Dienstag, 6. Dezember 2022
Nasen Borst—Deil

Borstschagowski, Alexander (?). Nachdem mit Uwe Seeler (85) der berühmteste Kanonier des deutschen Wirtschaftswunders von uns gegangen ist (Sommer 2022), greife ich zielsicher Ihr größtes Spiel aus meinem Bücherschrank. Die Wiederlektüre lohnt sich, denn Alexander Borstschagowski, der Autor, ist meines Erachtens ein ausgezeichneter Erzähler. Ich besitze die Ostberliner Ausgabe seines Romanes von 1960, Übersetzung Willi Berger. Leider verrät das Internet so gut wie nichts über Borstschagowski, der vermutlich Sowjetbürger war. Allerdings geht es in seinem Werk gegen die Deutschen. Die hatten nämlich 1941 die Ukraine überfallen und besetzt und damit auch den heimischen Fußballbetrieb zerstört. Die von Borstschagowski verwertete Begebenheit soll im Kern historisch verbürgt sein. Einer gut 20 Jahre alten Darlegung* des Sportjournalisten Werner Skrentny zufolge hatten sich in der hauptstädtischen Brotfabrik 1 verschiedene begabte Fußballer zusammengefunden, vor allem von Dynamo und Lokomotive Kiew. Nach langer Erörterung erklärten sie sich bereit, an der neuen Stadtliga von Nazignaden teilzunehmen. »War es nicht Kollaboration, wenn man an dem unter der Besatzung organisierten Wettbewerb teilnahm, der in Kriegszeiten Normalität vorgaukeln sollte? Aber da war auch der Stolz auf Dynamo, die Liebe zum Sport und die Chance, die Moral der Einheimischen zu verbessern.« Der neue Club nennt sich Start. Anfang Juni 1942 debütiert er mit 7:2 gegen den streng antibolschewistisch gestimmten Rivalen Rukh. Es folgen etliche Siege, darunter auch gegen die bis dahin ungeschlagene deutsche Flakelf. Die zerknirschten BesatzerInnen halten sich zunächst zurück, um keine »Märtyrer« zu schaffen, doch mit der Siegesserie der »Roten« und der Verschärfung des Krieges schwillt die Verfolgung an: Schon auf dem Rasen Benachteiligung und Brutalität, ferner Prügel, Folter, Lagerhaft, Erschießungen. Bis Februar 1943 sind, laut Skrentny, nachweislich vier Start-Leute ermordet, darunter Torwart Nikolai Trusevich, der Kopf der Mannschaft. Er soll vor dem Hinrichtungs-schuß »Rotsport wird nie sterben!« ausgerufen haben. Nach dem Krieg setzten Ehrungen und Legendenbildung ein.

Borstschagowski eröffnet seine Geschichte mit der Chance einiger hinter Stacheldraht darbenden, mehr oder weniger kommunistisch geprägten Fußballer, für ein Jubiläumsspiel gegen eine aus Deutschland eingeflogene Spitzenmannschaft zumindest vorübergehend freigelassen zu werden. Man gewährt ihnen, kaserniert und bewacht, einen Monat fürs Training. Sie lassen sich darauf ein – flüchten können sie immer noch, denken sie. Nebenbei verschaffen sie dadurch angeblichen »Ersatzspielern« die Möglichkeit zur Flucht. Wie sich versteht, soll das Match den Besatzern zur Imagepflege und zum Nachweis der deutschen allseitigen Überlegenheit gereichen. Peinlicherweise liegt Legion Kondor zur Halbzeit mit 2:3 zurück. Die Deutschen auf den östlichen Rängen des großen Stadions (40.000 Plätze) murren; einige Offiziere schießen in ihrem Gram bereits auf die Anzeigetafel. Die ukrainisch oder russisch besetzten westlichen Ränge schöpfen Hoffnung, sofern sie nicht über Fragen der politischen Moral streiten. Hier fiebern auch der Ingenieur Rjasanzew, einst ein guter Stürmer und Trainer, und seine kleinen Söhne mit. Er ist kein Widerstandskämpfer, hat sich vielmehr in einer miesen Werkstatt vergraben, zumal er ernsthaft lungenkrank ist. Doch dann geschieht zweierlei. Der junge Torschütze Pawlik muß verletzt ausscheiden, und in der Umkleidekabine pflanzen sich zur Halbzeitpause die zuständigen Nazichefs auf um den Roten einzuschärfen, sie sollten sich einen Sieg gefälligst abschminken. Gingen sie nicht als Verlierer vom Platz, würden sie allesamt erschossen. Das spricht sich in Windeseile auf allen Rängen herum. Nun gibt es für Rjasanzew kein Halten mehr: Er schnürt sich Pawliks Fußballstiefel um und läuft als dessen Ersatzmann auf. Mehr noch, gelingt dem so oder so todgeweihten Ingenieur nur wenige Minuten vor dem Abpfiff sogar das Siegtor, wohl zum 5:4. Die Roten verlassen das Stadion von deutschen Soldaten flankiert – sehr wahrscheinlich Richtung Erschießungsplatz.

Der Autor stellt die russische Mannschaft keineswegs als einmütiges, in der Augustsonne glänzendes Heldendenk-mal hin. Manche Spieler wären wohl bereit gewesen, die verlangte Niederlage zu liefern. Verteidiger Sedoi wird sogar als ausgesprochener Hasenfuß gemalt. Für andere wiederum stellt ein Spiel auf Sieg die berüchtigte Ehrensache dar. In der siebten Minute läßt Torwart Nikolai Dugin trotz Hechtsprung den ersten Treffer der Deutschen durch. Platt am Boden liegend, überflutet ihn brennende Scham. Der Blondschopf lugt unter dem Mützenschirm hervor, sieht »die reglosen Gestalten der Spieler, den grünen flauschigen Rücken des Fußballfeldes und die Tribünen, die tief eingesunken schienen wie ein Schiff auf hoher See.« Könnte man Iltis, den Schützen, kurzerhand vergessen – ja, die Deutschen überhaupt! Könnte man einfach »auf der Erde liegenbleiben, an eine Stelle kriechen, wo das Gras dichter war, sich auf den Rücken drehen und in den hohen, gewaltigen Himmel schauen!« Tatsächlich aber mausert sich Dugin im Lauf des Spiels zum sprichwörtlichen Rückgrat des roten Sieges. Weiter vorne machen vor allem Eisenbahner Sokolowski und der junge Mischa Skatschko Dampf. Diesem hatte man erst kürzlich die Braut genommen, Sascha. Um daraus Schärpen für die Spieler zu nähen, hatte sie in der Textilfabrik ein paar Meter roten Satins entwendet und sich um den Bauch gewickelt. Sie wurde beim Schicht-wechsel ertappt und noch im Fabrikhof erschossen.

Mir selber geht das Heldentum wahrscheinlich mehr als Borstschagowski ab, zumal ich weder Bolschewist noch Anthroposoph bin, also nicht an Wiedergeburt glaube. Ich hätte mir und meinen Kameraden gesagt: Auf den Rängen wissen doch sowieso alle, welches Faulspiel hier läuft. Die Einheimischen werden es uns wohl kaum krumm nehmen, wenn wir unseren Frauen den Ernährer und dem Widerstand ein paar Maulwürfe retten. Also spricht nichts dagegen, wenn Dugin am Ende notfalls einen strammen Fernschuß oder einen Elfmeter durchgehen läßt, damit uns die Faschisten – vielleicht – verschonen … Hasenfuß Sedoi versuchte es übrigens. Er zitterte um sein Leben. Folglich nahm er den Ball im Getümmel vorm eigenen Tor sogar mit der Hand auf, wodurch er den Deutschen zu einem Strafstoßtor verhalf. Aber bald darauf schlug Rjasanzew zu. Ihm gelang »ein gewaltiger Schuß aus etwa zwanzig Meter Entfernung, ein Schuß in die Torecke, knapp unter die Latte.« Dagegen waren selbst die Bakterien in seiner ausgepumpten Lunge machtlos.

* »Tödliches Spiel«, Tagesspiegel, 8. November 2001: https://www.tagesspiegel.de/sport/toedliches-spiel/269270.html



Brandorff, Walter (1943–96). Eingeweihte kennen ihn als wichtigen österreichischen »Fantasy«-Autor, Hauptfach Horror. Die Webseite seines Verlages preist »ein Werk voller Gräßlichkeiten und Boshaftigkeiten, schnörkelloser Humor vom Feinsten«. Trifft das zu, hatte Brandorff natürlich völlig recht, wenn er sich weigerte, im Bett zu sterben. Er verbrannte vor rund 25 Jahren in der Nähe seines Wohnhauses in einem Hubschrauber. Das war sein letztes Gruselstück.

Robert N. Bloch zufolge* liegt das Haus abgeschieden an einem Hang bei Wolfsberg in Kärnten – der kleinen Stadt, in der Brandorff, Sohn eines Vermessungsingenieurs, auch aufwuchs. Seine Mutter war wenige Tage nach der Geburt gestorben. Der Halbwaise besucht eine heimische, zuchtvolle Klosterschule und studiert Jura. Zwar geht er nebenbei den unterschiedlichsten, möglicherweise eindrucksstarken Hilfsarbeiten nach, doch am Ende steht, teils in der Landeshauptstadt Klagenfurt, eine Bilderbuchkarriere des »Doktors« als Gerichts- und Finanzbeamter. 1980 hat er es bereits zum Leiter des Wolfsberger Finanzamtes gebracht. 1991 ernennt ihn der Bundespräsident zum Wirklichen Hofrat. In das alte, jedoch instandgesetzte Bauernhaus am Hang zieht Brandorff mit Frau und Sohn 1993. Zwischenzeitlich überwindet er eine lebensbedrohliche Krebserkrankung – nüchtern wie er war, hatte sich der (heimliche) Horror-Schriftsteller bereits von seinen Kollegen im Amt und der Welt überhaupt verabschiedet, aber er wurde geheilt. 1995 ließ er sich pensionieren. Allerdings war er noch, neben dem Schreiben, »im Vorstand einer Privatstiftung« tätig, so Blochs Bezeichnung. Den Aufgabenbereich der angeblichen Stiftung erfahren wir nicht. Jedenfalls seien öfter »Inspektionsflüge« angefallen, und so auch am 8. August 1996, als sich bei Wolfsberg, kurz nach dem Start, wegen Nebels der angedeutete Hubschrauberabsturz ereignet habe. Die Presse habe ausführlich über den spektakulären Unfall berichtet. »Man sieht Fotos der Verunglückten. Nur einer fehlt: Walter Brandorff. Noch im Tod bleibt er unnahbar.«

Soweit Bloch, soweit es den Unfall betrifft. Die Anzahl der Verunglückten nennt er nicht. Aber die Sache mit den Fotos stimmt. Jedenfalls trifft es auf die vielgelesene österreichische Kronen Zeitung zu, die mir freundlicherweise zwei Artikel geschickt hat, die am 9. und 10. August 1996 erschienen. Nach dieser Darstellung herrschte am Unglückstag im Bezirk Wolfsberg in der Tat dichter Nebel, überdies starker Regen. Um seine fünf Fahrgäste, eine Abordnung der in St. Andrä ansässigen Firma Kostmann, plangemäß ins östliche Ungarn zu befördern, riskierte der Pilot des Hubschraubers offenbar einen Blindflug, geriet dabei schon im engen Lavanttal zu tief, schlug unweit der Südautobahn, der Stadt Wolfsberg und deren großer Nachbargemeinde St. Andrä eine 100 Meter lange Schneise in den Wald und endete in einer »Flammenhölle«, wie das Blatt schreibt. Von den im ganzen sechs Insassen starben fünf, darunter der Pilot der Klagenfurter Firma Goldeck-Flug, die mit der Firma Kostmann verbandelt sei. Der Pilot habe als erfahren gegolten. Die Abordnung bestand aus Spitzenmanagern und Geschäftsfreunden des Bau-, Rohstoff- und Transportunternehmens Kostmann. Es beschäftigte damals immerhin 180 Leute. Der mißglückte Flug nach Ungarn galt, laut Kronen Zeitung, einem »firmeneigenen Schotterwerk«. Ja, um Schotter scheint es in der Tat nicht unwesentlich zu gehen, werden doch die beiden Mitverstorbenen Hubert Wiesenbauer (67) und Dr. Walter Heinz Brandorff (53) ziemlich unmißverständlich als »Finanzberater« bezeichnet. Der einzige Überlebende, wenn auch schwerverletzt, war Ingenieur.

