Samstag, 1. April 2023
Warum gerade mir
ziegen, 09:34h
Ein makaberer, wenn auch recht bezeichnender Scherz bahnte sich am 1. April 2007 in Dortmund im Zelt des Zirkus Flic Flac an. Die siebenköpfige Hochseiltruppe Camadi hat ihre spektakuläre Pyramide gebaut und klettert, vom Beifall umbrandet, wieder zur Erde. Letzter auf dem Seil ist der 39 Jahre alte Kolumbianer Marcos Daza. Plötzlich stürzt er aus neun Meter Höhe ab und schlägt auf den harten Boden. »Macht weiter!« soll er vor seinem Abtransport geflüstert haben. Daza erliegt seinen schweren Kopf- und Rückenverletzungen knapp zwei Wochen darauf im Krankenhaus. Eine Untersuchung des Vorfalls ergibt, man hatte unter ihm bereits das Sicherungsnetz entfernt und ein Spannseil gelöst. Durch den Ruck verlor Daza das Gleichgewicht und fiel. Ein angeblich dafür hauptverantwortlicher Zeltarbeiter wurde 2009 vom Dortmunder Amtsgericht mit einer Geldbuße von 3.000 Euro, zahlbar an die Eltern des Kolumbianers, belegt. Bild zufolge verzichtete er jedoch darauf, Arbeitshetze, Sensationslust, irrsinnigen Wagemut oder sonstwas anzuprangern, falls ihn der Reporter nicht zensiert hat. Es sei schrecklich, daß das ausgerechnet ihm passiert sei, habe der 42 Jahre alte Sünder stattdessen am Rande des Prozesses gesagt.*
Somit legte er das weltweit beliebte Arschkarten-Verschieben an den Tag: Es hätte lieber einem anderen passieren sollen. Denn passieren tut es ja leider. Hochseilakrobatik ist für das menschliche Wohlbefinden so unabdingbar wie die Luftfahrt. Die Ruhrgebietsstadt Haltern, nicht weit von Dortmund entfernt, verlor im März 2015 eine ganze 16köpfige Schulklasse plus zwei Lehrerinnen, weil der aus Spanien kommende Airbus, in dem sie bei der Rückkehr vom Schüleraustausch saßen, gegen die französischen Alpen prallte und, mit 150 Insassen an Bord, zerschellte – alle tot. Es sei ohne Zweifel »der schwärzeste Tag in der Geschichte der Stadt«, sagte Halterns Bürgermeister (38.000 EinwohnerInnen) laut Focus mit belegter Stimme auf einer Pressekonferenz.** Keine Lehrkraft des Haltener Joseph-König-Gymnasiums erlaubte sich den Hinweis auf heimische mittelalterliche Feuersbrünste, Schlachten, Hexenverbrennungen und dergleichen mehr – etwa auf das pandemiefähige Seuchenpotential fliegender Dinosaurier wie Airbus oder Boeing. Prompt ergänzte der Bürgermeister: »Das ist so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.« Somit hätte die erste US-Atombombe, die bekanntlich 1945 auf Hiroshima fiel, in Haltern keine Chance gehabt.
Lassen wir es gut sein mit Katherine Díaz, einer kühnen jungen Frau aus El Salvador. Die 22jährige Wellenreiterin galt sogar als »Olympiahoffnung«. Am 19. März 2021 trainierte sie gerade (unweit ihres Wohnortes Tunco) an der Pazifikküste, als ihr »ein plötzlicher Wetterum-schwung« ins Gehege beziehungsweis in die Wellen kam. Sie wurde von einem Blitz erschlagen. Wiederbelebungs-versuche am Strand schlugen fehl. Zwar war ihr Onkel Beto auf See in ihrer nächsten Nähe gewesen, wie tz-München wußte***, aber das Blatt versäumte es, dem nun rechtzeitig die Arschkarte zuzuschieben.
* https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/todes-drama-im-zirkus-flic-flac-8598934.bild.html, 5. Juni 2009
** https://www.focus.de/panorama/welt/sie-kehrten-von-einem-austausch-zurueck-16-schueler-des-joseph-koenig-gymnasiums-sterben-an-bord-der-germanwings-maschine_id_4566985.html,
24. März 2015
*** https://www.tz.de/sport/mehr/surferin-katherine-diaz-blitzschlag-tot-training-onkel-trauer-olympia-el-salvador-90261201.html, 26. März 2021
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