Samstag, 10. Dezember 2022
Nasen Kon—Löff

Konrad, Robert E. (1926–51), schweizer Lyriker und Maler. Am 8./9. August 1951 kam es auf der Alpensüdseite nach Gewittern zu einer Unwetterkatastrophe mit sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen, die Sachschäden in zweistelliger Millionenhöhe und drei Todesopfer forderte.* Zu den Toten zählte der 25jährige, damals noch kaum bekannte Künstler aus Zürich, der Verwandte in Bedano besucht hatte, einem tessiner Dorf nördlich von Lugano. Ein sogenannter »Murgang«, eine Art Lawine aus Schlamm und Geröll, soll das Haus verschüttet haben, in dem sich Konrad gerade aufhielt. Er war verheiratet und hatte ein Kind. Später wurden eine Buchausgabe (1961) und einige Ausstellungen zu seinem Gedenken veranstaltet. Laut Charles Linsmayer** hatte Konrad bereits als Dreijähriger seine Mutter verloren. Ein Kunststudium in München blieb anscheinend Fragment. Wieder in Zürich, hielt er sich zeitweise als ungelernter Fabrikarbeiter über Wasser. Dann ermöglichte ihm der Lohn seiner Frau, einer nirgends ausdrücklich mit Namen genannten Sekretärin, das freie Schaffen – bis der Zufall zuschlug.

Das berühmte, mit Großbränden und verheerenden Flutwellen verbundene Erdbeben von Lissabon vom 1. November 1755 forderte, alle anderen Schäden einmal außer acht gelassen, schätzungsweise 30.000 bis 100.000 Todesopfer. Die Flutwellen erfaßten sogar die Küsten von mehreren Nachbarländern Portugals. Im andalusischen Badeort Cádiz etwa, zwischen Algarve und Gibraltar gelegen, soll sich am verhängnisvollen Tag der einzige Sohn des prominenten französischen Schriftstellers Louis Racine aufgehalten haben. Merkwürdigerweise finde ich seinen Vornamen nicht, und den seiner Frischangetrauten schon gar nicht. Das Paar habe dort Flitterwochen gemacht – viel Vergnügen. Die bis 20 Meter hohen Flutwellen erfaßten auch diese beiden. Da der Senior erst 1728 geheiratet hatte, dürfte der Sohn, je nach Quelle Schriftsteller oder Kaufmann, noch keine 30 gewesen sein. Den Senior soll dieser Schicksalsschlag bewogen haben, sich, wie so manche andere Zeitgenossen, verbittert von jeglicher Religion abzuwenden. Heimlich verfluchte er Gott sicherlich als Erzmassenmörder.

Hier scheint es mir angezeigt, vor den großen Zahlen zu warnen. 50. 000 Tote, das sei nun wirklich zuviel des Bösen, brüllt man Ihnen in die Ohren. Oder nehmen wir das von Géricault gemalte Floß der Medusa. Es sei doch ohne Zweifel das kleinere Übel, drei Alte von den 130 Schiffbrüchigen zu verspeisen, wenn dadurch vielleicht die 127 anderen gerettet würden, wird gern argumentiert. Aber das ist keine Argumentation – es ist Quantitatives Denken. Für mich (als Anarchisten) sind Menschen und Menschenwürde unverrechenbar und daher unverhandelbar. Jeder Mensch ist gleich wichtig und gleich würdig. Kommt bei einem Gewitter ein bestimmter Mensch X durch Blitzschlag um, ist er um keinen Deut weniger beklagenswert als jene 50.000. Diese 50.000 haben keineswegs 50.000 mal mehr als X gelitten und verloren – der Schrecken trifft stets eine bestimmte Person, die ihn als furchtbar empfindet. Er war bei den 50.000 Leuten nie und nimmer 50.000 Mal größer. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Schmeißen Sie das Größendenken über Bord. Sollten Sie einmal auf ein Floß der Medusa geraten, trichtern Sie Ihren Leidensgenossen ein: entweder alle oder keiner. Notfalls gehen wir gemeinsam unter. Das wäre Solidarität.

* Markus Weidmann (Chur), »Das Hochwasser in Graubünden 1951«, GraNat, o. J.: https://www.gra-nat.ch/hochwasser-1951-graubnden
** o. J. auf https://www.linsmayer.ch/autoren/K/KonradRobertE.html
→ Zum Zählen und Messen A-14 und A-15




Kreuder, Irene (1906–93). Ich traf sie 1977. Wie ich mir die Einladung in ihre Wohnung in der Darmstädter Kaisermühle erschlichen hatte, ist mir ein Rätsel. Schließlich hatte ich weder einen Doktorvater noch eine eigene Webseite vorzuweisen. Ich war ein nahezu unbekannter Westberliner Liedermacher, mehr nicht. Aber Frechheit siegt. Ich war unlängst rein zufällig über die Erzählung Die Gesellschaft vom Dachboden gestolpert und fand sie bärenstark. Das gefiel ihr natürlich. Das schmale Buch, erschienen 1946, stammte von ihrem Mann Ernst Kreuder, Schriftsteller. Den konnte ich schlecht aufsuchen, weil er bereits seit rund fünf Jahren unter der Erde lag. Er war ausgerechnet am »Heiligen Abend« 1972 gestorben, 69 Jahre alt.

Jetzt hatte Irene Kreuder, geb. Matthias, gerade die 70 überschritten. Ihr Haar war schon weiß. Ein Foto von ca. 1930 zeigt sie an der Seite Ernst Kreuders als schlanke, etwas abgründig in die Kamera blickende Dame mit Pelzkragen und flottem Kapotthütchen. Sie war keineswegs dick geworden, aber die Flottheit war dahin. Allerdings fiel mir ihre kräftige, leicht nach unten gebogene Nase auf. Das sprach für Mut und Angriffsfreude.

Noch 13 Jahre später bescheinigt sie ihrem streckenweise berühmten Gatten eine gewisse Weltfremdheit, wie ich einem überragenden, längeren Text* Ulrike Edschmids entnehme. Er sei »ganz unsportlich«, nebenbei auch kein besonders feuriger Liebhaber gewesen. Von Staat und Marktwirtschaft hielt er wenig, umso mehr vom Träumen. Viele Fachleute schlagen ihn der »Magie« oder dem »Spirituellen«, also dem Bezirk des Nebelhaften zu, wenn sie das auch niemals so klar sagen würden. Seine Vorliebe für die Predigtform wurde durch seine beachtliche Begabung für Clownerie gemildert. Noch in seinem letzten, posthum veröffentlichten Roman (eigentlich Diesseits des Todes, vom Verleger jedoch Der Mann im Bahnwärter-haus betitelt) ziehen die Irren mit dem Transparent »Mehr Muße! Mehr Mundharmonika spielen!« durch den Wald. Kreuder sei an jenem »Heiligen Abend« von der Bettkante rückwärts auf seine Bettüberdecke gesunken – tot. Der Südhesse aus Offenbach und Darmstadt war seit Jahrzehnten Kettenraucher und eifriger Biertrinker gewesen und hatte längst Kreislaufprobleme. Er habe gewußt, er mache es nicht mehr lang.

Es läßt sich kaum behaupten, Kreuders Landsmännin Irene, studierte Juristin und Fürsorgerin, nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch vorwiegend und zunehmend Kreuders Hausfrau und Sekretärin, sei dagegen kerngesund und putzmunter gewesen. Aber sie begriff die Unterstützung des etwas »weltfremden« Gatten als Lebensaufgabe, wenn ihr auch zuweilen schmerzlich klar war, stark im Schatten zu stehen. Für sie selber scheint sich nennenswert erst Edschmid interessiert zu haben. Da war sie freilich schon über 80. Von Jugend an zwar rebellisch gestimmt, sei sie doch seelisch recht ungefestigt gewesen. So hatte sie auch wiederholt, teils brutale Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen über sich ergehen zu lassen. Sie litt auch oft unter Schlaflosigkeit. Ernst empfand das zugleich als Bürde und Pflicht. Er hielt Treue hoch. Er sei gewiß eher unzugänglich und mürrisch, aber ausgesprochen zuverlässig gewesen. Beide hatten allerdings Liebschaften. Irene bekennt, die Sexualität mit Männern sei ihr stets wichtig gewesen. Obwohl man sie öfter für knaben- oder jungenhaft gehalten habe. Ihren Gatten habe sie einst, in den Kreisen der jungen Darmstädter Animalisten um Max Herchenröder und Carl Mumm, »verführt«.