Ich lasse dahingestellt, wem oder welchen Beweggründen wir Blochs »objektiv« schonende Darstellung der Unglücksumstände zu verdanken haben. Immerhin scheint sie dem Wesen seines Gegenstandes zu entsprechen. Bloch zufolge muß der Finanzbeamte und Schriftsteller aller Welt gegenüber, Frau und Sohn eingeschlossen, ein wahres Buch mit sieben Siegeln gewesen sein. Seine Frau A., laut Bloch eine Malerin, versichere allerdings, sie habe die Wortkargheit und Verschlossenheit ihres Mannes nie gestört. Sie nennt ihre Ehe mit Brandorff »glücklich«. Von seinem Schreiben weiß sie angeblich so gut wie nichts. Sogar Fotos sind kaum vorhanden – was Wunder, wenn selbst die Kronen Zeitung in dieser Hinsicht ins Leere griff … Einmal sieht man Brandorff unscharf als Urlauber an einem Biertisch: mit Kinnbart, wohlgescheitelt, goldran-dige Sonnenbrille, Zigarette rauchend – ein Spießbürger wie all die anderen Wolfsberger SpießbürgerInnen, deren Geheimnisse ihm freilich als Finanzamtsvorsteher bestens bekannt waren, wie sogar Bloch anmerkt. Darin liegt schon ein erheblicher Unterschied.

Bloch schätzt Brandorff als mißtrauischen Zeitgenossen ein, der sich selbst – und seine ihn bedrückenden bitteren Erfahrungen oder Alpträume – lieber in literarischem Gewande einer anonymen Leserschaft vorstellte, als sich handfester Nähe und Geselligkeit auszusetzen. Kommerzielle Interessen habe er dabei nicht verfolgt. Wahrscheinlich sei er noch nicht einmal auf »Publicity« und Nachruhm aus gewesen. Das würde ihn denn von Berufskollegen wie Stephen King unterscheiden, den Brandorff anscheinend schätzte. Aber in sonstiger moralischer Hinsicht dürften ihn keineswegs Welten von dem Großverdiener und Zyniker aus den USA getrennt haben. Oder von unseren Ministern, die ihre Entlassungsurkunden regelmäßig noch am selben Tage in die Stechuhren von Unternehmen der Privatwirtschaft stecken, mit denen sie sowieso schon seit Jahren zu tun hatten, in ihrem Öffentlichen Amt.

* »Walter Brandorff – ein bitterer Erzähler des Grauens«, Beitrag im ARCANA. Magazin für klassische und moderne Phantastik, Nr. 1 (2002), Lindenstruth-Verlag, Gießen



Bratt, Alfred (1891–1918), Berliner Theatermann und Erzähler. Das vielberedete und vielgeforderte Bedingungslose Grundeinkommen wurde 1916 von Bratt eingeführt. Es bewährte sich allerdings nicht so richtig. Es endete in blutigem Aufruhr und im Wiederaufblühen der bekannten kapitalistischen, wölfischen Weltwirtschaft.

Damit möchte ich nicht den Eindruck erwecken, mit seinem »utopischen« Roman Die Welt ohne Hunger, erschienen 1916, sei Bratt ein überragender Wurf gelungen. Er hat seine Schwächen. Vor allem ergeht er sich, besonders im ersten Teil, in etlichen Längen, weil Bratt das Poetisieren, In-Rätseln-sprechen, Mystifizieren liebt. Die Knappheit hat Bratt nicht erfunden. Die Indirekte Rede auch nicht, sonst wären uns manche Konjunktionen der Sorte daß erspart geblieben. Aber in dramaturgischer Hinsicht hat er gleichwohl einiges drauf; man wird das Buch nicht aus der Hand legen, bevor man nicht erfahren hat, wie die Angelegenheit endet. Ich habe es bereits angedeutet. Und sie hat Witz, obwohl der Autor nie scherzt. Man könnte auch am Ende noch nicht beschwören, es habe sich entweder um einen Beitrag zur Theorie des Klassenkampfes und des Totalitarismus (heute »Globalisierung« oder »Großer Neustart« genannt) oder aber um eine Schnulzen- und Schauerparodie gehandelt – etwa auf Dr. Mabuse, der 1916 noch gar nicht geschrieben war.

Bratts Held heißt Bell. Der Chemiker und »Weltbeglücker« (S. 86, 107, 158)* glaubt eine in die Form eines kleinen Würfels preßbare nahrhafte Substanz gefunden zu haben, die den Planeten schlagartig vom Hunger und von der Spaltung in Arm und Reich befreien würde – sofern es ihm nur gelänge, die erforderlichen Geldgeber für eine großangelegte Produktion dieser Art Maggi-Würfel zu gewinnen. Man tut ihn jedoch als Phantasten ab. Erst in London – das er von Dover aus per blitzender Einschienenbahn erreicht – gerät er an einen geheimnisvollen, häßlichen Sonderling, der die rechtlosen und verelendeten Vorstadtmassen, denen es schließlich auch zugute kommen soll, für das »Präparat« zu erwecken verspricht. Doch Bell fühlt sich bald mißbraucht. Er überwirft sich mit Schebekoff, sorgt bei seiner Flucht per Flugzeug für den Tod einer niedlichen blonden Tochter des Fleischtrustbosses Graham, an die er sowieso nicht herangekommen wäre – und landet im Weißen Haus, Washington. Und der Präsident erkennt das gewaltige, stimmenfördernde Kaliber von Bells Projekt. Er setzt den Erfinder als Chef des neuen Bundesernährungspro-grammes ein und läßt damit die Produktion anrollen. Binnen weniger Wochen ist Bell weltberühmt.

Interessanter-, für manche vielleicht auch ärgerlicherweise erfährt man auf den 380 Seiten nie, worin die Nahr-haftigkeit des Wunder-»Präparates« eigentlich bestehe. Selbst eine angebliche Erprobung seines Nährwertes durch unabhängige Fachleute täuscht Bratt (248) im Grunde nur vor. Aber dann behauptet er kurzerhand, es mache die arbeitslosen Yankees tatsächlich rundum satt – denn für die ist die Pille gedacht. Sogar die unzufriedenen Stahlarbeiter halten wegen ihr zunächst ihren Streik durch. Denn die Pille ist kostenlos. Sie ist Streikgeld in Natura. Ob sie vielleicht ungut schmeckt und dem Körper so manchen sinnvollen Betätigungsdrang sperrt, steht bei Bratt nicht zur Debatte. Hauptsache, umsonst. Was den Generalstreik und die ihm antwortende Aussperrung schließlich trotz des Wunder-Präparates durchkreuzt, sind die erwachenden Frauen der Arbeiter. Das hat mir gefallen, obwohl es in den betrüblichen alten Trott zurückführt – nur diesmal ohne den fingerhutgroßen braunen Wunderwürfel. Aber Volksgemeinschaft hat man ja so oder so.

Aufgrund seines frühen Todes war Bratt lediglich ein Roman vergönnt, doch der erwies sich in der Lotterie des hauptstädtischen Literaturbetriebes auf Anhieb als Haupttreffer. Laut einem jüngsten Neuaufleger erzielte Die Welt ohne Hunger »rasch 11 Auflagen und wurde in 12 Sprachen übersetzt«. Zwei Jahre nach dem Einschlag soll der 27jährige Romancier einer schweren Lungenent-zündung erlegen sein. Das mag zur gesunden Auflage gerade noch beigetragen haben. Gleichwohl liegt das größte Rätsel in diesem Fall nicht in dem Roman, vielmehr in seiner verblüffenden Wirkungsgeschichte. Man bedenke, es war mitten im Krieg. Da hungerten die Leute wohl kaum nach Utopien, die bei strenger Prüfung wie ein Küchentisch mit vier unterschiedlich langen Beinen wackeln. Andererseits genoß Verleger Erich Reiß einen hohen Ruf – und das, die Reiß'sche Gunst, war vielleicht schon die halbe Miete für den schrägen, streckenweise ausufernden Suppenwürfelroman. Oder sollte Reiß, zum Beispiel, in Bratt einen günstigen Schwiegersohn gewittert haben, wenn Bell schon nicht Vivian Graham kriegt? Nach den bedauerlich dürren biografischen Notizen des Internets stammte Bratt aus Wiener Juristemhause, faßte um 1910 in Berliner linken Literatenkreisen Fuß, verdiente seine Brötchen als Schauspieler, Dramaturg und just Verlagslektor im Reiß-Verlag und verfaßte und veröffentlichte seit 1912 auch eigene Geschichten. Ihn selber scheint das Damoklesschwert der Kriegsteilnahme verschont zu haben – warum, wissen wir so wenig wie den Grund seiner Lungenentzündung beziehungsweise seines Sterbens daran. In diesem Fall ist eben vieles rätselhaft.

Vielleicht darf ich noch einmal kurz auf das Bedingungslose Grundeinkommen zurückkommen. Obwohl wir nicht wissen, was Bells Würfel eigentlich enthält und ob er auch irgendeinen Geschmack hat, scheint ihm doch eine gewisse Sinnlichkeit zu eignen. Man kann ihn anfassen, man kann ihn sogar essen! Versuchen Sie das zweite einmal mit Geldscheinen … Aber was schallt mir neuerdings aus dem Magazin Rubikon entgegen? Es ist ein Hohn: da bemüht sich unsereins seit Jahren auf reichlich verlorenem Posten, die Notwendigkeit der Abschaffung des Geldes möglichst gut zu begründen und in Ehren zu halten – und jetzt werden wir, nicht ganz zu unrecht, vom Reformisten vom Dienst** aufgefordert, die Abschaffung des Bargeldes zu verhindern! Ich soll das Bargeld retten! Der Mann denkt ersichtlich ausschließlich im Banne des »Kleineren Übels«; er trauert der Sinnlichkeit des Bargeldes nach, als hätte sich Marx nie über die Leere des Tauschwertes ausgelassen; er führt den würdelosen, peinlich defensiven Abwehrkampf, den alle Reformisten predigen. Sollten sie noch irgendetwas von der Aufklärung übriglassen, werden es am Ende die Impfpäpste mit ihren Robotern und ihren milliarden telefonierenden Meßdienern oder Chorknaben wegfegen. Man sollte Alfred Bratt beglückwünschen: diesen Ekel muß er nicht mehr erleben.

* antiquarisch: Erich Reiß Verlag, Berlin, 7. Auflage 1916, hergestellt vom Hofbuchdrucker Julius Sittenfeld, Berlin W 8, sogar fadengeheftet
** Hansjörg Stützle, »Das unhygienische Bargeld« am 22. Oktober 2020: https://www.rubikon.news/artikel/das-unhygienische-bargeld




Brawand, Samuel (1868?–1902). Ein vergleichsweise glimpflich ausgehendes Sommergewitter ruft mich (2022) auf, an den kühnen schweizer Bergbauern und Bergführer zu erinnern. Am 20. August 1902 wurde er auf dem Gipfel des Wetterhorns (rund 3.700 m) kalt erwischt, und zwar von einem Gewitter. Der wackere Mann fiel durch einen Blitz. Er war erst 34. Sein vierjähriger Sohn war erfreulicherweise noch nicht dabei. Dafür kamen, neben Brawand, dessen Berufskollege Fritz Bohren (31) und beider Schützlinge Robert (31) und Henry Fearon (29) aus Irland um.* Der schreckliche Vorfall trug allerdings nicht zur Erleuchtung von Brawand jun. bei, der ebenfalls Samuel getauft worden war. Junior wurde zunächst Bergführer wie Papa und heftete sich einige alpenländische »Erstbesteigungen« an den Filzhut. Dann stieg er, als Sozialdemokrat, zum National- und Regierungsrat auf. Er starb erst 2001 mit 103 in Grindelwald.

