zelko, Konstantin, Ivett oder der Pfarrer höchstpersönlich. Nach einigen Monaten hätte Zelko bestimmte geistliche Arien selber singen können, so oft hatte er sie mitanzuhören. Ragtimes oder Schlager konnte Elina schließlich schlecht bringen, das wäre der dümmsten Putzfrau aufgefallen. Damals fanden sie das noch streckenweise witzig. Aber als Elina weg war und sich Zelko fragte, was sie jetzt wohl in ihrer Zelle oder, schlimmer noch, in der Gaskammer täte, stiegen jene Arien so übel in ihm auf, daß er glaubte zu ersticken. Die besagte Kirche betrat er nie mehr. Jetzt hätte er Lust, wieder hinzufahren, um mit zwei oder drei von Konstantins Ziegelsteinen die schönen, buntverglasten Fenster einzuschmeißen. Ob ihm das aber selber hülfe? Bei dem Versuch, seine Selbstachtung wiederzufinden?

Es hatte auch damals nicht an Scham und Schuldgefühl gemangelt, bei allen Beteiligten: Elina, Zelko, Ivett, ja sogar Snegana. Man male sich nur aus, wie allein der selbstlose und brandgefährliche »Wachdienst« an der Kirche auf Elinas Stimmbänder drücken mußte. Wie sich versteht, fühlte sich Elina grundsätzlich in der Schuld, doch für ihren Geliebten und die anderen HelferInnen galt das nicht minder, weil sie nicht wußten, warum sie ein entschieden besseres Los verdient haben sollten als die Leute, denen zufällig der Judenstern oder sonst ein »Makel« angeheftet worden war. Auch »Zigeuner« wurden damals erbarmungslos verfolgt. Die Kirchenbosse gaben zu allem ihren Segen.

Im übrigen mischten sich in diesen zeitbedingten Zündstoff die üblichen heiklen Gesichtspunkte des Daseins und des Alltagslebens, die mit dem Faschismus wenig zu tun hatten. Ich schließe mit der »Nebenfigur« Ivett. Zelkos Cousine war ein herzensgutes, aber schüchternes Mädchen – kurz, ein Mauerblümchen. Da sie bis dahin nie Männerbesuch hatte, konnte Zelko schwerlich als ihr neuer Liebhaber ausgegeben werden, zumal er deutlich älter war. Er galt als Verwandter, der jetzt häufiger nach ihr sah, weil sich die Notlage im Lande verschärft hatte. In Wahrheit konnte sich Ivett durchaus lebhaft ausmalen, Zelko schlüpfe nicht eine Zimmertür weiter, vielmehr in ihrem Zimmer unter die Bettdecke. Ich glaube, daran hatte sie ungleich mehr zu leiden als an den Entbehrungen und Gefahren, die sie als Elinas »Wirtin« auf sich genommen hatte. Immerhin kam sie nach Elinas Verhaftung glimpflich davon. Ein einflußreicher Mann aus der Firma, in der sie beschäftigt war, hielt seine Hand über sie. Warum tat er das? Gewann er »das Mauerblümchen« als Zierde seines gähnend leeren Einfamilienhauses? Wurde Ivett, nach dem Krieg, glücklich? Vielleicht sollte sich Zelko einmal zu ihr begeben. Er hatte sie ewig nicht mehr gesehen.
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