Andere Leidenschaften, wie etwa die Schreibwut ihres Gefährten, hatte sie offenbar nicht. Aber sie las sehr viel, besonders Poesie, und schätzte Musik, voran Gesang. Gleichwohl traue sie sich, mangels Distanz, kein Urteil über den Rang ihres Gatten zu. Als sie sich (um 1930) in Ernst verliebte, habe sie vor allem dessen Schüchternheit und trostlose Lage als Außenseiter »ergriffen«, erzählt sie der Biografin. Ähnlich ergeht es mir heute mit ihr, nachdem ich Edschmids eindringliches, ja beinahe erschütterndes Porträt wiedergelesen habe. Sie war oft in Not. Zuletzt versichert sie Edschmid, sie habe schon beinahe Sehnsucht nach dem Tod (wie auch damals Ernst), weil sie glaube, die Menschen würden wiedergeboren. Aber sie sagt nicht, als was sie denn nun wiedergeboren werden möchte. Da liegt der Seufzer nahe: alles, nur nicht als Prominentengattin! Irene Kreuder starb 1993 mit 86 Jahren.

Mein Eindruck auf sie kann nicht völlig ungünstig gewesen sein. Zunächst durfte ich sie in ihrem mit Leder bezogenen Lieblingssessel fotografieren. Ich hatte mir die Kamera eigens geliehen. Dann schenkte sie mir zum Abschied die Erstausgabe von Herein ohne anzuklopfen (1954), sogar mit Autogramm. Allerdings ging mir das Buch Jahre später bei einem Umzug verloren. Als ich das bemerkte, beschimpfte ich mich – und besorgte mir die gleiche Ausgabe antiquarisch. Nach einigem Zögern verzichtete ich jedoch darauf, nun auch noch die Widmung zu fälschen.

* in: Ulrike Edschmid, Diesseits des Schreibtischs. Lebensgeschichten von Frauen schreibender Männer, Ffm 1990



Krieger, Johann Nepomuk (1865–1902), mondsüch-tig. Eine fette Erbschaft hatte den Sohn eines bayerischen Braumeisters in die Lage versetzt, Astronomie zu studieren und in diesem Rahmen eine besondere Leidenschaft für den Mond zu entwickeln. Nebenbei muß er auch grafisch begabt gewesen sein. 1890 richtete er sich in einem Münchener Vorort sogar eine eigene Sternwarte ein, die er fünf Jahre darauf in die oberitalienische Stadt Triest (an der Adriaküste) verlegte. Das geschah wohl dem dortigen klaren Himmel, vielleicht auch einer vergleichsweise gesunden Luft zuliebe. Da hockte er nun Nacht für Nacht im Dachreiter einer stattlichen Villa am Rohr und über seinem Zeichentisch, hatte er sich doch in den Kopf gesetzt, den Mond zu kartieren. Zu diesem Zwecke erfand er eigens mehrere einer guten Darstellung dienliche grafische Verfahren. So entstanden rund 1.000 Zeichnungen von der Mondoberfläche, die noch heute hochgelobt werden, und zwar sowohl aus astronomischen wie künstlerischen Gründen. Die Veröffentlichung des ersten Teils seines Mondatlas' durfte er (1898) sogar noch erleben. Vier Jahre darauf hatte sich Krieger totgearbeitet, wenn man einem Porträt auf der Webseite der Unione Astrofili Italiani glauben darf.* Hinzu sei die Nachtkälte gekommen. Um 1900 brach der Mondkundler und Mondgrafiker zusammen, schl0ß sein Observatorium, das nach seiner Gattin (ein Sohn) Pia hieß, und schleppte sich von einem Sanatorium zum anderen. Er starb im Februar 1902, wenige Tage nach seinem 37. Geburtstag, in San Remo (an der italienischen Riviera). Woran genau, wird nicht gesagt. Ich tippe auf Tuberkulose und/oder Lungenentzündung. Heute kann man in den Mondatlanten auch den Krater Krieger nachschlagen, Durchmesser 23 Kilometer.

Ob Krieger auch mit einer Fahrkarte zum Mond liebäugelte, entzieht sich meiner Kenntnis. Eigentlich war die Eroberung des Mondes schon vor 300 Jahren von Johannes Kepler durchgespielt worden. Francis Godwin, John Wilkins, Poe, Melville träumten von ihr. Um 1900 lag die Mondfahrt geradezu in der Luft; wenige witterten Unheil. Henrik Pontoppidans verschrobener Pastor Fjaltring etwa sah die Räume schrumpfen, unwirtlich werden – verschwinden. An der Entfernung zwischen Nase und Mund sei trotzdem nicht zu rütteln, fügte er (im Roman Hans im Glück) gläubig hinzu. Aber genau das ärgert ja die Leute, die ihre Raumfähren Challanger (Herausforderer) und ihre Gentechnik einen Segen nennen. Ihr Stolz duldet keine Grenze und keine Unmöglichkeit. Lewis Mumford rätselt (in seinem Buch Der Mythos der Maschine von 1967/70), warum Kepler die Raumfahrt solcher enormen Mühen und Verluste für wert hielt. Dabei hat er vorher selber »das typisch technokra-tische Motiv« herausgestellt, etwas allein um des Beweises seiner Machbarkeit willen zu machen. Flucht vor irdischen Problemen, ob sozialer oder seelischer Natur, kommt allerdings hinzu. Dafür werden keine astronomisch hohen Kosten und keine toten RaumfahrerInnen gescheut. Den Kosmonauten zu sagen, sie könnten ihren Lebensunterhalt doch auch als RaumpflegerInnen bestreiten, hat gar keinen Zweck. Sie brauchen das Wagnis. Mit schnöden Krankheiten geben sie sich nicht ab. Wird der Himmel gesperrt, weil da die Corona-Asteckungsgefahr zu hoch ist, heuern sie in der nächsten Kohlezeche an und versuchen dort, 500 oder 800 Meter untertage, die am 13. Oktober 1948 erreichte Norm des DDR-Hauers und -Helden Adolf Hennecke zu übertreffen. Das ist nicht weniger bekloppt.**

* »Johann Nepomuk Krieger«, Stand 2011, auf: https://divulgazione.uai.it/index.php/Johann_Nepomuk_Krieger. Das Porträt beruht auf dem Buch 250 Jahre Astronomie in Triest von Conrad A. Böhm, MGS Press 1998.
** George Orwell, eigentlich Antikommunist, hielt Industrie im großen Maßstab für unverzichtbar und brachte speziell den Kumpels der Finsternis geradezu Verehrung entgegen. Er war eher Proletkultler als Anarchist.
→ A-16 Unendlichkeit




Kristina Gräfin Pilati von Thassul zu Daxberg
(* 1948). Die ächtungswürdige Formel von den Männern der Feder hat Zuwachs bekommen. Nun haben wir auch die Formel von den Männern in Uniform, also von denen an den Gewehren, zu meiden, dürfen sich doch unsere »Streitkräfte« seit Oktober 2000 ganz grundgesetzlich auch mit Soldatinnen stärken. Wie die interessante Webseite soldatenglück.de schon im Juli 2008 mit Hilfe einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (dem natürlich blind vertraut werden kann) zu verkünden weiß, werde durch die wachsende Zahl von Frauen als Soldatinnen in den Streitkräften »die Akzeptanz der Bundeswehr in der Gesellschaft gefördert«. Ja, darin dürfte auch der Zweck der grundgesetzändernden Übung gelegen haben.

Allerdings scheint die Sache mit der Gleichberechtigung ein zweischneidiges Schwert zu sein, um in der Fachsprache zu bleiben. In den einen Fällen wird sie brutal eingeführt, in anderen dagegen nicht minder brutal verweigert. Moritz wäre neulich aufgrund eines solchen Boykotts um ein Haar um eine neue Uhr gebracht worden. Er betrat in dem Nest, in dem seine Kommune lebt, das einzige Schmuckgeschäft und erkundigte sich nach der billigsten nichtdigitalen Armbanduhr. Während die Inhaberin Moritz' gezielter Frage und seiner etwas schmucklosen Kleidung nachhing, suchte sie an einem Drehständer eine Herrenuhr für 18 Euro heraus. »Und was ist mit dieser da?« wies Moritz auf eine Uhr, an der nur 13 Euro stand. »Das ist eine Damenarmbanduhr«, erklärte ihm die Inhaberin wie einem Siebenschläfer, der kaum die Nacht vom Tag unterscheiden kann. »Macht nichts«, sagte Moritz, »die nehme ich!« – »Aber meinen Sie nicht, es wäre etwas unpassend?« – »Nein. Ich trage sie ohnehin nie am Arm. Am liebsten hätte ich eine unsichtbare Uhr.« – »Ah-ja«, erwiderte sie, »ganz wie Sie wünschen.«

Sie kassierte und ärgerte sich noch abends vorm Spiegel, als sie nach ihren Kontaktlinsen fischte, über die 5 Euro große Umsatzeinbuße. Hätte Moritz einen Regenschirm, ein Fahrrad oder Jeanshosen verlangt, wäre er wahrscheinlich nicht angeeckt. Da herrscht schon beinahe Freizügigkeit. In meiner Jugend (um 1960) kam es für einen Knaben nicht in Frage, sich auf einem Fahrrad »ohne Stange«, einem Damenrad also, blicken zu lassen. Es hätte Hohn und Schande gehagelt. In der Jugend des Waltershäuser Stadtchronisten Sigmar Löffler, vor dem Ersten Weltkrieg, wäre es nebenbei sogar peinlich gewesen, als Angehöriger des männlichen Geschlechts überhaupt eine Armbanduhr zu tragen – einerlei, ob eine dürre oder eine fette. Armbanduhren galten grundsätzlich als weibisch. Der wilhelminische Herr hatte auf seinem Bauch jene goldene Uhrkette vorzuweisen, an der in den Kolonien die farbigen Träger liefen. Er trug Taschenuhr.