Angesichts vieler Alpen-Akrobaten, die keine Bergbauern sind, und freilich auch angesichts der bekannten, furchterregenden Berge an Corona-Toten darf ich mir vielleicht die Bemerkung erlauben: Liebe »Extremsportler-Innen«, Ihr seid nicht allein auf der Welt, wenn Ihr euch, als BergsteigerInnen, auch gern auf einem Gipfel so vorkommt! Jeder von euch nimmt mit den guten Aussichten auf ein frühes Ende leider auch die Lasten in Kauf, die er seinen sogenannten Lieben sowie dem Gesundheits- und Rettungswesen aller betroffenen Länder aufbürdet. 2019 fielen allein in Österreich beim Bergsteigen oder Bergwandern, Skifahren, Klettern, Mountainbiken, Jagen 304 Tote an, falls dem dortigen Kuratorium für Alpine Sicherheit zu trauen ist.** Ein paar willentliche SelbstmörderInnen sind eingeschlossen. Dazu fielen knapp 8.000 Verletzte an. Die dürften beispielsweise schon wieder für 200 Rollstühle gut sein. Jeder Bergunfall setzt eine kostspielige Rettungsmaschinerie in Gang. Wollte man diese Kosten schätzen, käme man bereits, weltweit betrachtet, auf etliche Milliarden Dollar jährlich. Nähme man das Rettungswesen aller übrigen Unfallsorten hinzu, würde einem von der Endsumme jede Wette schwindelig.

Leo Maduschka (1908–32) hätte mir wahrscheinlich nur zugeknurrt, dies alles ginge ihm flott am Arsch vorbei. Er hatte 1932 mit seiner Zeitschriftenserie Bergsteigen als romantische Lebensform aufhorchen lassen. Just im selben Jahr, Anfang September, rückte der 24jährige bayerische Bergsteiger, Nietzsche-Anhänger, Einsamkeits-Apostel und Schriftsteller der Civetta Nordwestwand der Dolomiten, Italien, auf den Leib – wo er aufgrund eines Wettersturzes, in einen Felsspalt verkeilt, über Nacht erfror.

Trotzdem fragen sich hartnäckige Feinde des »Bergsports« immer mal wieder: Warum machen die das? Da zu befürchten steht, Maduschkas damalige Apologie übersteige ihr Begriffsvermögen, will ich diesen Nörglern mit dem Politiker, Bankier und Alpinisten Ruedi Schatz (1925–79) aus St. Gallen antworten. Schatz erläuterte es am Beispiel seines mit 34 am Säntis (Ostschweiz) verunglückten Landsmanns Seth Abderhalden (1926–60): »Er lebte für die Berge.« Wahrscheinlich wachsen sie dadurch besser. Laut Wikipedia gilt Abderhalden als »Pionier des Extremkletterns«. Schatz selber schaffte 20 Jahre mehr. Dann »bezwang« ihn die Urnäsch. Das ist ein appenzeller Flüßchen, das just am Fuße des Säntis entspringt. Im »Wildwasser« dieses Flüßchens kam der 54jährige Alpinist beim Kanufahren um.

* Fritz Balmer, »Vier Leben auf einmal gefällt«, Jungfrau Zeitung (Thun), 19. August 2002: https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/21608/
** ALPIN 16. Januar 2020: https://www.alpin.de/home/news/38376/artikel_oesterreich_zahl_der_toedlichen_bergunfaelle_gestiegen.html




Bugatti, Jean (1909–39), Ikone der sportlichen Automobilisten. Einige LeserInnen sind vielleicht schon über das Schicksal der Tänzerin Lena Amsel unterrichtet, die sich 1929 bei Paris in einem Bugatti überschlug. »Monsieur Jean« Bugatti, seit 1936 Leiter der im Elsaß (bei Straßburg) gelegenen väterlichen Automobilfabrik, erwischte es 10 Jahre nach Amsel, als er unweit der Fabrik auf der Landstraße zwischen Duttlenheim und Entzheim im eigenen Testwagen einem angeblich »unvorsichtigen« Radfahrer ausweichen wollte. Sein Bugatti 57 C Tank hatte »weit über« 200 Sachen drauf!* In dieser Gemächlichkeit prallte der 30 Jahre alte Designer und Werksleiter (am 11. August 1939) gegen einen Baum. »Der explodierende Benzintank setzt den Baum und eine nahe Mühle in Brand, Monsieur Jean wird aus dem Rennwagen geschleudert und ist sofort tot.« Die baumlose Stelle sah sich später durch einen klobigen Stein getröstet, der das Gedenken an den vorbildlichen Verkehrsteilnehmer Jean Bugatti bis zum heutigen Tage wachhält. Die deutsche Wikipedia zeigt ein Foto davon. Sie weiß übrigens auch genau, der Radfahrer, dem Bugatti »ausweichen musste«, kam »plötzlich aus einem Feld« – so ein Schurke! Ich wette darauf, diese Ausschmückung ist frei zusammengelogen. Kommt sie jedoch gegen 200 Sachen an?

Die Fabrikation in Molsheim wurde 1963 eingestellt. Was blieb, war der legendäre Ruf, und siehe da, 1998, im Antrittsjahr des »rotgrünen« Kanzlers Gerhard Schröder, ging die Marke Bugatti auf das deutsche Volk beziehungsweise die Volkswagen AG über.

Ich greife weitere Autosportler heraus. Der 1921 geborene Brite Dennis Brain war allerdings im Hauptberuf Hornist. Für ihn hatten bereits prominente Komponisten wie Britten, Hindemith oder Malcolm Arnold Stücke geschrieben. Auch war er 1956 in der Londoner Royal Festival Hall am ersten Spezial-Auftritt des Spaßvogels und Tubaspielers Gerard Hoffnung beteiligt. In dessen dort präsentiertem Orchester soll Brain unter anderem eine Gummi-Schlauch-Pipe gespielt haben, die er sorgfältig stimmte, indem er sie mit einer Gartenschere beschnitt. Francis Poulenc schuf seine Elegie für Horn und Klavier in memoriam Dennis Brain naturgemäß erst Ende 1957, nachdem der humorvolle Hornist am 1. September des Jahres nach einem auswärtigen Konzert (Symphonie Pathétique von Tschaikowski) versucht hatte, die 600 Kilometer von Edinburgh nach London mit seinem Triumph TR2 in weniger als vier Stunden zurückzulegen, wie ich einmal vermute. Der 36jährige kam kurz vor London von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Hätte Poulenc die Elegie auch dann geschrieben, wenn Brain in einen Pfadfinder-Trupp gerast wäre?

Poulenc zählt seit Jahren zu meinen Lieblingskompo-nisten. Unter anderem besitze und schätze ich eine CD mit Chamber Music (Deutsche Grammophon 1989), auf der, zum Klavier, verschiedene Blasinstrumente zu hören sind, vom Fagott bis zur Flöte. Vier von den fünf gebotenen Werken finde ich geradezu umwerfend, je nach Periode: frech, einschmeichelnd, feurig und ähnliches mehr. Am wenigsten gefällt mir aber ausgerechnet das mittlere Stück: just die Elegie zu Brains Gedenken. Es kommt mir gar zu programmatisch und zerrissen vor, bei dem Anlaß vielleicht kein Wunder.

Makabererweise ist zu lesen, Brain sei nicht der erste durchs Automobil bewirkte bewegende Verlust für den Franzosen gewesen. 1936 war nämlich Poulencs Landsmann, Berufskollege und Freund Pierre Octave Ferroud bei einer Ungarnreise verunfallt – gerade so alt wie später Brain, 36. Damals soll das Unglück zu Poulencs Hinwendung zum Katholizismus beigetragen haben. Vielleicht hätte er sich besser nicht zum Katholizismus hingewandt, sondern vom Kapitalismus abgewandt. Möglicherweise hätte ihm das sogar den Herzinfarkt erspart, der ihn mit 64 jäh dem Pariser Trubel entriß.

Bekanntlich war der deutsche Faschismus schon deshalb erträglich, wenn nicht gar segensreich, weil er die vielen Erwerbslosen, die sich der Kapitalismus (oft in Millionenhöhe) dauerhaft leistet, für immerhin ein Dutzend Jahre von der Straße holte – beispielsweise durch den Bau von Autobahnen. Auf ihnen konnte sich dann der Krieg unter den Volksgenossen, gegen die Natur und gegen Belgier oder Polen austoben – auf daß auch diese Barbaren »der Weltgeltung der deutschen Motoren- und Automobilfabrikation« inne würden, von welcher Bernd Rosemeyer, so Adolf Hitler beim Quasi-Staatsbegräbnis des wieder einmal tragisch Verunglückten, »einer der allerbesten und mutigsten Pioniere« gewesen war.

Im Gegensatz zum Führer war er sogar blond. Der 1909 geborene Sohn eines emsländischen Kleinfabrikanten hatte sich schon früh für Technik und insbesondere Zweiräder begeistert. Ab 1930 Motorradrennfahrer auf NSU und DKW, sattelte er 1935 endgültig auf vier Räder um und wurde Werksfahrer bei Auto-Union in Chemnitz und Horch in Zwickau. Er fuhr neue, schwer zu beherrschende 16-Zylinder-Mittelmotorwagen, und zwar erfolgreich. Schon 1936 wurde er Europameister, wobei auch sein Teamgefährte Hans Stuck das Nachsehen hatte. Im selben Jahr heiratete Rosemeyer die bekannte Fliegerin Elly Beinhorn, wodurch die deutschen Blätter »flächendeckend« in strahlendes Hochzeitslächeln getaucht waren. Doch zwei Jahre darauf verließ ihn das Glück. Am 28. Januar 1938 wird der 28jährige auf der vorübergehend gesperrten Reichsautobahn Frankfurt–Darmstadt beim Versuch, sich den Geschwindigkeits-rekord zurückzuholen (um 430 km/h), von einer Windböe erfaßt. Sein Audi Union Typ R (12-Zylinder-Motor mit 560 PS) überschlägt sich; Rosemeyer wird in ein nahes Kiefernwäldchen geschleudert und haucht sein Leben aus. Wiederholte Warnungen vor den Wetterverhältnissen, selbst von der Auto-Union-Rennleitung und seinem anwesenden Konkurrenten Rudolf Caracciola von Mercedes, hatte der blonde SS-Hauptsturmführer sozusagen in den Wind geschlagen.**

Angeblich besaß Rosemeyer den genannten Titel lediglich »ehrenhalber«, hatte also nie an Übungen in Polizei-schulen oder an Besuchen von jüdischen Kaufmannsläden teilgenommen. Rosemeyer wirkte unpolitisch – allein durch sein sportliches Vorbild. Zeitzeuge Victor Klemperer widmet dem »einprägsamsten und häufigsten Bild« des nazistischen Volksheldentums, nämlich dem mit Sturzhelm, Brillenmaske und dicken Handschuhen vermummten Rennfahrer, im Eingangskapitel »Heroismus« seiner LTI (1947) eine ganze Seite, wobei er sowohl den »Todessturz« Rosemeyers wie das Erinnerungsbuch von dessen flugbesessenen Gattin Elly Beinhorn Mein Mann, der Rennfahrer hervorhebt. Dieses Werk, noch im Todesjahr 1938 auf den Markt geworfen, erlebt bis heute Neuauflagen. Klemperer schrieb, mit den »muskelbeladenen nackten oder in SA-Uniform steckenden Kriegergestalten der Plakate und Denk-münzen« jener Jahre teilten die motorisierten Helden oder Heldinnen den »starren Blick, in dem sich vorwärts-gerichtete harte Entschlossenheit und Eroberungswille« ausdrückten.