Heute fährt vermutlich sogar ein hohes Tier wie Ex-Kriegsminister Rudolf Scharping ein stangenloses Kampffahrrad mit Teleskop-Federung und Autopilot für schlappe 2.000 Euro. Rechtzeitig vorgesorgt, wäre sein Urlaubssturz vom Rad, der vor einigen Jahren viel Staub aufwirbelte, sicherlich glimpflicher abgegangen. So aber taugte er nicht mehr zum Armeechef. Nun muß er sich von seiner zweiten Gattin (bis 2017) Kristina Gräfin Pilati von Thassul zu Daxberg, geb. Paul, tyrannisieren lassen und darf nur hin und wieder noch »Public Private Partnership« betreiben. Auch berät er das Beteiligungskapital-unternehmen Cerberus, das Firmen einkassiert, um mehr als 5 Euro Gewinn aus ihnen zu schlagen. Brockhaus meint, in der griechischen Mythologie sei Cerberus der Höllenhund. Er wedele jeden in die Unterwelt Eintretenden freundlich an, lasse aber niemanden mehr heraus gelangen. Er werde meist dreiköpfig und mit Schlangenschweif dargestellt. Der Zynismus unsrer Geschäftswelt und unsrer PolitikerInnen, die die Menschenrechte der albanischen Mafia verteidigen, ist zuweilen atemberaubend.

Das Geschlecht des Höllenhundes läßt die Abbildung im Brockhaus offen. Dagegen scheint mir bei der Geschlechtszuweisung an die Waren in der postmodernen Marken-Mythologie reichlich viel Willkür zu herrschen. Die Damenuhr muß niedlicher als die Herrenuhr sein, obwohl wir mit der ersten Kanzlerin der germanischen Regierungsgeschichte Angela Merkel eine Dame am Ruder haben, die auf sämtlichen Weltmeeren nicht mehr lange fackelt, sobald sich im Nebel eine Bedrohung unserer Heimat abzeichnet. Auch der Damenschuh darf sich um Himmels willen nicht allein durch seine Größe von einem Herrenschuh unterscheiden, denn in diesem Falle könnten die betreffenden Schuhfabriken zusammengelegt werden, wodurch auf einen Schlag viele Tausend bequeme Arbeitsplätze vernichtet wären.

Gott sei Dank liegen die Dinge im Autoverkehr gerechter. Ob Dame oder Herr, ein Porsche ist immer gleichgroß und gleichteuer – und der Mensch am Steuer immer gleich tot.



Lange, Horst (1904–71), angeblich »Innerer Emigrant«. In der Bezauberung, die er vor allem im ersten Teil ausübt, dürfte der 1937 erschienene Roman Schwarze Weide kaum zu übertreffen sein. Es war der erste Roman des Niederschlesiers und Wahlberliners. Lange selber übetraf ihn leider auch nie mehr.

Die Schwarze Weide wird aus dem Blickwinkel eines Halbwüchsigen erzählt, dem sich nur unter Verrenkungen bescheinigen ließe, er erwache. Am Beginn des Romans döst er beim Äpfelernten hinterm flirrenden Laub. Das kommende Leben zieht wie die Spinnweben des Altweibersommers an ihm vorbei, ohne ihn wirklich berühren zu können. Alle Machenschaften und Verhängnisse, in die ihn seine Sommerfrische auf dem Land verstrickt, sieht er durch diese wehenden Fäden, an denen die Machenschaften und Verhängnisse kleben bleiben. Im Grunde beobachtet er nur. Auf dem Land und dessen Gehöften liegt die Schwermut dieses empfindsamen Beobachters. Lange schildert detailreich bis zur Pedanterie, verärgert dadurch aber nicht, weil es der Zähflüssigkeit des Geschehens beziehungsweise der Wahrnehmungsweise seines Helden entspricht. Für einen Maler gibt er auch erstaunlich viel fürs Ohr. Die Soziale Frage bleibt drittrangig, obwohl er die Klassenunter-schiede keineswegs übergeht. Was die Menschheit vor allem zu bewegen scheint, ist ein großes Bedürfnis nach Gestraftwerden. Von daher steht die übermächtige, wenn auch zerklüftete Vatergestalt des vierschrötigen Bauern Gotthold Starkloff nicht zufällig im Mittelpunkt des Romangeschehens. Starkloff tyrannisiert – und wird seinerseits von Mörderhand ereilt.

Fotos zeigen den 30- oder 40jährigen Lange als hübschen Mann mit schmalem, aber sinnlichem Gesicht. Die ganze Gestalt hat einen verletztlichen Zug. Lange wuchs in der Männerwelt einer Kaserne am Rande von Liegnitz auf, wo sein Vater als Leutnant Dienst tat. Zwischen ihm und dem Vater habe »stete Spannung« geherrscht, ist aus einem 1979 veröffentlichten Porträt Langes aus der Feder seiner Frau Oda Schaefer, einer Lyrikerin, zu erfahren. Es gibt einige heftige Streits und mehrere Ausreißversuche des heranwachsenden Lange, so zum Bauhaus nach Weimar oder an die Uni in Berlin – der Alte holt ihn zurück. Auch die gemeinsam mit Oda vorgenommene Übersiedlung von Liegnitz nach Berlin im Mai 1931 nennt sie »die dritte Flucht Horst Langes aus dem Vaterhaus«. Sein Studium (Kunstgeschichte, Literaturgeschichte, Theaterwissen-schaft) hatte Lange in Breslau nicht abgeschlossen; eine Doktorarbeit wurde abgelehnt. Mit Rückenstärkung von Günter Eich, Martin Raschke und dem Verleger V. O. Stomps versucht sich Lange nun als Publizist über Wasser zu halten. Die Arbeit am ersten Roman wird »zum Martyrium«. Doch sie lohnt sich: die Schwarze Weide findet unter Kritikern eine nahezu einhellige rühmende Aufnahme. Selbst der Emigrant Sebastian Haffner stimmt (von England her) in den Chorus ein.

Das heikle Verhältnis unseres halbwüchsigen Ich-Erzählers zum Vater wird im Roman lediglich angedeutet. Die psychologischen Schlachten hat er mit seinem Halb- und Ersatzvater Starkloff sowie mehreren jungen Frauen zu schlagen. Was ihm auch begegnet, es hat bedrohlichen Charakter. Nachkriegswirren und grandiose Unwetter, die ja traditionell als Strafgerichte aufgefaßt werden, tun das Ihre hinzu. Mit der Gutsherrentochter Cora übersteht der Junge ein heftiges Gewitter in einer Schilfhütte nahe der verrufenen Mühle. Krönung des zweiten Teils stellt ein Hochwasser dar, dem unter anderem die ätherische junge Pächterstochter Irene zum Opfer fällt, die den Erzähler ähnlich bestrickt und zugleich abstößt wie einstmals Cora. Beide Unwetter sind meisterhaft mitreißend geschildert. Doch ansonsten fällt der zweite Teil stark gegen den ersten ab. Die Enthüllung der verschlungenen Wege des brünstigen Besatzungsoffiziers Smeddy und von Starkloffs Gegenspieler Smorczak, der sich vom Dorfwirt zum Sektenführer gemausert hat, gerät gar zu langatmig und spitzfindig. Lange lädt wieder alles mit Vorzeichen, Bedeutung und Verhängnis auf, ohne dadurch die Charaktere und ihre Taten (oder Unterlassungen) einleuchtend machen zu können. Statt einer Bloßlegung wohnen wir einem unablässigen Raunen bei. Ab dem unseligen, in der Großstadt spielenden Zwischenspiel, das die beiden Buchteile miteinander verbinden soll, liegt Langes Werk in den Krämpfen von unglaubwürdigen Zufällen. Im Zwischenspiel wohnt der Erzähler zufällig neben Coras Mutter, die dem Gutsherrn schon vor Jahren durchgebrannt war. Im zweiten Teil kehrt er zufällig am Tage eines von Smorczak ausgelösten Massenauflaufs in das niederschlesische Kreisstädtchen Nilbau zurück. Zufällig streitet sich der Prediger im Nebenzimmer mit dem gleichfalls zurückgekehrten Smeddy, sodaß der Hotelgast in den Hergang der Mordtat an Starkloff eingeweiht wird. In einer Gärtnerei stößt er zufällig auf das Töchterchen der frühverstorbenen Alma, die ihm damals in der Sommerfrische schöne Augen gemacht hatte. US-Soldat Smeddy stellt sich als deutschstämmig heraus; zufällig trug er dereinst den Mädchennamen Tomscheit der Mutter des Erzählers – was Wunder, wenn Smeddy hartnäckig dessen Wege kreuzt …

Nach seinem gelungenen Wurf freundet sich Lange mit Kollegen wie Peter Huchel, Werner Bergengruen, Ernst Kreuder, Werner Helwig, Elisabeth Langgässer an. Die Schauspielerin Elisabeth Flickenschildt tritt zeitweilig als Konkurrentin Oda Schaefers auf. Doch im Mai 1940 muß der anerkannte Autor in seines Erzeugers Fußstapfen treten. Muß er? Jedenfalls läßt er sich einziehen. Sowohl seine nächsten Erzählwerke wie seine 1979 veröffent-lichten Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg verbieten es, Lange den Titel eines Antimilitaristen zu verleihen. Grundsätzlich stellt er den Krieg nie in Frage. Selbst der Rußlandfeldzug scheint für ihn eine Berechtigung zu haben; er wird nur mangelhaft (»dilettantisch«!) durchgeführt, nicht rechtzeitig abgebrochen; er mißglückt. Darin fügt sich auch das folgende ein.

Zum einen zeigt sich Lange von den angerichteten Zerstörungen nie wirklich erschüttert. »Lebensspuren« in den abgefackelten oder zerschossenen Bauernhäusern registriert er mitleidlos. Einmal schildert er einen Rundgang durch ein verlassenes Dorf unbeteiligt wie ein Buchhalter – obszön. Man gewinnt in der Tat den Eindruck, Lange habe kein Mitleid, übrigens auch nicht mit sich selber. Deshalb kommt mir auch seine Entrüstung über die treffend beobachtete Kälte Kafkas doppelzüngig vor. Ich kann mir Lange nicht warmherzig vorstellen. Er scheint jenen dumpfen Regionen verhaftet, die er so oft beschwört – den schlesischen Sümpfen; eben der Kälte. Somit muß ihm zum anderen eine starke Neigung zum Tod bescheinigt werden. Er gesteht sie im Tagebuch indirekt ein, wenn er seinen »Hang zum Unglücklichsein« erwähnt. Das Leben taugt nichts. Die Materie versklavt uns. Sie hintertreibt das Streben nach Klarheit und Ordnung, die Lange nicht weniger selten beschwört. Sie sind natürlich eine Sache des Geistes (und des Kunstschaffens). Zuviel Klugheit scheint dabei allerdings verderblich zu sein. Langes Einsichten in politökonomische Zusammenhänge und Hintergründe kann ich nur dürftig nennen. Gegen ihn war sogar Freund Kreuder marxistischer Soziologe. Langes Aussage nach der Lektüre von Bergengruens Mittelalterroman Am Himmel wie auf Erden, dessen Autor sei liebenswert beschränkt, wäre ihm besser im eigenen Halse stecken geblieben. Lange schildert Dinge, weil sie faszinierende Dinge sind. Sie einzuordenen (also zu werten) ist nicht des Ordnungsliebhabers Amt. Und er schildert sie, weil sie stets nach Metaphysik riechen.

Spätestens mit dem Zwischenspiel der Schwarzen Weide mutet uns Lange das Gegenteil von Klarheit zu: Frömme-lei, Mystizismus, Sentimentalität. Als Langes Lektor hätte ich das schwülstige großstädtische Intermezzo vollständig gestrichen und ein paar wesentliche Informationen über die Entwicklung des heranwachsenden Erzählers, der schließlich das Erbe seines ermordeten Halbvaters Starkloff antritt, auf der Anreise des Erben gegeben. Weiter wäre mein Rotstift vor allem in das langatmige Rührstück von der Häuslerstochter Christiane und ihrem gräflichen Verehrer gefahren, der zu Coras Vorfahren zählt. Der Verlust wäre verschmerzbar, gibt doch Lange im Grunde das gleiche Rührstück auch noch um Cora selber und ihre zeitweilige Rivalin Irene. Mit seinem Erzähler liebt Lange ätherische Frauengestalten, die sich bis ins Himmelsgewölk verflüchtigen; auf diese Weise werden sie gleichzeitig makel- und harmlos. Irenes Tod durch Ertrinken nimmt dem Erzähler die Entscheidung ab: nun kann er sich wieder der stolzen und launischen Cora annähern. Lange beschert uns ein Happyend mit der jungen Gutsherrin, zuzüglich Familienzusammenführung und Vereinigung der beiden größten Höfe des Dorfes Kaltwasser. Selbst der Krämer Hartmann, fälschlich des Mordes an Starkloff verdächtigt und überführt, ist glücklich: es gefällt ihm inzwischen im Nilbauer Zuchthaus besser als draußen, wo doch nur Krieg und Lug und Trug auf einen lauern.

Viele Indizien untermauern des Lesers Verdacht, im Grunde bewege den erzählenden Knaben und dann jungen Mann das gleiche Untergangsverlangen, das er an den AnhängerInnenscharen des schmierigen Predigers Smorczak beobachtet. Einmal bescheinigt er sich ausdrücklich, wohl »zu schwach und ängstlich« zu sein, um dem Leben standhalten zu können. Man fühlt sich an die Ausführungen des Erzbischofs aus Bergengruens erwähntem Roman erinnert, dessen üppiges Personal einer über Brandenburg hereinbrechenden »Sündflut« entgegen sieht. Die Menschen erhofften sich vom Untergang die Auflösung ihrer Verstricktheit in soziale und persönliche Unbilden, denen sie aus eigener Kraft nicht gewachsen seien. Das Verhängnis macht reinen Tisch. Die Flucht in einen weiblichen Schoß dagegen bleibt immer Episode. Nur der Tod erlöst vom Leben. Gewiß mischen sich öfter auch noch andere Motive in die Sehnsucht nach dem Untergang. An dem Lehrersohn und Smorczak-Jünger Haubold beobachtet der Erzähler die Potenzphantasien, die in der Regel die Frucht väterlicher Knute sind. Nach allem, was wir vom Erzähler (und seinem Autor) wissen, handelt es sich um ein Spiegelbild. »Jetzt fühlte er sich bereits als einen Sendboten der Gerechtigkeit; das Außergewöhnliche, das er immer entbehrt hatte, war ihm angetragen worden, und er hielt es gierig fest. Endlich bekam er eine Gelegenheit, sich über sein schäbiges Dasein zu erheben, die alle seine Träume übertraf, vielleicht maß er sich schon eine Bedeutung bei, welche sich durch nichts von der aller romantischen Bücherhelden unterschied, deren Leben er immer bewundert hatte; bald sollten die Augen aller Leute auf ihn gerichtet sein, und sein Name würde von Mund zu Mund gehen.«

Einen starken Kontrast zu solcher Erhöhung geben die Schilderungen des gemeinen Soldaten Lange vom Rußlandfeldzug. Das verlauste, frierende Elend und alle erlittenen Schrecken durch Granaten, Minen oder Bordkanonen stellen sowohl in den Tagebüchern wie in seinem Erzählungsband Die Leuchtkugeln, der 1944 erscheint, den Prospekt der Prosa dar. Verständlicherweise verarbeitet Lange hier auch seine eigene schwere Verwundung, die ihn im Dezember 1941 beim Sprengen von gefrorenen Bäumen ereilt. Splitter dringen ins linke Auge, das später operativ entfernt werden muß. Auf der einen Seite kann sich Landser Lange nun glücklich schätzen, aufgrund vieler Lazarettaufenthalte und schonender Posten in der Etappe vor weiteren Himmelfahrtkommandos bewahrt zu bleiben. Von seiner ganzen Kompanie (in der Regel 100 bis 150 Leute) überlebten (bei Stalingrad) lediglich drei Männer. Auf der anderen Seite ist er nun halbblind und wird zudem für den Rest seines Lebens von Kopfschmerzen geplagt. Im Verein mit seiner schon immer wackligen Gemütsverfassung hat er dadurch zunehmend Schreib- und Lebensprobleme, was nach Ansicht Oda Schaefers sowohl im Freundeskreis wie seitens der Kritik zu wenig berücksichtigt worden ist. Sie deutet einen beträchtlichen Alkoholkonsum ihres Mannes an. Das Ehepaar wohnt nach dem Krieg zunächst im bayerischen Mittenwald, ab 1950 in München. Hier stirbt Horst Lange auch – »an Blutstürzen durch eine Leberzirrhose« im Juli 1971.