Was Wunder, wenn dieser Blick, angesichts von ungefälscht um 10 Millionen deutschen Arbeitslosen, nach wie vor hoch im Kurs steht. Ein blühender Volkswagen-Zweig präsentierte der Welt 2000 die Designstudie eines Supersportwagens, der selbstverständlich Audi Rosemeyer getauft wird. Rosemeyers Heimatstadt Lingen hat zwar noch nicht ihren Bahnhof, aber schon einmal ihre Bahnhofsstraße geopfert, die seit geraumer Zeit Bernd-Rosemeyer-Straße heißt. Außerdem kann sie den MSC Bernd Rosemeyer vorweisen, der sich im Mai 2012 anschickte, »erneut den Mythos Bernd Rosemeyer aufleben zu lassen«, wie die lokalen Medien jubelten. Der Club richtete zu diesem Zwecke wieder ein Bernd Rosemeyer ADAC Oldtimer Treffen aus. Unter den Tausenden, die auf dem Marktplatz die rund 100 vorgeführten Edelkarossen bestaunten, befand sich auch der eigens aus München angereiste 74jährige Orthopäde und Sportmediziner Prof. Dr. med. Bernd Rosemeyer jun., »selbst begeisterter Oldtimerfan«. Elly Beinhorn, Jahrgang 1907, hatte ihn im November 1937 geboren. Sie wurde erstaunlicherweise 100 Jahre alt. Obwohl er seinen Vater nie kennenlernte, ist der Professor gleichermaßen auf beide Elternteile stolz, wie er 2014 dem ZDF erzählt. Sie seien besondere, idealistische, vorbildliche Menschen gewesen.*** Er selbst hat zwei Söhne. Der eine davon, Manager bei Audi, heißt auch wieder Bernd.

* Hans-Jörg Götzl, »Jean Bugattis Vermächtnis«, Auto Motor Sport, 16. Februar 2014: https://www.auto-motor-und-sport.de/fahrberichte/bugatti-typ-64-im-fahrbericht-jean-bugattis-vermaechtnis-1356005.html
** Ralf Klee und Broder-Jürgen Trede, »Rekordjagd in den Tod«, Spiegel, 25. Januar 2008: https://www.spiegel.de/einestages/bernd-rosemeyer-a-949062.html
*** »Herzkino … / Interview mit Professor …«, zdf.de, 30. März 2014: https://presseportal.zdf.de/pm/herzkino-elly-beinhorn-alleinflug/




Chaoui, Touria (1936–56), arabische Pilotin. Vermutlich büßte die junge Marokkanerin aus Casablanca ihr Leben aufgrund ihrer damals sicherlich ungewöhnlichen Rolle in der Gesellschaft ein. Als Tochter eines arabischen, jedoch französisch sprechenden führenden Journalisten und Theatermannes in Fès geboren, hatte sie eine Flugschule besuchen dürfen, die eigentlich der französischen Elite des Landes vorbehalten war. Sie erhielt die Fluglizenz bereits mit 16 – womit sie die erste Pilotin in Marokko und im arabischen Kulturkreis überhaupt geworden war. Was Wunder, wenn sie rasch zu einer »Ikone« der marokkanischen Unabhängigkeitsbestrebungen wurde, die in Chaouis Todesjahr, 1956, ihren formalen Höhepunkt und Abschluß erreichen sollten. Sie verpaßte dieses historische Datum, den Tag der Unabhängigkeit, lediglich um wenige Stunden. Chaoui war zuletzt als Co-Pilotin bei einer kleinen Fluggesellschaft beschäftigt. Doch am 1. März 1956 ereilte sie der Tod, als sie gerade mit ihrem grünen Morris Minor vor ihrem Elternhaus in Casablanca vorfuhr. Unter den Augen ihres 11jährigen Bruders Salah Eddine, der sie begleitet hatte, sowie ihrer auf dem Balkon stehenden Mutter erhält die kleine, dunkelgelockte 19jährige noch durchs geöffnete Wagenfenster aus nächster Nähe zwei Schüsse in den Kopf. Der Täter, ein Marokkaner mit zurückgekämmtem Haar, flüchtet zunächst zu Fuß. Die Mutter bricht in Schreie aus.

Laut Josh Shoemakes gründlicher Spurensuche* hatte Chaoui, die unübersehbar westlich, aufgeklärt und selbstbewußt wirkte, gleichermaßen in islamischen wie in französischen Kreisen zunehmend Feinde. Es gab Attacken auf ihren Wagen und auf ihr Elternhaus. Auch durch die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten in wohltätigen Clubs, denen sie angehörte, machte sie sich unbeliebt. Das Land wurde von Unruhen geschüttelt. Als Sultan Mohamed Ben Yousef im November 1955 aus dem Exil zurückkehrte, ließ Pilotin Chaoui aus einer Cessna kiloweise papierne Willkommensgrüße auf seinen Palast regnen. Anderntags wurde sie von einigen Zeitungen als neue Freiheitsheldin gefeiert.

Ob ihr Hauptfeind der Marrokaner Ahmed Touil war, ist ungeklärt. Shoemake zufolge war der Mann ein befehls-gewaltiger und machthungriger Gangster, zeitweise in Diensten des französischen Geheimdienstes. Hartnäckige Gerüchte** nennen ihn als Mörder Chaouis, aber das habe er stets bestritten. Oft kann das freilich nicht gewesen sein. Laut Shoemake geriet Touil nämlich schon einige Monate nach dem Mord in derselben Stadt Casablanca in einen Hinterhalt der neugegründeten marokkanischen Polizei. Dabei sei sein Wagen geradezu durchsiebt worden. Er kam also offenbar um. Trifft das zu, konnte er jedenfalls nicht mehr vor Gericht plaudern. Nach jenen Gerüchten soll er eine Affäre mit Chaoui gehabt und sie, wegen eines französischen Piloten, aus Eifersucht getötet haben. Dies alles hält Bruder Salah, bei Shoemakes Besuch in Vichy, Frankreich, inzwischen schon 70, für gleichermaßen lächerlich wie ehrabschneidend: chauvinistischen Marokkanerhirnen entsprungen, die es gerne hätten, die emanzipierte junge Frau sei selber schuld gewesen.

Ferner werden der Gatte einer empörten Dame der Gesellschaft Casablancas – und die Franzosen als Täter gehandelt. Das letzte hält der Bruder, der Kunstmaler wurde, für das Wahrscheinlichste. Wie immer auch, dürfte der sozialpsychologische Hintergrund dieses brutalen Mordes auf der Hand liegen: der Haß auf weibliche Herausforderungen, die ja damals** in Wüstenstaaten noch echte Sakrilege waren.

* »The Amazing Aviatrix of Wartime Casablanca«, Narratively (New York City), 16. Februar 2015: https://narratively.com/the-amazing-aviatrix-of-wartime-casablanca/
** Latifa Babas, »Touria Chaoui, Morocco's first female pilot and daring teenager«, Yabildai (Casablanca), 8. März 2018: https://en.yabiladi.com/articles/details/62569/touria-chaoui-morocco-s-first-female.html




Chargaff, Erwin. Der Biochemiker und Essayist, 1905 im österreichischen Kaiserreich geboren, lehrte und lebte in New York City. Für seine düstere Weltsicht erreichte er ein erstaunlich hohes Alter. Er starb 2002 mit 96 Jahren. Zuletzt litt er an Parkinson, ohne viel von seiner Scharfzüngigkeit einzubüßen. In Interviews war der erbitterte Gegner der sogenannten Gentechnik immer mal wieder mit dem bekannten Argument konfrontiert worden, sie trage doch auch zur Befreiung der Menschheit von allerlei vererbbaren Gebrechen bei. Chargaff kontert, Gesundheit sei so wenig ein Rechtsanspruch wie beispielsweise Reichtum – beide seien lediglich angenehm. Der Konter ist geistreich, aber für mein Empfinden zu schwach. Hinter ihm steckt ein berühmter Biochemiker, der gern ein wenig frömmelt – die Schule Einsteins vielleicht. Chargaff will das Leben unangetastet wissen; er will »Ehrfurcht« vor der »Schöpfung«. Dadurch werden die haarsträubenden Mißgriffe der Schöpfung allerdings nicht schöner. Wichtiger erscheint mir, wenn Chargaff nicht müde wird, auf unser Unwissen hinzuweisen. Insofern lautet das entscheidende Argument: setzen wir vor den Genen keine Grenze, werden alle Dämme brechen, ohne daß wir im geringsten einschätzen könnten, welche Sturmfluten auf uns zukämen.

Chargaff erforschte seit den 40er Jahren schwerpunkt-mäßig die Nukleinsäuren der DNA. Er entdeckte ihre Basenpaarung. Um 1950 spitzte sich ein »Wettrennen« um die Enthüllung der genauen Gestalt unserer Gene zu, das vor allem zwischen Linus C. Pauling (USA) und den in Großbritannien stationierten Nachwuchsforschern James D. Watson / Francis Crick ausgetragen wurde. Es mußte eine Gestalt sein, die die vollständige Übertragung des äußerst verwickelten Erbgutes bei Zellteilung gewährleistete. 1953 war es so weit: das Duo »machte das Rennen« durch Präsentierung seines Modells der Doppelhelix, das heute vermutlich jedes Schulkind kennt. Dafür wurden die beiden jungen Leute (und Maurice Wilkins) 1962 mit dem Nobelpreis für Medizin bedacht. Kurz vor ihrem »Sieg« hatte Erwin Chargaff in Cambridge, GB, zu tun; die beiden nutzten das, um ihn nach seinen DNA-Erkenntnissen zu befragen. Wie es aussieht, entblößten sie dabei einige Lücken in ihren Grundkennt-nissen. Watson berichtet in einem anderen »Renner«, nämlich seinem 1968 veröffentlichten Buch Die Doppelhelix, von dem prominenten Besucher aus den USA sei ihnen, neben dem erwarteten Sarkasmus, vor allem Verachtung entgegengeschlagen. Als Watson ihm wenig später noch einmal in Paris über den Weg lief, habe ihn Chargaff nur eines sardonischen Lächelns gewürdigt. Immerhin, Chargaff hatte dem Duo – wie er im Feuer des Heraklit schreibt – »alles gesagt, was ich wußte«. Sie jedoch hatten in ihren ersten Doppelhelix-Verlautba-rungen weder Chargaffs noch Oswald Averys wichtige Vorarbeiten erwähnt. Für Chargaff lag die Verachtung in jenem Cambridger Gespräch woanders: »Es war mir klar, daß ich [mit Watson/Crick] einer völligen Neuheit gegen-überstand: enormer Ehrgeiz und Angriffslust, vereint mit einer fast vollständigen Unwissenheit und Verachtung der Chemie, dieser realsten aller exakten Wissenschaften …«

Als ich Watsons oft gelobtes »Meisterwerk« Die Doppelhelix vor einigen Jahren las, war ich recht unvoreingenommen, weil mir gewisse rassistische Entgleisungen des alten »Meisters« noch nicht zu Ohren gekommen waren. Sie werden in Wikipedia erwähnt. Für mich war Watsons Schilderung seines Weges zum Nobelpreis – von Wilma Fritsch für Rowohlt übersetzt – eine beklagenswerte Dürre ohne jede Sinnlichkeit. Es sei denn, man hält es für sinnlich, daß offenbar alle bahnbrechenden wissenschaftlichen Diskurse beim Essen & Trinken stattfinden. Aber mit »Mangel an Sinnlichkeit« ist das Desiderat vielleicht noch zu harmlos benannt. Man spürt bei Watson wenig Leidenschaft, geschweige denn Ergriffenheit, für und von großen Aufgaben, Dingen, Menschen. Er kam mir eher als unreifer Karrierist vor. Wahrscheinlich hätte er sich genauso gut ins Hirn setzen können, an Stelle von Kissinger Berater Gouverneur Rockefellers zu werden oder einen zukünftigen Star wie Bob Dylan zu entdecken. Prahlhans ist er auch – seine »coole« Ausdrucksweise kann das mitnichten verbrämen. Watson kokettiert gern (zum Beispiel mit der Dekadenz) und beleidigt seine LeserInnen auf jeder zweiten Seite mit einem banalen Witz. Was seine alten Tage angeht, kann ich mir gut vorstellen, auf dem Beistelltischchen seines Lieblingssessels stapeln sich Bücher von Stephen King oder Matt Ruff. Und sein zweites, 2002 veröffentlichtes autobiografisches Werk braucht unsereins weißgott nicht mehr zu lesen – der Titel (der deutschen Ausgabe) genügt: Gene, Girls und Gamow. Erinnerungen eines Genies.