Ich sagte, die Qualität seiner Erstlingsprosa habe Lange nie wieder erreicht. Noch vor seiner Einberufung verfaßt er Das Lied des Pirols und Ulanenpatrouille. Beide Werke übertreffen Schwarze Weide jedoch in der Weitschweifig-keit. Das 1946 veröffentlichte Romanfragment um den Pirol stelle ich andernorts vor. Den Gipfel seiner Umständlichkeit erreicht Lange mit seinem Roman Ulanenpatrouille, der 1940, also zu Kriegszeiten, herauskam. Gleichwohl scheint sich dieses Buch einiger Beliebtheit erfreut zu haben, bevor es durch die Sperrung des Papierkontingentes für die zweite Auflage faktisch verboten wurde. Diese Tatsache erstaunt. Eher hätte man ein Verbot der Schwarzen Weide erwartet, trägt doch Rattenfänger Smorczak unübersehbar Züge des bellenden Schnauzbärtchens aus Braunau. Die erste Auflage der Ulanenpatrouille betrug immerhin 29.000 Exemplare. Obwohl kitschverdächtig, erschien der Roman in der renommierten Frankfurter Zeitung als Vorabdruck. 1957 verbreitete ihn die Deutsche Buch-Gemeinschaft weiter. In seinem Kriegstagebuch erwähnt Lange mehrmals Kameraden, die seinen Roman kannten und lobten. Da hatten sie zum Ersatz für ihre schmutzstarrende Erniedrigung den feschen jungen Leutnant Friedrich von G. hoch zu Roß. Der hat sich dem bekannten Konflikt zwischen Pflicht und Neigung lediglich in Herbstmanövern des Jahres 1913 zu stellen. Zufällig führen sie ihn nach Gut Dubrowo, auf dem sich Bronislawa so unglücklich fühlt. Sie hatte ihm einmal in der Garnisonstadt bei der Fuchsjagd schöne Augen gemacht. Die Familie verheiratete sie mit einem greisen, fetten Grafen. Nun läßt der gutaussehende Leutnant einer Nacht mit der gleichfalls gutaussehenden jungen Gräfin im Gutsparkspavillon zuliebe seine Truppe im Stich. Als hätte uns der selten langatmige Zug ins Manöverfeld nicht schon genug gequält, verschlingt allein diese Nacht noch einmal 50 Seiten des Romans. Zur Strafe für seinen unmoralischen Abstecher in den Schoß der Gräfin (die davon prompt geschwängert wird, denn der alte Graf war zeugungs-unfähig) bricht sich der reumütig zur Truppe zurückgalop-pierende Leutnant in einem Dickicht den Hals.

Wie erwähnt, war Lange unter anderen mit Ernst Kreuder befreundet. Im Februar 1946 kommt der südhessische Mühlenbewohner brieflich auf eine Diskussion von Langes Ulanenpatrouille zurück. »Du meintest damals, es sei ganz gleich, ob Du einen Offizier oder einen beliebigen anderen Berufsträger zur Romanperson erwählst. Ich war anderer Meinung. Du wirst es heute auch sein. Auch der Beruf ist eine Angelegenheit der Gesinnung, der Beruf ist schon ein Bekenntnis.« In der Tat läßt sich in Langes Roman weder ein antimilitaristischer noch ein sozialkritischer Zug entdecken. Eher spielt »das Volk« eine verachtenswürdige Nebenrolle. Am schlechtesten kommen mal wieder die »Zigeuner« weg: während sie zu Beginn des Feldzuges mit einer Weissagung für den Leutnant vertreten sind, plündern sie am Romanschluß dessen Leichnam aus. Im Gegensatz zur Schwarzen Weide gestattet sich Lange ein paar Anflüge von Humor, doch das sentimentale Sujet und seine Beschreibungswut verderben alles. Lange liebt lange, gewundene Sätze. Es ist ihm nicht gegeben – etwa wie Tschechow – einen Charakter mit wenigen Strichen vor uns hinzustellen. Während Bronislawa trotz wortreichster Schilderung völlig konturlos bleibt, gibt er den greisen Grafen und dessen schmierigen Neffen Sigismund als Klischee. Lange gelingt es noch nicht einmal, den Zauber der Natur in unseren Herzen zu erwecken. Die Natur bleibt hier Kulisse. Da fragt man sich, wo Lange die Unverfro-renheit hernimmt, auf »volkstümlichen Klassizismus« zu pochen, zugleich jedoch Kreuders Gesellschaft vom Dachboden schlechtzumachen*, die einen solchen Orden durchaus verdient hätte.

Die vier Erzählungen Die Leuchtkugeln kamen 1944 heraus. Im Tonfall erinnern sie mich an Bücher, die Kreuder um 1960 schrieb. Jedenfalls ist Langes Sammelband erheblich genießbarer geraten als Pirol und Ulanen. Laut Helmut Heißenbüttel erschien die Titelgeschichte 1944 vorab in einer Zeitung. Für Carl Zuckmayer hat Lange mit den Leuchtkugeln »das beste Kriegsbuch« des Zweiten Weltkrieges, nämlich »das menschlichste« vorgelegt. Daran wage ich nicht nur verschiedener Kollegen Langes wegen zu zweifeln. Langes Mißachtung des »feindlichen« Volkes drückt sich zum Beispiel in solch einer Bemerkung aus: »In den Dörfern ringsum gab es genug, was uns sättigte.« Wieder jede Menge in Flammen stehender Dörfer, die Lange befremdlich »malerisch« schildert. Immerhin, als die Pioniere für Bauholz eine Scheune abreißen, fällt dem Erzähler auf: »Zu anderen Zeiten hätte ich es wohl bewundert, wie solide und kenntnisreich das hier gebaut war, Holz auf Holz und ohne einen einzigen Nagel – jetzt ärgerte ich mich nur, daß es uns soviel Mühe machte.« In der zweiten Erzählung gibt er sich sogar der Trauer um ein Bauernhaus hin, in dem sein Zug einquartiert war. Jedoch: »Solch ein schönes Haus, es stand da oben und dauerte mich, mehr als der Bauer und die Alte, mitsamt allen Kindern.« Das ist starker Tobak, aber immerhin aufrichtig. Sollte es »die moralische Kraft des Soldaten« bezeugen, »die ihn zu Widerstand und Angriff befähigte«, wie es einmal auf Seite 155 meiner Maschke-Ausgabe heißt, dann Gute Nacht.

Gegen diese Herzlosigkeit gehalten, wirkt Langes Frömmelei besonders unangenehm. Ohne Höhere Mächte tut er's so wenig wie Bergengruen mit seinem kurfürstlichen Romanpersonal. In den Tagebüchern spricht Lange salbungsvoll vom Verlust des Göttlichen als Grund der Verrohung der modernen Menschheit – als sei das fromme Mittelalter lieblich gewesen. Er leistet sich den Satz: »Die Kraft zur Vergöttlichung ist tot und verkümmert.« Im Protest gegen diesen verkümmernden Leichnam stellt er sich und alles andere unter »Gottes Wille«. Die Neigung zum Tod ist also korrekt mit Masochismus verbunden. Von diesem starken Zug sieht Organist Hermes aus den Leuchtkugeln auch seine Kriegsbeteiligung getragen. Zu Hause hatte er unter dem sattsam bekannten Widerspruch Kunst – Leben gelitten. Immer wieder sah er sich von jenen Niederen Mächten bedroht, die die Ordnung, die man sich mühsam geschaffen hat, gefährden, indem sie uns »ins Formlose reißen«. Sie tarnen sich gern als Frauen. Als Ausweg winkt notfalls der Krieg. Er wird zur läuternden Roßkur. Seine Härte und Erbarmungslosigkeit ermöglicht Hermes die Selbstfindung.

Unheil ist also nicht nur schlecht. Bei Laternenlicht in Brudzewo angekommen, werden die Brüder aus dem Pirol von einem Mädchen mit Handwagen abgeholt. Berthold spannt sich neben dem Mädchen vor die Deichsel. Überall, in der dunklen Bahnhofsallee und dann auf dem Marktplatz, scheinen Bedrohungen zu lauern, von denen man magnetisch angezogen werde. »Man muß ihnen in die Arme laufen, nur darum, weil sie einen erwarten.« Sie halten Abenteuer, Bewährung, Läuterung – oder den Trost des Todes bereit. Oda Schaefer schreibt, Lange habe die Gefahr geliebt, das Außergewöhnliche, die Probe einer Leistung. Er scheint gefährliche Zusammenstöße geradezu provoziert zu haben. Nicht selten war Alkohol im Spiel. So wurde »Weichei« Lange, wie man heute sagen würde, mehrmals in Schlägereien verwickelt, darunter auf dem Rußlandfeldzug. Im faschistischen Berlin entgeht er einer durch einen beleidigten Kriegsgerichtsrat beabsichtigten Verhaftung in einem Lokal nur durch eine geistesgegenwärtige Fluchthilfe durch den Kollegen Erich Kästner. Selbst mit dem verletzten Auge gerät er, noch zu Kriegszeiten, als Urlauber an der Grenze zum Elsaß »in eine gespenstische Schlägerei«, bei der dieses linke Auge noch mehr geschädigt und dadurch für eine operative Entfernung reif wird.

Die Frage, warum sich Lange derart hartnäckig mit Mächten anlegt, die ihn aller Wahrscheinlichkeit nach auf irgendeine Weise strafen würden, ist wohl nur noch eine rhetorische. Schaefer schreibt: »Immer wieder das Herausfordern der Gefahr, das Sichherausschleudern wie durch eine rätselhafte Zentrifugalkraft. Man sagte einmal von ihm, er suche den Tod wie jeder Deutsche – es war etwas anderes, der Dämon, das Nervöse, die Hypersen-sibilität gegen das Subalterne, das sich als beamtenhaft oder militärisch überlegen aufspielte. Höchst gefährliche Situationen beherrschten immer wieder sein Leben.« Ob dieser »Dämon« von Langes offensichtlich unverdauter Haßliebe zum Vater oder allgemeiner dem Verdruß daran genährt worden sei, als Säugling ungefragt in das eine oder andere Schicksal gepropft zu werden, lasse ich dahingestellt. Nicht selten treten beide Motive ohnehin Arm in Arm auf.

* Beide Angaben bei Hans Dieter Schäfer (Hrsg) im Nachwort zu Langes Tagebüchern aus dem Zweiten Weltkrieg, Mainz 1979, S. 308



Laughlin, Billy (1932–48), US-Schauspieler, Schüler, vielleicht auch Zeitungsjunge. Der kalifornische Bub hatte zwar schon mit acht Jahren (1940) beim Film debütiert und in etlichen erfolgreichen Kurzfilmen um Die kleinen Strolche sowie, neben Robert Mitchum und Simone Simon, in Joe Mays Kassenfüller Johnny Doesn't Live Here Any More mitgewirkt, aber dann, 1944, hielten ihn seine »vernünftigen« Eltern dazu an, erst einmal die Schule zu beenden. In der Tat soll »Froggy« Laughlin (dicke Brille, schrille Stimme) das Schülerleben diesseits des Rampenlichts durchaus genossen haben – bis zum 31. August 1948.

An diesem Tag, wohl gegen Abend, war der 16jährige mit einem gleichaltrigen Freund in La Puente (bei LA) per Cushman Motor Scooter unterwegs. Nach zeitgenössischen Presseberichten unternahm der heute witzig wirkende Motorroller auf dem »Valley boulevard« eine Art jähe Kehrtwende, worauf ihn ein entgegen kommender Lastwagen umfuhr, der angeblich nicht mehr ausweichen konnte. »Froggy« (von Frosch) hatte auf dem Rücksitz des Rollers gehockt. Er starb kurz darauf im Krankenhaus. Freund W., der Fahrer des Rollers, kam mit leichten Verletzungen davon. Der 25 Jahre alte Lkw-Fahrer blieb unbelangt. Laut Sterbeurkunde, so wird behauptet, waren die beiden Teenager nicht oder nicht nur zum Vergnügen, vielmehr »while at work« unterwegs – möglicherweise zwecks Zeitungszustellens. Zur Stützung dieser Annahme dient, soweit ich sehe, die eher freie Behandlung des angeblichen amtlichen Eintrags.* Jedenfalls standen die Freunde am nächsten Tag selber in den Zeitungen. Deren Berichte (siehe eingangs der verlinkten Diskussion) scheinen allerdings die verbreitete Geschichte mit dem Arbeitsunfall nicht unbedingt abzudecken. Durch diese Geschichte wird der ganze Vorfall jedoch interessanter, weshalb sie auch in Wikipedia (deutsch und englisch) zu lesen ist. Mehr noch, steigert sie unser Mitgefühl für die unglücklichen Jungen – wie im Kino.

Eine zweite Fragwürdigkeit stellen selbstverständlich Froggys »vernünftige«, auf Schulbesuch pochende Eltern dar. Für meinesgleichen sind Schulen schon immer Orte des Schreckens gewesen. Darüber sehen neuerdings viele Liberale und Linke gern hinweg, wenn sie die Schulschließungen im Zeichen der Göttin Corona beklagen. Schulen verdanken sich in Demokratien wie Diktaturen gleichermaßen der Anmaßung des Staates, seine BürgerInnen auch durch die von ihm verordnete sogenannte Allgemeinbildung zu normieren. Er maßt sich an zu wissen, was »man« wissen muß. In seinem Verständnis natürlich alles, was der Aufrechterhaltung seiner gut geschmierten Megamaschine nützt, die wiederum seiner Elite dient. In Wahrheit gibt es unter den Menschen – solange sie noch nicht erfolgreich angepaßt worden sind – eine derart große Vielfalt an Naturellen, Bedürfnissen und Lebensformen, daß sie alle ihrer eigenen, darauf zugeschnittenen Bildung oder auch Schwänzerei bedürften. Aber man läßt sie nicht. Schul-pflicht, Meldepflicht, Steuerpflicht, Versicherungspflicht, Sommerzeitpflicht, Wehrpflicht, Impfpflicht – Sie können darauf wetten: sobald die Enthaltungsrate bei den Wahlen unerwartet steil ansteigt, wird auch die Wahlpflicht eingeführt. Schließlich müssen sich die Pensionsberech-tigten im Bundestag irgendwie legitimieren.

Sind Sie Lehrer, werden Sie vermutlich einwenden, wenn jeder gerade unterrichten oder lernen dürfte, was und wie er wollte, bräche doch das Chaos aus. »Sollen die Behördenformulare von Analphabeten ausgefüllt werden? Die Fabriken von Leuten in Gang gehalten werden, die nicht bis drei zählen können?«

Ach du meine Güte! Nein, die Behördenformulare, die Fabriken und die Staaten müssen weg. Der Mensch der Zukunft lernt in selbstorganisierten Basisgruppen. Näheres dazu finden Sie, bei Interesse, unter A-17.

* »The Death of Froggy«, Diskussion auf The Little Rascals im Sommer 2013, bes. 6. Aug. 2:14am: https://littlerascals.proboards.com/thread/1259



Lee Kyung-hwan (1988–2012), südkoreanischer Berufsfußballer, seit 2011 gesperrt, da er mit rund 40 anderen Personen in einen fetten Wettskandal verwickelt war. Am 14. April 2012 sprang er in Incheon, einer Großstadt nahe Seoul, von oder aus einem vermutlich höheren Wohnhaus in den Tod. Damit war der 24jährige bereits der vierte Freitodler aus der Schar der Beschuldigten, wie Dan Orlowitz berichtete.* Bis dahin hatten sich zwei Spieler und ein Trainer umgebracht. Lee, gelernter Mittelfeldspieler, habe an der Unsicherheit seiner weiteren Lebensgestaltung gelitten, wenn auch schon erwogen, zur südkoreanischen Armee zu gehen. Da wäre er wahrscheinlich gar nicht so fehl am Platze gewesen.