Ich komme auf die Medizin zurück, der ja angeblich auch Watson/Crick gedient hatten. 1997 brachte die Berliner Zeitung ein Gespräch Mathias Greffraths mit Chargaff. Darin* behauptet der greise Skeptiker, Ziel aller Leute, die an den Genen herumpfuschten, sei »die Abschaffung des Todes« – und das sei »die sicherste Methode, die Spezies auszurotten«. Leitend sei die »sture Angst« des Menschen. Gegen sie wende sich überhaupt die »Sucht nach Innovation«, die im voll entfalteten Kapitalismus zu beobachten sei; »die Notwendigkeit, ständig Neues zu finden.« Das leuchtet wohl ein, steht doch vorm Tod das Altern. Dieses erscheint in erheblich milderem Licht, wenn ich mir jedes Jahr das blinkende neuste VW-Golf-Modell kaufe. Warum jedoch nennt Chargaff die sogenannte Entschlüsselungsarbeit Pfuscherei? Habe ich richtig verstanden, dann deshalb, weil sie gar nicht zum Schlüssel führt. Sie führt bestenfalls zu einem letzten Loch. Oder zu einem letzten »Text«, wie so oft gesagt wird. Der Witz besteht natürlich darin, daß wir uns mit diesem »Text« den Hintern abwischen können, weil er sowieso nicht entzifferbar ist. Was soll er? Was will er? Wo kommt er her? Nichts davon wird uns die angebliche »Erbinformation« verraten. Damit ist all unser Eingreifen lediglich Interpretation, um nicht zu sagen Spekulation – und entsprechend gefährlich.

Man darf hier wohl weitergehend behaupten, unsere gesamte Kernforschung sei nicht nur gefährlich, sondern auch reichlich grotesk. Als Durchmesser der Doppelhelix werden ungefähr 20 Angström angenommen. Ein Angström ist der zehnmillionste Teil eines Millimeters. Können Sie sich also den Platz vorstellen, auf dem eine »Doppelhelix« in ihrer Nukleinsäure dümpelt oder auf ihrer Abschußbase schwankt? Oder anders angesetzt. Nach landläufiger Vorstellung sind die kleinsten Bausteine des Universums die Atome. Doch in die Hand nehmen können Sie sie leider nicht. Sie können auf einer Länge von einem Zentimeter 100 Millionen Atome aneinander reihen, wie uns der Brockhaus versichert. Also angetreten und vorgestellt? Und jetzt die Bitte an einen Atomkern, noch einmal eigens herauszutreten? Diese absolute Unvorstellbarkeit namens Atomkern, die sich übrigens im Verein mit unzähligen Genossen auch in festen Stoffen wie etwa einer Tischplatte aus Buchenholz oder eines Planeten namens Erde in ständiger Bewegung befindet, wird laut Brockhaus von »enormen Kräften« zusammengehalten. Aha! Von Muskeln? Magnetismus? Elektrizität? Information? Einbildungskraft? Oder gleich von einem Zirkelschluß? Aber die ehrgeizigen Nachkommen von Hahn, Oppenheimer, Heisenberg, Watson ficht unser Nichtwissen nicht an. Für sie stellen Klein- und Größenwahn ebenfalls eine begrüßenswerte Doppelhelix dar. Sie stecken Unsummen in gigantische »Teilchenbeschleuniger«, mit deren Hilfe sie ihren winzigen Schimären so lange hinterher jagen, bis der Teilchenbeschleuniger (und die Stadt Genf) platzt.

Das Explosive soll mir willkommenes Stichwort sein, die Tirade abzubrechen, um mit Chargaff einen Schlußpunkt zu setzen. Sowohl aus seinem Feuer des Heraklit wie aus einer Erinnerungsbroschüre von Chargaffs Landsmann Walter Kappacher** geht hervor, der verdiente Biochemiker von der Columbia Universität fühlte sich von Watson/Crick betrogen. Ob auch um den Nobelpreis, bleibt dabei unklar. Ich sage: Gott sei Dank! Bedenken Sie einmal, mit wievielen Megatonnen Dynamit und Leichenbergen das Preisgeld zusammengehäuft wurde und an wieviele Schurken es bereits vergeben worden ist. Hätte Chargaff den Nobelpreis angenommen – was ich fast befürchte – wäre er in meiner Achtung ohne Zweifel stark gesunken. Insofern hat er Glück gehabt.

* »Nichts verschwindet in der Welt«, 5./6. Juli 1997
** Hellseher sind oft Schwarzseher, Warmbronn 2007




Coleen († 2010), Kind aus Nordthüringen, im Alter von drei Jahren von vier Bullterriern getötet. Coleens Berufswünsche sind nicht bekannt. Vielleicht wäre sie Gärtnerin, Hartz-IV-Empfängerin oder Diät(en)planerin eines »linken« Erfurter Landtagsabgeordneten geworden. Sie stammte aus dem nordthüringischen Oldisleben, einem Nachbardorf von Sachsenburg, wo sie an einem Freitagnachmittag Ende Mai 2010 ihre 44jährige Tante besuchte, die ihr Haus unter anderem mit vier American Staffordshire Terriern teilte. Zum Tatzeitpunkt hielt sich das Kind im Haus, die Tante im Garten auf. Aus ungeklärten Gründen jäh von den Kampfhunden angefallen, flüchtet sich Coleen in die Arme ihrer ebenfalls im Haus anwesenden Urgroßmutter, die das kleine Mädchen zu schützen sucht, aber zu Fall kommt. Die 72jährige Frau wird von den Hunden schwer verletzt, das Mädchen buchstäblich zerfleischt. Es stirbt an Ort und Stelle, noch ehe der alarmierte Rettungswagen eintrifft.

Die Hunde, die keinen Zwinger besaßen, wurden noch am selben Tag von einem Amtsarzt eingeschläfert. Wie sich herausstellte, waren sie nicht angemeldet gewesen. Einige entsetzte DorfbewohnerInnen bekannten, sie hätten schon seit langem vor den kurzhaarigen bulligen Tieren Angst gehabt. Eine Gutachterin bezeichnete die vier Kampfhunde als »tickende Zeitbomben«. Trotzdem kam die illegale Hundehalterin ein Jahr darauf vorm Amtsgericht Nordhausen wegen »fahrlässiger Tötung« mit einem Jahr Haft auf Bewährung und 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit davon. Ihr Verteidiger hatte sogar auf Freispruch plädiert.*

Nach Pressemeldungen registrierten die Ordnungsämter Thüringens für das folgende Jahr 2011 genau 482 »Beißangriffe« von Hunden unterschiedlichster Rassen. Dabei seien in 281 Fällen Menschen verletzt worden, 73 von ihnen schwer. Daneben wurde ein 62jähriger Hofbewohner, im November desselben Jahres, in Wülfingerode, Kreis Nordhausen, von seinem eigenen Dobermann getötet. Er hatte ihn am späten Abend noch einmal aus dem Zwinger auf den Hof gelassen, wohl aus Gefälligkeit, zwecks Auslauf. Da fiel ihn der kurzhaarige schwarzbraune Wächter an. Das hatte schließlich den gleichen therapeutischen Effekt, für den Hund.

Bundesweit soll es jährlich zu ungefähr 30–40.000 Bißverletzungen durch Hunde kommen. Todesopfer: im Schnitt drei. Die meisten Opfer sind Kinder, betont ein Zeitungsredakteur.** Grundsätzlich stellt der Mann die Hundehaltung mit keinem Komma in Frage. Das ist krassen Unrelevanten wie mir vorbehalten, die sich deshalb (und aus 100 anderen Gründen) vermutlich den Haß breiter Volksschichten zuzögen, sofern sie kein Schattendasein führten. Übrigens wächst das Hundevorkommen in Deutschland. Derzeit hätten wir schon fast 9 Millionen Hunde, versichert der Redakteur. Ich nehme an, hier waltet dasselbe Gesetz, das die Verarmten und Entrechteten bislang in Krisenzeiten vermehrt an die Kinokassen trieb. Und da sie jetzt nicht mehr ins Kino dürfen und auch keine Partys mit Zweibeinern mehr gestattet sind, wegen der Ansteckungsgefahr, sind sie eben in der Lage, verstärkt Hundefutter einzukaufen. Das können sie wahlweise mit Maulkorb=Atemschutzmaske oder Online tun. So oder so, laufen sie an der Leine.

* »Gericht verurteilt Halterin zu Bewährungsstrafe«, Spiegel, 31. März 2011: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/toedliche-hundeattacke-gericht-verurteilt-halterin-zu-bewaehrungsstrafe-a-754280.html
** Markus Brauer, »Beißattacken durch Hunde …«, Stuttgarter Nachrichten, 12. April 2018: https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.beissattacken-durch-hunde-sieben-fakten-ueber-gefaehrliche-hunde.07f89516-3c90-4e20-97b0-2c060c43141d.html
→ A-6 »Über die Kunst des Winselns um Gnade«




Coster, Salomon († 1659), niederländischer (Pendel-)Uhrmacher. Die erste Idee zu einer Pendeluhr stammt wahrscheinlich vom Italiener Galileo Galilei, der um 1640, kurz vor seinem Tod, entsprechende Skizzen anfertigte. Ein holländischer Kollege aus Den Haag, Christiaan Huygens mit Namen, schritt rund 15 Jahre später zur Tat. Auch er war Astronom, Mathematiker und Physiker in einem.

Huygens ging, möglicherweise zu Fuß, zum Uhrmacher Salomon Coster, der 1643 geheiratet und aus diesem Anlaß seine Werkstatt von Haarlem nach Den Haag verlegt hatte. Dieser Landsmann hatte schon um 1640 mit hochwertigen Reise- und Kutschenuhren auf sich aufmerksam gemacht. Nun baute er im Auftrag des Entdeckers des Mathema-tischen Pendels eine Pendeluhr mit einer Gangdauer von etwa acht Tagen, die von einer Feder angetrieben wurde – das Pendel sorgte ja »nur« für das exakte Vorrücken »der Zeit«. Für die Festigung jener Epoche, die man später aus taktischen Gründen Neuzeit statt Normzeit nannte, kam es freilich genau auf diese Steigerung der Exaktheit an. Gingen die Uhren bis dahin an einem Tage rund 15 Minuten nach, belief sich die Verspätung bei der neuen Pendeluhr auf 20 Sekunden. Schon am 16. Juni 1657 erhielt Coster von den zuständigen, vermutlich fürstlichen Behörden für 21 Jahre das Privileg, solche Uhren als einziger Mensch auf der Welt beziehungsweise im Machtbereich des spanischen Kaisers herzustellen und zu verkaufen. Allerdings hatten die Behörden es versäumt, ihm auch ein langes Leben zu garantieren. Es wurden deshalb lediglich rund 30 Pendeluhren, von denen sieben bis heute in Museen oder privaten Sammlungen überdauerten. Coster segnete im Dezember 1659 mit 37 jäh das Zeitliche – aus Gründen, die anscheinend nicht überliefert sind.