Allerdings, die Zeiten ändern sich. Drohnen sind Trumpf, und sofern im Außendienst noch Soldaten benötigt werden, nimmt man Kampfroboter, die sind präziser und zuverlässiger. Heute laufen eher zuviele Leute auf diesem Planeten herum, wie man ja auch von Bill Gates hört. Heute träumen Personal- und Arbeitsamtschefs nicht von Niedrigstlöhnen und »Trainingsmaßnahmen«, sondern von Massenselbstmorden á la Jonestown. Die rund 1.000 Menschen umfassende, weitgehend isolierte Siedlung im Nordwesten Guayanas war von dem Sektenchef Jim Jones geschaffen worden, einem früheren Methodisten-Pfarrer aus den USA. Am 18. November 1978 kam es dort zu einer Art Showdown. Nachdem eine durchaus freundlich empfangene Delegation des US-Kongresses, die verschiedenen Vorwürfen nachgehen wollte, in der Tat auf einige Ungereimtheiten gestoßen war, wünschte Jones vermutlich einer Enttarnung zuvor zu kommen. Seine Gorillas verhinderten zunächst den Aufstieg des US-Flugzeuges, wobei es auch schon zu einigen Toten kam; dann ließ Jones seine AnhängerInnen zum Empfang eines Gifttrankes antreten, das Himmelreich sei nahe. Auf diese Weise wurde Jonestown, teils unter Androhung des Erschießens, nahezu entvölkert. Der Urwald war mit Leichen übersät. Auch Guru Jones kam um; ob durch Selbstmord, ist ungeklärt.**

* »Former K-League player Lee Kyung-Hwan commits suicide after match-fixing involvement«, Goal.com, 16. April 2012: https://www.goal.com/en/news/3800/korea/2012/04/16/3039296/former-k-league-player-lee-kyung-hwan-commits-suicide-after
** Berthold Seewald, »Für den Massenselbstmord mussten sie Schlange stehen«, Welt, 17. November 2018: https://www.welt.de/geschichte/article183999416/Massenselbstmord-Fuer-den-Gift-Cocktail-mussten-sie-Schlange-stehen.html




Leichsenring, Uwe (1967–2006). Der damalige Geschäftsführer der sächsischen NPD-Landtagsfraktion leistete sich im Sommer 2006 ein besonders leckeres »Kavaliersdelikt«. Zwischen Pirna und seiner Heimatgemeinde Königstein auf der Bundesstraße unterwegs, setzte der massige, gedrungene Volksvertreter mit seiner Mercedes-Limousine zum Überholen einer Autokolonne an, prallte jedoch auf einen ihm entgegen kommenden Lastwagen. Leichsenrings Fahrzeug wurde in zwei Teile gerissen; der Lastwagen geriet in Brand. Während Leichsenring, erst 39, noch an der Unfallstelle starb, wurde der Lkw-Fahrer mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus geflogen. Vielleicht wußte es der Verletzte bereits: Im Hauptberuf war Leichsenring, seit 2000, selbstständiger Fahrlehrer gewesen.

Wo bleiben die Linken? Wie erfüllen wir die Frauenquote? Wir schmuggeln einen »Maßstab« ein. Am Abend des 16. Januar 2002 per Autobahn von Bremen nach ihrem Wohnort Bremerhaven unterwegs, entschloß sich die Rechtsanwältin und SPD-Politikerin Hilde Adolf, Mitglied der bremischen Landesregierung, einen Lastwagen zu überholen. Wikipedia meint, dabei habe die 48jährige »aus ungeklärter Ursache bei einer Geschwindigkeit von etwa 160 km/h die Kontrolle über ihren Dienstwagen verloren« … Der von Adolf gelenkte, nun schleudernde Wagen flog aus der Bahn und prallte gegen mehrere Bäume. Auch sie starb noch am Unfallort. Gespräche mit dem Lkw-Fahrer und Untersuchungen sowohl des Fahrzeugwracks wie des Leichnams ergaben, laut Pressemeldungen, keine Anhaltspunkte für ungünstige äußere Einflüsse (Wetter eingeschlossen)*, technische Defekte oder »Vorerkrankungen«. Heute läge somit der starke Verdacht nahe, Adolf sei an Corona gestorben. Sie hatte zuletzt das Amt der Bremer Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales bekleidet. »Hilde bleibt der Maßstab«, überschrieb die Bremerhavener Nordsee-Zeitung am 9. Dezember 2010 einen Artikel, der eine soeben erschienene Biografie über die flotte Senatorin vorstellte. Im Raum Bremen sind ein Preis und mehrere Örtlichkeiten nach ihr benannt. Da sieht man, wie Leistung und Leichtsinn sich lohnen.

Der Chor der Trauernden ließ sämtliche friesischen Pappelhaine und Windradmasten erzittern, und ich stimme nachträglich ein. Vielleicht hätte Rechtsanwältin Adolf heutzutage noch nicht unbedingt für Zwangssterili-sationen plädiert, aber eine energische Vorkämpferin des Maskenzwangs wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gewesen. Die Maske erstickt ja nicht nur die Viren, sondern auch das lästige, von bestimmten Gesichtszügen hervorgelockte Mitgefühl. Kapuze auf, Kopf ab, zack – das wußten schon so manche herzöglichen Henker oder Leibgardisten Allahs zu schätzen.

* Nobis / Frischemeyer, »Tragischer Unfalltod der Bremer Sozial-senatorin«, Welt, 18. Januar 2002: https://www.welt.de/print-welt/article369348/Tragischer-Unfalltod-der-Bremer-Sozialsenatorin.html



Lema, Tony (1934–66). Laut deutscher Wikipedia endete das Leben des US-Profigolfers und Playboys (mit 32) »jäh und tragisch«. Dabei hatte er als junger Marine-Soldat sogar den Korea-Krieg überlebt! Anschließend in der Heimat zunächst als Golflehrer erwerbstätig, stieg Lema ab 1962 nahezu raketenartig in die Weltspitze seines Betuchten-Sportes auf. Sein tragisches Schicksal schlug Ende Juli 1966 bei Chicago auf einem Golfplatz zu, der günstiger- und tückischerweise unweit des Lansing Municipal Airports lag. Auf dem Golfplatz sollte Lemas nächstes Turnier stattfinden. So hatte er am Ort seines vorausgegangenen Auftritts, in Akron, Ohio, eine kleine Privatmaschine angeheuert, doch leider ging dieser Beechcraft Bonanza just beim Begutachten der nahe des Flughafens gelegenen Wettkampfstätte der Treibstoff aus – Absturz und Feuersbrunst, und zwar am 17., dem vorletzten Loch des Platzes, wie der zuweilen gutinformierte Spiegel wußte.* Damit hatte sich Lemas Antritt beim gebuchten Turnier des Lansing Sportsman's Clubs erübrigt. Auch seine Gattin Betty (30) und zwei Piloten bissen bei dem »crash« ins Green. Das Wochenblatt verzichtete übrigens auf die von Wikipedia gesichtete Tragik und hielt seinen Lesern stattdessen die einträglichen Geschäfte der ProfigolferInnen vor Augen.

Fast möchte ich glauben, vom exzessiven, meist unbe-denklichen Einsatz des Wortes »Tragik« in unseren Medien werde sogar »Verschwörungstheorie« übertrumpft. Achten Sie einmal darauf, es ist wunderbar widerlich. Mein alter Brockhaus (Band 22 von 1993) behauptet, »tragisch« bedeute 1. schicksalshaft. Demnach liegt in allen bislang angeführten »tragischen« (Un-)Fällen ein Verhängnis vor. Der Bergsteiger konnte nichts dazu. Er folgte dem schicksalshaften, unerforschlichen Ruf der Berge, als er seine Eisen in den Fels schlug und in einem Spalt desselben landete. Nach gleichem Schema werden die SpringreiterInnen auf die Pferderücken und die Senatorinnen hinter ihre Lenkräder gezwungen. Ein anderes, weniger antikes Wort für Schicksal wäre vielleicht Sachzwang, aber das wäre schon fast zu genau. Man könnte ins Nachdenken kommen. Der Zweck der Übung, so gut wie jedes »schlimme« oder »schreckliche« Ereignis dem erfolgreich globalisierten, gummihaften Bezirk der Tragik zu überantworten, liegt aber gerade darin, uns vom Nachdenken zu entlasten. Weder sollen wir argwöhnen, bei bestimmten häufigen Unfällen liege die Grundschuld bei geradezu irrsinnigen und gemeingefährlichen, wenn auch den Aktienkursen und dem »sozialen« Ansehen sehr zuträglichen Gepflogenheiten des Transportes, des Sportes oder des Wirtschaftens überhaupt; noch sollen wir zwischen unterschiedlichen, jedenfalls nicht gleichzeitig erfolgten Unfällen differenzieren.