Somit konnte der begabte Uhrmacher seinen geschützten Eigenbau kaum noch eigenhändig »vermarkten«, wie man heute dazu sagt. Und das ist selbstverständlich der springende Punkt an diesen Uhren, nicht deren Pendel. Die sogenannte Freie Marktwirtschaft ist sicherlich auch ohne Pendel denkbar, nicht dagegen ohne Patente. Zwar hatten bereits die mittelalterlichen Zünfte Erfindungen aus ihren Reihen gegen Zunftfremde geschützt, aber ein nennenswerter allgemeingültiger und behördlich garantierter Erfindungsschutz kam erst um 1500 auf. Richtungsweisende Patentgesetze wurden 1624 (als Statute of Monopolies) von England, 1791 von Frankreich erlassen. Ja, die Französische Revolution mit ihrem Verarschungsorgan »Wohlfahrtsausschuß« an der Spitze brachte die Freiheit. Bismarck, maßgeblich von Werner von Siemens gepiekt, folgte 1877 mit dem ersten deutschen Patentgesetz, das in seinen Grundzügen noch heute gilt. Wahrscheinlich hatte auch Huygens für seine Pendel-uhren-Pläne schon ein für den Bereich der Niederlande gültiges Patent erwirkt, das er sich dann mit Coster teilte.

Man halte sich einmal die materiellen, finanziellen, nervlichen, ökologischen – also kurzum die gewaltigen volkswirtschaftlichen Aufwendungen=Verluste vor Augen, die allein mit der Vorbereitung und Verabschiedung von nur einem Gesetz verbunden sind. Neben den Schmier-geldern, die im Hause Siemens bis heute wichtiges Treibmittel der Profitrate sind, sollte man dabei auch die Vergiftung des innenpolitischen Klimas durch einen »Meinungsstreit« berücksichtigen, der vor keiner Intrige, keiner Verleumdung und keiner Ermordung fraktions-zwangssprengender Abgeordneter Halt macht. Nun kommen noch die ganzen Patentämter, Verordnungen, Fachbücher, Konferenzen, Rechtsanwälte sowie die Polizeibeamten hinzu, die die Patentämter, Verordnungen, Fachbücher, Konferenzen und Rechtsanwälte schützen sollen. Dies alles bleibt Gesellschaften erspart, die verteilen statt verkaufen. Was hätte ich von einem Patent auf eine Pendeluhr oder auf sogenannte Zwerglieder, die Allgemeingut wären? Die jeder sowohl benutzen wie herstellen kann? Es könnte mir lediglich meinen Erfinderstolz bescheinigen. Aber das wäre mir eher peinlich. Schließlich ist jedem gesunden Menschen-verstand klar, daß alles einen Anfang und seine Zeit braucht – es muß »in der Luft liegen«. Auf ein Objekt dieses allgemeingültigsten Gesetzes stolz zu sein, wäre demnach idiotisch. Andernorts erwähnte ich einmal jenen Scheich, der die Einladung zu einem Pferderennen ausschlug. »Ich weiß schon, daß ein Pferd schneller als das andere läuft. Welches, ist mir egal.«



David & Goliath (um 1000 v. Chr.). Angeblich fällte der Hirtenknabe David den riesenhaften Krieger Goliath nur mit einer Zwille. Deshalb benennen sich gerne Organisationen und Projekte, die sich erklärtermaßen ihrer schwachen Mitmenschen annehmen, um sie über das Böse obsiegen zu lassen, nach diesem eingängigen Muster. 2002 griff auch der Titelgestalter des Spiegel zu. Demnach stand der schmächtige Kanzler Gerhard Schröder dem furchterregenden Goliath George W. Bush gegenüber – wahrlich ein Witz. Goliath George wollte Hirtenknabe Gerdchen gewaltsam in böse Kriege ziehen! Dabei hatte sich Schröder längst dafür ausgesprochen, das Tabu, das seit 1945 auf allem Militärischen lag, endlich aufzuheben. Die Serben merkten seine Reformfreude 1999. Daß er mit Schröder den Bock zum Gärtner gemacht hatte, verriet der Spiegel-Titelzeichner nur des abends seiner gähnenden Gemahlin.

Die weltweit beliebte Metapher von David & Goliath bedient auf einen Schlag mehrere Vorlieben des durchschnittlichen Kleinen Mannes. Zunächst bestärkt sie ihn in seiner Feindseligkeit. Kampf muß sein. Krieg war schon immer. Zum Beispiel zog ein gewisser David zunächst als Bandenführer, dann als offiziell gesalbter israelitischer König seine Blutspuren durch die Wüsten des Gelobten Landes, das ihm stets zu eng war. Imperialist und Sadist David unterwarf ein Volk nach dem anderen und sparte nicht mit Praktiken, die makabererweise an gewisse Konzentrationslager erinnern. So legte er etwa, laut Lutherbibel, die BewohnerInnen der ammonitischen Stadt Rabba »unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen.« Offenbar fiel die spanische Inquisition nicht vom Himmel. Nach der Unterwerfung der Moabiter »brachte er zwei Teile« von ihnen »zum Tod«, während er den dritten Teil ungeschoren ließ (2. Samuel 8, 2) – eine barmherzige Quote, gilt doch in Bushs Feldzügen hier und dort schon die Losung, gar keine Gefangenen zu machen.

Weiter bedient die Metapher den Durst nach Heldentum, den der DDR-Arbeiter so gut wie der schwäbische Hippie hat – Easy Rider. In der Tat bindet auch Marxistin →Welskopf-Henrich ihrem mit Epilepsie geschlagenen Indianerknaben Byron Bighorn das biblische Märchen vom über sich hinauswachsenden David als Ansporn auf (Licht über weißen Felsen). Hinzu gesellt sich der Hang zur Revolutionsromantik, die im Hirtenknaben David geradezu sentimentale Gestalt annimmt. Das unschuldige Leben steht gegen die Rohheit auf.

Aber vor allem offenbart die Metapher unseren Hunger nach Wundern. Das Lamm soll den Wolf zu Brei hauen. Vom Himmel soll es Manna regnen. Che soll fünf bis 10 Vietnams schaffen. Der unbekannte Autor soll heute Papieraufpicker in unseren Grünanlagen, morgen mit einer Zusammenstellung seiner Ausbeute die Nummer Eins der Bestsellerlisten sein.



Degenhardt, Franz Josef (1931–2011). Sollte sich die Kindheit des bekannten Liedermachers ähnlich gestaltet haben wie die von Fänä Spormann, Viehmann Ronsdorf, Tünnemann Niehus, Zünder Krach und Sugga Trietsch, war sie gleichermaßen hart wie ergötzlich. Diese Arbeiterkinder um 13 sind die Helden von Degenhardts erstem Roman Zündschnüre von 1973, der unverkennbar in Degenhardts Geburtsort Schwelm (im südlichen Ruhrgebiet) angesiedelt ist.

Während der Kriegsjahre 1943/45 gab es in der Schwelmer »Unterstadt« offenbar eine größere Behälter- und Faßfabrik, der auch ein Lager für ZwangsarbeiterInnen angeschlossen war. »Meurischs Mauer« liegt genau dem Haupttor dieser Fabrik gegenüber, jedenfalls in Degen-hardts Buch. Auf dieser hockend, hecken die genannten Helden ihre den Widerstand gegen das faschistische Regime befördernden Streiche aus. Zumeist handeln sie mit Billigung oder wenigstens zähneknirschender Duldung seitens der ihnen bestens vertrauten kommunistischen oder sozialdemokratischen erwachsenen Aktivisten. Wenn sie heimlich Wehrmachtsbestände plündern, Güterwagen in die Luft fliegen lassen, verfolgte Pater oder Pianistinnen aus der Stadt schmuggeln, Botschaften überbringen, Spionage treiben, treten sie nur in die Fußstapfen ihrer Väter, die entweder an der Front stehen oder im KZ sitzen. Die Schule bleibt ihnen erspart: zerbombt. Sie kennen sich im Zerlegen von Pistolen aus und sprechen auch schon routiniert dem »Schabau« zu, einem selbstgebrannten Schnaps des einheimischen Proletariats, der das rare Bier ersetzen muß. Gegen die ständig knurrenden Mägen wird unter Umständen das Fleisch eines von anderen gestohlenen Milchwagenpferdes organisiert.

In der Regel wissen die Jungen und das eine Mädchen (Sugga) um den unbestrittenen Anführer Fänä das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. So wird dem abtrünnigen Lehrersohn Berti Bischoff die Schinderkarriere bei der Hitlerjugend durch einen Denkzettel vergällt, der sich dessen Leidenschaft für Fußballspielen sowie die Knappheit an echten Lederbällen zunutze macht. Angelockt vom Köder, eilt Berti aus dem Haus, läuft schon von weitem an – und tritt auf dem Rasenstück gegen eine mit Gelb und Schwarz (für die Nähte) erstklassig angemalte Eisenkugel. Als er mit dem Schrei eines »angestochenen Jungbullen« zusammen-bricht, kommentiert Viehmann Ronsdorf: »Na na, ein Hitlerjunge weint doch nicht.« Bertis Fuß kam in Gips, womit sich das Marschieren erst einmal erledigt hatte.

Der Roman endet mit dem Einzug der Amerikaner und der Rückkehr Heini Spormanns, Fänäs Vater, dem die Rote Armee lieber gewesen wäre. Degenhardt schreibt unverhohlen parteilich. Obwohl er (damals) der DKP nahesteht, bescheinigt ihm der Spiegel im Erscheinungs-jahr, er habe »ohne nostalgische Verklärung« auf die Existenz eines Antinazi-Widerstands der »kleinen Leute« hingewiesen: »ein in der Literatur der Bundesrepublik immerhin seltener Fall.« Genauer gesagt, verehren die Eltern des »pubertierenden Partisanennachwuchses« Thälmann und Stalin. Die sowjetische Bündnispolitik wird bestenfalls milde kritisiert, die KPD in keiner Hinsicht angezweifelt. Der junge Pater Clemens erringt das Vertrauen und die Achtung der Bande, weil er sich »wie ein ordentlicher Arbeiter« benimmt. Werden Gezänk und Gemeinheit berührt, sind sie den »kleinbürgerlichen Elementen« des Arbeiterviertels zugeordnet – es sei denn, es handelt sich um »Verräter«. Dieser Zug des Romans ist eher der Idylle als dem Realismus verpflichtet.

Auch deshalb ist der beträchtliche Erfolg des Erstlings erstaunlich. Zwischen 1973 und 1996 sind die Zündschnüre in mehreren Verlagen, dabei zum Teil in zahlreichen Auflagen, zudem in drei Übersetzungen (finnisch, tschechisch, dänisch) erschienen. Allein Rowohlt druckte das Buch bislang (2010) in knapp 100.000 Exemplaren. 1974 wurde es durch Reinhard Hauff verfilmt. 1976 erschien der Text als Fortsetzungsroman in der sowjetischen Zeitschrift Ausländische Literatur. Laut Spiegel war diese russische Übersetzung reichlich zensiert. Das Erstaunen steigert sich, wenn man über die literarische Qualität des Erstlings nachdenkt. Degenhardt erzählt ihn in 25 in sich abgeschlossenen Episoden, dabei vorwiegend von der Warte Fänä Spormanns aus. Für den Spiegel macht er dies »unstilisiert, locker und immer jargonsicher«. Wird der Jargon freilich abgezogen, bleibt eine eher arme und wenig bildhafte Sprache. Das dürfte auch Heinz Ludwig Arnold so empfunden haben, obwohl er das Buch (in der Zeit) zunächst in unmittelbare Nachbarschaft von Mark Twains Geschichten um Huckleberry Finn und Tom Sayers rückt.

Später bemerkt Arnold, Degenhardt sei »kein raffinierter Ästhetiker« und lege »keinen Wert auf unterschiedliche Sprachbehandlung« seiner Figuren. So klingt die höfliche Umschreibung eines Unvermögens. In der Tat sind Degenhardts Figuren – ob Kinder oder Erwachsene – überwiegend austauschbar. Sie haben kein Innenleben und kaum Konturen. Das betrifft auch die Art ihres Auftretens und sogar ihre Erscheinung. Eine geballte Ausnahme findet sich gegen Ende des Buches, wenn Niehus/Fuchs' Hochzeitsfeier geschildert wird – und es für des Autors Reue etwas spät ist. Hier läßt er Fänä sämtliche anwesenden Leute »begucken« und der Reihe nach (»wie ein ordentlicher Arbeiter«) über eine ganze Seite hinweg beschreiben. Selbst mit Schilderungen der Schauplätze, etwa Wohnungen, Gassen, Grotten im nahen Berg, ist Degenhardt nicht sehr freigiebig. Das geht auf Kosten der Anschaulichkeit und der Atmosphäre. Wenn Arnold Degenhardts »Charakterisierung des Milieus« dennoch für gelungen hält, dürfte es damit zusammenhängen, daß Arnold es aus eigener Anschauung kennt, wie er in seinem Artikel erwähnt. In solchen Fällen hat man es trotz der Lücken oder Unschärfen im Text vor Augen.

Sagte ich man? Hinsichtlich der Rolle der Frau verfährt Degenhardt widersprüchlich. Einerseits stellt er zurecht die Tapferkeit und die Verdienste der proletarischen Mütter heraus, die ja überwiegend des männlichen Beistandes beraubt waren. Mit Oma Berta Niehus, der zur verspäteten Hochzeit eine frische Schweinehälfte besorgt wird, schafft er fast eine im Rollstuhl thronende Johanna der Schlachthöfe. Andererseits teilt er seiner Bande lediglich eine Mitstreiterin zu, Sugga Trietsch also. Mehr als das fünfte Rad am Wagen darf freilich auch sie nicht spielen. Sugga hat sich stets mit untergeordneten Aufgaben zu begnügen. Wichtig wird sie eigentlich nur – der klassische Fall – weil sie die Braut des Bandenführers ist. Dabei wirkt die Liebesbeziehung zwischen Sugga und Fänä ausgesprochen abgeklärt. Gefühle scheinen auch dann nicht im Spiel zu sein, wenn die beiden knutschen oder vögeln.

Die Grundhaltung dieser Kriegskinder ist überhaupt ein stoischer Pragmatismus, der ihnen möglicherweise aus »Meurischs Mauer« in die Unterwäsche gekrochen ist. Hadern, träumen, schmachten sieht man Degenhardts Kinder nie. Sie sind auch nie verstört, wütend oder albern. Jedenfalls die Kinder aus seinem Buch nicht.



Deilmann, Günther (1904–2002), Dorf- und Betriebsarzt, zuletzt in Merkers, Thüringen, tätig. Ehrlich gesagt, habe ich schon reizvollere Ortschaften als Merkers gesehen. Die lachende Sonne, die beiden Kolkraben, die in meinem Rücken mit hartnäckigem Gebell über dem Wald kreisen, und das leuchtend gelbe Rapsfeld am Fuße des nicht minder bewaldeten Kraynbergs, der sich jenseits der Werra erhebt, hätte ich an diesem Wochentag Ende April auch anderswo gefunden. Parallel zur Werra »strömt« der Verkehr auf der Bundesstraße 62 durchs Dorf – furchtbar. Um wenigstens die Toten etwas vom Lärm und Gestank der B 62 abzuschirmen, der sie hin und wieder auch zum Opfer gefallen sein dürften, hat man den Friedhof von Merkers oberhalb des Dorfes am Berg angelegt. Dadurch wird nicht mehr ganz so jungen Besuchern, die ihr Fahrrad da hinaufschieben, zudem Gelegenheit geboten, auch schon halbtot auf die nächste Friedhofsbank zu sinken. Von hier aus habe ich die drei wichtigsten Türme des Dorfes im Blick, zwei riesige stählerne Fördertürme des ehemaligen Kalibergwerkes und den eher gedrungenen Turm der evangelischen Kirche.

Dieses Bauwerk, die Kirche, ist im ganzen eine seltene Häßlichkeit, die ich nicht völlig unbesprochen lassen kann. Ich nehme an, jeder unvorbereitete Ortsfremde muß den Klotz aus angeschwärztem okerfarbenem Sandstein, der mit einigen kaum erkennbaren schmalen, spitzbögigen Fenstern versehen wurde, für das Gefängnis der »Krayenberggemeinde« halten, zu der Merkers neuerdings zählt. Wird behauptet, man habe die Kirche 1929 nur mit beträchtlicher Hilfe des Kalibergwerkes errichten können, glaube ich es aufs Wort: sechs Tage im Berg, sonntags im Klotz. Nicht ganz so schlimm, dafür viel größer, ist die Werra-Rhön-Halle, ein Erbe der DDR. Das wuchtige »Kulturhaus« liegt unten im Dorf im Winkel zwischen Bundesstraße und Zechenzufahrt. Neben zahlreichen Gewerkschaftsversammlungen oder Tanzveranstaltungen soll sein Parkett auch schon die Maßschuhe des Festredners Erich Honecker gesehen haben. Heute scheint das Kulturhaus vor allem Fans der Rockmusik oder des Disco-Fox zu dienen, auf den ich noch zurückkommen werde.

Der »Aufschwung« für Merkers kam 1925, als das Kalisalzbergwerk eröffnet wurde, das sich rasch zur größten und modernsten Anlage weltweit mauserte. Sie weist bei drei Schächten ein Streckennetz von rund 4.500 Kilometern auf. In der größten Tiefe von rund 850 Metern herrschen etwa 28 Grad plus. Die Anlage gehört heute zum in Kassel ansässigen Multi K+S, der es inzwischen als »Erlebnisbergwerk« betreibt, denn die Förderung wurde bereits 1993 eingestellt, also kurz nach der »Wende«. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Im übrigen dürften die Fluten an Salzlaugen, die von den deutschen K+S-Gruben ins Grundwasser oder in die Werra/Weser geleitet werden, der Natur ungefähr so zuträglich sein wie die Berge an Kunstdünger, die sie den Landwirten aufschwätzen. Offizieller Konzerngewinn 2012: rund 640 Millionen Euro.

Tatsächlich gehört die Plattmachung der ostdeutschen Kali-Reviere nach der »Wende« zu den einträglichsten Fischzügen westlichen Kapitals, in diesem Fall also des genannten Kasseler Konzerns, der bis vor kurzem wiederum mit der berüchtigten Leverkusener Kriminellen Vereinigung BASF verbandelt war. Transformator war selbstverständlich die nicht minder berüchtigte Treuhandanstalt. Kaum hatte sie 1991/92 den Weg zu einer »Fusionierung« der damals maroden K+S mit der eben noch »volkseigenen« Mitteldeutschen Kali AG geebnet, legte das neue saubere Unternehmen, das nach wie vor in Kassel residierte, acht von neun Revieren still. Nur das Werk in Unterbreizbach (westlich von Dorndorf und Vacha an der Ulster gelegen) wurde verschont. Damit war K+S Alleinherrscher auf dem deutschen Kalimarkt. Selbst der Spiegel (5/1993) sprach von einer »gelungenen Ausschaltung eines lästigen Konkurrenten im Osten«. Was Wunder, wenn Sieger K+S inzwischen auch weltweit zu den führenden Anbietern kali- und magnesiumhaltiger Produkte für landwirtschaftliche und industrielle Nutzung zählt. Die damals abgeschlossenen Verträge, die bis heute geheim gehalten werden, erlaubten nicht nur die offiziell stets gegeißelte »Vernichtung von Arbeitsplätzen« in großem Maßstab (25.000 Stück); sie schoben K+S außerdem einen »Verlustausgleich« von 1,3 Milliarden Euro zu und befreiten es von den unumgänglichen Sanierungs- und Sicherungslasten, die dafür dem Land Thüringen aufgebürdet wurden – also dem Volk, das man soeben ausgeplündert hatte. Nach einem Artikel von Susan Bonath, der am 18. März 2014 in der Jungen Welt zu lesen war, haben auch diese Lasten inzwischen längst die Milliarden-Grenze überschritten. Die Verträge sowie die vielsagende (Bonn/Berliner und Erfurter) Weigerung, sie offen zu legen, gelten anscheinend nach wie vor.

Dies ist also »ein gutes Deutschland, das beste, das wir jemals hatten«, wie sich die übelriechende DDR-Altlast Joachim Gauck Ende Januar in ihrer neuen Eigenschaft als gesamtdeutscher Bundespräsident auf der sogenannten Münchener Sicherheitskonferenz auszudrücken beliebte. Allerdings genießen wir diese Qualität auch eine Ebene höher, in dem bürokratischen Moloch namens EU. Unter dem Titel »Freihandelsabkommen und Geheimhaltung« legt Georg Rammer in Ossietzky 9/2014 eine vernichtende Kritik der Verschwörung zwischen dem internationalen Großkapital und den Brüsseler Eurokraten gegen Zigmillionen europäische Habenichtse vor, die jeden gerechtigkeitsliebenden Menschen zur Weißglut bringen muß, nicht zuletzt wegen dem Ohnmachtsgefühl, das in ihm aufsteigt. Aber das hindert Europas staatstreue »Linke« nicht daran, den Moloch »reformieren« oder »demokratisieren« zu wollen. So steht es selbst im selben Ossietzky-Heft.

Im letzten Kriegsjahr nutzten die Nazis das Salzbergwerk in Merkers als Versteck für beträchtliche Gold- und Devisenbestände der Reichsbank, Diebesbeute der SS eingeschlossen, und Kunstschätze aus verschiedenen Berliner Museen. Dieser Schatz wurde im April 1945 von US-Truppen entdeckt und beschlagnahmt. Wahrscheinlich waren sie von befreiten Zwangsarbeitern ins Bild gesetzt worden, denen die nächtlichen Einlagerungen nicht entgangen waren. Insa van den Berg bemerkt dazu (am 8. Mai 2009) auf Spiegel Online: »Kurz nach Bekanntwerden des Fundes eilte der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Westeuropa, General Dwight D. Eisenhower, persönlich nach Merkers, um das Goldlager unter der Erde zu inspizieren. Anschließend befahl er, den unterirdischen Tresor schnellstmöglich zu räumen – widerrechtlich, denn nach dem Abkommen von Jalta vom Februar 1945 hätten die Amerikaner die Grube in Merkers, so wie sie war, an die Sowjets übergeben müssen, entsprechend den vereinbarten Besatzungszonen. Eisenhower aber handelte auf geheime Weisung des Generalstabschefs der US-Armee, General George C. Marshall.«

Bleibe ich meiner eingangs eingeschlagenen aufrichtigen Marschroute treu, muß ich selbst den Wohnstätten des Doktor Deilmann, um den es hier eigentlich geht, ein eher bescheidenes ästhetisches Niveau bescheinigen. Ich meine damit sein Grab und das Haus, in dem er vorher, ehe er 2002 mit 97 Jahren unter die Erde kam, sowohl praktizierte wie auch wohnte. Das vergleichsweise große, schmucklose Haus liegt auf halber Höhe des Dorfes Ecke Goethestraße/Dr.-Günther-Deilmann-Straße, und zudem unmittelbar an der eingleisigen Bahnstrecke Bad Salzungen–Vacha. Ich hätte diese Bahnstrecke heute liebend gern benutzt, statt mich mit dem Fahrrad auf der B 62 der großen Chance auszusetzen, ebenfalls auf dem Friedhof von Merkers zu landen, doch sie ist vor rund 15 Jahren stillgelegt worden. So war Bad Salzungen meine Endstation. Immerhin, wer sich Zeit läßt und ein paar Steigungen nicht scheut, kann von der Kreisstadt aus mit dem Fahrrad auch die nördlich der Werra verlaufende Landstraße benutzen, um sich dann, nach rund neun Kilometern, ebenfalls in Merkers einzufinden, tot oder lebendig. Vielleicht hülfe es ja, an der B 62 zur Abschreckung einen den Indern abgeguckten »Ratha«, einen Tempelwagen zu errichten. Er würde sicherlich gut mit der Kirche von Merkers korrespondieren. In Indien werden diese Heiligtümer, die zwei oder vier Räder eingeschlossen, aus Stein gehauen. Der so gestaltete Vitthala-Tempel in Vijayanagara, Südindien, ist beachtliche neun Meter hoch. 'Welche schweißtreibende Mühen der Mensch doch auf sich nimmt, um früher oder später im Rollstuhl zu landen oder gleich todsicher ins Himmelreich einzugehen!' könnte der Ratha von Merkers signalisieren. Er tut es selbstverständlich auch in der Gestalt des Kumpels, der Mensch. Deilmann ist daran nicht völlig schuldlos.

Deilmanns Grab weist ein liegendes Porträt-Relief und den Hinweis auf Deilmanns Ehrenbürgerschaft auf. Der damals 26jährige Mediziner, wegen seiner Herkunft bald darauf als »Halbjude« eingestuft, wie ich von seinem Schwiegersohn Jürgen A. erfahre, kam 1930 nach Merkers. Er hatte sich erfolgreich um eine Stelle als Betriebsarzt im Salzbergwerk beworben. Deilmann stammte aus Dortmund und hatte zuletzt eine Stelle als Assistenzarzt in Essen gehabt. Nun ließ er sich in dem Dorf an der Werra außerdem als Landarzt und Geburtshelfer nieder. 1936 verhalf ihm die Werksleitung zu seinem schon erwähnten großzügigen Haus. Mit seiner Frau Magda, geb. Booz, hatte Deilmann sechs Kinder, davon fünf Mädchen. Booz starb 1994 mit 93 Jahren. Als Betriebsarzt betreute Deilmann im Krieg, zu dem er wohl wegen der Fürsprache der Werksleitung, offiziell jedoch wegen »Wehrunwürdigkeit« nicht eingezogen wurde, auch die auf Zeche gefangenen ZwangsarbeiterInnen. Daß er auch sie »gut behandelte«, rechneten ihm später viele MitbürgerInnen hoch an. Zudem beteiligte sich der eher schmächtige Doktor kurz vorm Einrücken der Amerikaner an einer lebensgefähr-lichen Aktion, mit der bei Merkers die Sprengung eines Munitionszuges durch die SS und damit die Verwüstung zweier Dörfer verhindert werden konnte. Die Sympathien, die Deilmann im Kreis genoß, schützten umgekehrt auch ihn vor den Verfolgungen durch die Nazis. Am Morgen des 4. April 1945 war es dann Deilmann, der vor Merkers Soldaten der 90. Infantrie Division der US Army mit weißer Fahne empfing und ihnen das Dorf übergab, um weitere Zerstörungen oder gar Todesopfer zu vermeiden. Seine Doppelrolle als Landarzt wie als Betriebsarzt im nunmehr verstaatlichten Salzbergwerk übte er, bis 1971, auch in der SBZ/DDR aus. 1995 verlieh ihm die damals zuständige Gemeinde Merkers-Kieselbach aufgrund seiner Beliebtheit und Verdienste die Ehrenbürgerwürde. Später kam die Umbenennung der Straße hinzu, an der Deilmanns Haus liegt.

Seinem Schwiegersohn zufolge war Deilmann zwar niemals ein Gegner des DDR-Sozialismus, aber auch nie eine Speerspitze desselben gewesen. Eine SED-Mitgliedschaft währte nur kurz. Wenn es ihm geboten schien, eckte er auch an. 1952 etwa verschärfte die SBZ/DDR in Reaktion auf Adenauers Generalvertrag mit den westlichen Alliierten ihr Grenzregime. Das schloß Zwangsaussiedlungen »unzuverlässiger« BewohnerInnen aus dem »Sperrgebiet« ein. Etliche Quellen, darunter Wikipedia, behaupten, diese Maßnahme sei bei den Spitzen von SED und MfS unter »Aktion Ungeziefer« gelaufen. In diesem Rahmen sollten im Juni ungefähr 900 Menschen aus dem Kreis Bad Salzungen entfernt werden, wie Deilmanns Tochter Dorothea Nennstiel-Deilmann, Krankenschwester und Lehrerin, damals Anfang 20, Jahrzehnte später (2013) der Presse gegenüber berichtete. Darunter fielen auch 16 Familien aus Dorndorf bei Merkers. Dagegen erhoben sich jedoch massive, bei der »Verladung« am Dorndorfer Bahnhof zuletzt sogar handgreifliche Proteste, an denen auch die Familie Deilmann beteiligt war. Die Zwangsaussiedlung konnte erst mit Verzögerung durchgesetzt werden, als die Vopo die Rote Armee zur Hilfe rief.

Es gibt also starke Anhaltspunkte dafür, daß wir in Doktor Deilmann einen Mediziner hatten, der unter Hitler und Ulbricht, ersatzweise Adenauer, weder Duckmäuser noch gar Erfüllungsgehilfe schweren Unrechts war. Die Regel sah bekanntlich anders aus. Manche Angaben, die womöglich verwandtschaftlicher Schonkostkur entspringen, kann ich allerdings nicht überprüfen. So trenne ich mich denn von meinen beiden Kolkraben und der Friedhofsbank, weil ich in Bad Salzungen, ehe mein Zug geht, noch ein paar Züge Atemluft im »Gradierwerk« zu nehmen gedenke. Das kann ja nur im Sinne Doktor Deilmanns sein. Der Kurpark mit den hufeisenförmig angelegten Gebäuden und Wandelhallen des Gradierwerkes liegt gleich nördlich der Gleise nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt. Aufgrund ihrer salzhaltigen Quellen zählt die Kreisstadt zwischen Rhön und Thüringer Wald zu den ältesten Sole-Heilbädern Deutschlands. Früher spielte auch die Gewinnung von Kochsalz eine wichtige Rolle. In den erwähnten, offenen Wandelhallen rieselt salzhaltiges Wasser durch eine Art Hecke aus Reisigbündeln, wodurch die Luft, selbst im Garten draußen, angenehm und angeblich auch sehr gesundheitsfördernd würzig und kühl wird. Die zahlenden Kurgäste schlurfen in weißen Bademänteln umher. Während der Fachwerkbau der Kurverwaltung wie aus dem Ei gepellt wirkt, fällt einen angesichts des verrammelten Bad Salzunger Bahnhofsgebäudes und der weitläufigen, mit Unkraut bewachsenen Gleisanlagen ein Trübsinn an, dem wahrscheinlich auch nicht durch zwei Inhalier-Stunden in jenen Wandelhallen abzuhelfen wäre. Im verwaisten Bahnhof könnte glatt eine 30köpfige Kommune unterkommen. Aber nicht im Kapitalismus. Wie es aussieht, ist das Geschäft mit der Gesundheit einträglicher als das Geschäft mit der Regionalbahn. Die betuchten Kurgäste reisen ja ohnehin per Auto an, damit die Leute in den Dörfern an der B 62 ebenfalls etwas zum Inhalieren haben.

Um nicht nur auf die Automafia einzuhacken: Am zurückliegenden Dienstag (22. April 2014) wurde ein 16jähriger Fahrradfahrer bei einem Unfall in der Dr.-Salvador-Allende-Straße, die übrigens im Osten der Altstadt in die B 62 mündet, schwer verletzt. Er war auf seinem Mountainbike aus einem Seitenweg geschossen und auf einen Ford Focus geprallt. Vielleicht landet er im Rollstuhl. Sachschaden am Auto rund 3.000 Euro. Das Mountainbike dürfte einem Reisigbündel aus dem Gradierwerk geähnelt haben, nur mit Blut statt mit hellen Rückständen aus der Sole verschmiert. Die Hersteller-Innen postmoderner Kampffahrräder wollen eben auch leben. Man mache sich hin und wieder klar, welcher ungeheuerlichen, kostspieligen und oft krank- oder totmachenden Erpressung durch das Kapital und seine Reklamegauner sowohl unsere Kinder und Jugendlichen wie deren Eltern ausgesetzt sind, dann wird man Gauck für seine Lobeshymnen auf unsere Gesellschaft vor die Maßschuhe spucken, falls man ihn mal trifft, in der Werra-Rhön-Halle beispielsweise.

Eine sehr ähnliche, Luft abschnürende Kragenweite besitzt die Bürokratie, die wir uns dank Kapitalismus und Rechtsstaat zu leisten haben. Wie ich am Donnerstag einem Artikel auf InSüdthüringen.de entnehme, ist neuerdings Bad Salzungens Status als Kreisstadt bedroht. Zwar sank die EinwohnerInnenzahl aufgrund des bekannten Aufschwungs Ost seit der »Wende« von 21.500 auf rund 15.000, also immerhin um ein rundes Viertel, aber das ist gar nicht der Grund. Vielmehr möchte Eisenach seinen kreisfreien Status loswerden, weil es sich davon große Einsparungen beziehungsweise zusätzliche Steuereinnahmen verspricht. Rinn in die Kartuffeln, russ us die Kartuffeln, jedesmal für ein paar oder für viele Millionen Eier. Wie Bad Salzungens Bürgermeister Klaus Bohl auf einer EinwohnerInnen-Versammlung versicherte, käme ein Fortfall des Landratsamtes dem Verlust von 600 Arbeitsplätzen gleich – eine Katastrophe. Nach dieser Logik geht es dem Menschen umso schlechter, je weniger Bürokraten oder Soldaten er hat. Die weitgehend schon vergessene westdeutsche »kommunale Gebietsreform« um 1970 sollte alles vereinfachen, doch sie bewirkte das Gegenteil. Die Bürokratie wurde gleichzeitig aufgestockt und zentralisiert; im Ergebnis hatte es der Dörfler noch schwerer, an ihren nährenden Busen zu gelangen. Nebenbei stellt schon die ganz »normale« Staats-Partei-Verdopplung, die man ja auch in der DDR pflog, einen hirnrissigen und kostspieligen Unfug dar. Womit ich keineswegs sagen will, nur mit dem einen, entweder Staat oder Parteien, wären wir gut bedient. Nein, das Übel liegt darin, daß man uns unbedingt verwalten möchte, da wir sonst weder auspreßbar noch beherrschbar wären.

Allerdings zugegeben, damit spreche ich nicht unbedingt jedem von uns aus dem Herzen. Mark Ashley beispiels-weise, geboren 1973 in Apolda, Thüringen, wußte die »Wende« offensichtlich dazu zu nutzen, sich auf verhältnismäßig wenig knochenbrecherische Weise leidlich die Taschen zu füllen. Ein Salzbergwerk, das wäre nichts für ihn, obwohl er bestimmt kein Hänfling ist, wie ich aus Fotos im Internet schließe. Ashley – ein typisch thüringischer Name – ist Popsänger geworden und bereichert seit einigen Jahren die in Bad Salzungen ansässige Prominenz, wenn er auch vorwiegend in Südamerika und Spanien, besonders Mallorca, unterwegs ist. Falls ich nichts durcheinander geworfen habe, arbeitet er in der Sparte Disco-Fox.
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