Wie sich versteht, kann die gutgeschmierte Megamaschine keine Differenzen gebrauchen. Einzelheiten lenken nur ab. Sie lassen die Maustaste einfrieren, während es doch viel günstiger ist, wenn wir hübsch weiterspringen. Sollte mithin, Brockhaus zufolge, »tragisch« 2. erschütternd bedeuten, dann kommt es darauf an, durch erbarmungs-lose Gleichmacherei jede Erschütterung gerade zu vermeiden. »Ja, schrecklich«, gähnt der Online-Redakteur, klickt rechts weiter und schiebt sich mit Links das nächste Stück Pizza zwischen die Zähne. Die Pizza hat ihm ein maskierter Bote gebracht. Er selbst arbeitet maskenfrei. Seine Maske ist der mit Schlagworten und Gemeinplätzen gespanzerte Bildschirm.

* »Tod am 17. Grün«, 21. August 1966: https://www.spiegel.de/sport/tod-am-17-gruen-a-a8399a30-0002-0001-0000-000046414036?context=issue



Litten, Hans (1903–38), jüdischer linker Rechtsanwalt, erhängte sich mit 34 eigenhändig im KZ Dachau, wie zumeist angenommen wird. In meinem 24bändigen Brockhaus (Band 13 von 1990) kommt er nicht vor. Der Rockmusiker Little Richard war wichtiger. Selbstver-ständlich muß Litten als Mordopfer begriffen werden. Eine Flucht hatte er mit dem Argument verworfen, viele Tausend deutsche ArbeiterInnen müßten ebenfalls im faschistischen Deutschland ausharren, weil ihnen die Mittel zur Flucht fehlten. Einige von ihnen hatte er vor Strafen bewahrt. Prompt wurde auch Litten am frühen Morgen des 28. Februar 1933, während der Reichstag noch qualmte, aus dem Bett geholt und in »Schutzhaft« genommen.

Der Sohn eines reaktionären preußischen Justizrates und einer künstlerisch interessierten Ingenieurstochter hatte schon früh ein starkes Gerechtigkeitsempfinden ausgeprägt. Er schloß sein Jurastudium in Berlin ab und ließ sich dort 1928 gemeinsam mit seinem in der Roten Hilfe engagierten Kollegen Ludwig Barbasch als Anwalt nieder. Zu den Höhepunkten von Littens Laufbahn zählte der Edenpalast-Prozeß vom Mai 1931, bei dem es um einen SA-Überfall auf proletarische Besucher eines Tanzlokals ging. Es gelang Litten, Adolf Hitler vorzuladen und derart in die Enge zu treiben, daß sich der zukünftige »Reichskanzler« in einem Wutanfall bloßstellte. Das vergaß er Litten selbstverständlich nicht. Im selben Jahr brachte der rote Rechtsanwalt durch eine Finte (Jungkommunist Heidrich ohrfeigt Polizeipräsident Zörgiebel) ein Gericht zu dem Eingeständnis, am sogenannten Blutmai 1929 habe es ohne Zweifel antikommunistische Exzesse der Berliner Schutzpolizei gegeben. Gleichwohl wird Karl Friedrich Zörgiebel nie belangt. 1953 erhält er (für 32 tote und rund 200 zum Teil schwer verletzte Demonstranten oder Schaulustige) das Große Bundesverdienstkreuz, diesmal in der Bonner Demokratie.

Die folgenden Angaben entnehme ich vorwiegend Irmgard Littens Buch über ihren ermordeten Sohn, das erstmals 1940 in mehreren Ländern zugleich erschien.* Danach war Hans Litten, obwohl weit links stehend, erklärtermaßen parteilos. Olden nennt den jungen Berufskollegen einen »revolutionären Christen«, spricht von seinem »heiligen Eifer«, seiner Sorgfalt, seiner Uneigennützigkeit. Daher auch jene Weigerung zu fliehen, obwohl, wie seine Mutter versichert, im Ausland ein Haus und ein Geldguthaben auf ihn warteten. In linken und liberalen Kreisen genoß er einen hohen Ruf. Nach Irmgard Litten beziehungsweise den vielen Zeugnissen, die sie anführt, war ihr Sohn auch in der mehrjährigen Haftzeit vielverehrt. Er galt als vorbildlich, äußerst gelehrt und strikt solidarisch, verriet also auch niemanden, obwohl er wiederholt Zeiten schwerer Mißhandlungen und Folterungen durchzumachen hatte. Vom erschreckend verbreiteten Sadismus des Nazi-Personals einmal abgesehen, verdankte er diese Qualen vornehmlich jenem Zusammenstoß mit Hitler vor Gericht, sodann seiner Weigerung, das Anwaltsgeheimnis zu brechen und erwünschte Auskünfte über andere Strafsachen zu liefern. Lieber unternahm er an Gipfelpunkten der Züchtigung (mehrere) Selbstmordversuche, etwa mit Zyankali, das seine Mutter, die ihn, soweit gestattet, unermüdlich besuchte, oder andere Freunde besorgt hatten. Wie er immer wieder zu Heiterkeit und Tatkraft zurückfinden konnte, ist schwer zu verstehen. Neben seiner Gerechtigkeitsgläubigkeit spielten wohl Gutherzigkeit und ein asketischer Zug mit. Litten war in der Freiheit strenger Vegetarier, also auch Tierfreund gewesen. Daneben liebte er Kinder, hatte aber selber offenbar keine.

Und ja, er liebte das Recht. Ob er vielleicht auch Rechthaber war, kann ich schlecht beurteilen. Ohne Zweifel ging sein »asketischer Zug« mit einer gewissen Sturheit einher, mit der er in seinen vielen Diskussionen und KZ-Lehrveranstaltungen seine zum Teil recht abseitigen Auffassungen verfocht, ob sie nun politische Maßnahmen oder die Rolle des Mittelhochdeutschen im Schulunterricht betrafen. Vielleicht war er in dieser Hinsicht gerade nicht sonderlich duldsam. Sollte er also auch einen fanatischen Zug besessen haben, scheint mir doch sicher, obwohl es nirgends ausdrücklich gesagt wird, daß er konsequent friedliebend war, es also verabscheute und ablehnte, irgendetwas, ob Meinung, Parteilinie, Recht, Unrecht oder Laune, mit Machtmitteln durchzusetzen. Andernfalls wäre er Kommunist geworden, nicht revolutionärer Christ. Olden weist sehr richtig und fast unübertrefflich prägnant darauf hin, Wert und Würde jeder Rechtsprechung beruhten hauptsächlich auf der Unvoreingenommenheit der Richter und der Glaubwürdigkeit der Zeugen und des Eides. Also nicht etwa hauptsächlich auf Buchstabengläubigkeit, wie ich schon früher wiederholt betont habe. Doch in jener »Welt des Kampfes und der moralischen Abstumpfung« um 1930 sei dieses Fundament mehr und mehr der »Parteileidenschaft« zum Fraße gefallen, also dem Clandenken, der Eigennützigkeit, der Vorteilsnahme, dem Kampf um die Macht. Selbstverständlich schließt dieser Machtkampf nicht nur die Rechtsbeugung, sondern den Betrug mit allen Mitteln ein. Und sehe ich mich um, haben wir dieses Klima, bei dem man das Recht getrost in der Pfeife rauchen kann, heutzutage, um 2020, schon wieder. Auf allen Kanälen wird schöngefärbt und verleumdet; auf allen Kanälen wird zur Lüge erzogen; der aufrichtige Mensch gilt bereits als krank.

Littens Schicksal erinnert in vielem an den anarchistischen Schriftsteller Erich Mühsam, den seine Mutter auch wiederholt erwähnt. Allerdings wissen wir, im Unterschied zu Mühsam, in puncto Liebschaften Littens, auch durch seine Mutter, rein gar nichts. Vielleicht war er auch in dieser Hinsicht entsagungsvoll, eben ein »Heiliger«, aber offenbar um keinen Deut hochnäsig, obwohl er »aus guter Familie« stammte. Als junger, unermüdlicher Rechts-anwalt in Berlin hatte er, laut Mutter, eine »Sekretärin« namens Margot Fürst, die bei seiner Verhaftung (1933) erst um 20 war. Seine Geliebte war sie kaum. Sie wohnten zwar auch zusammen, jedoch gemeinsam mit Margots Gatten Max Fürst, einem Tischler und Jugendfreund Hans Littens, und den Kindern dieses Ehepaares. In dieser gemeinsamen Wohnung war Litten verhaftet worden.

Margot beteiligte sich dann beträchtlich an den geradezu titanischen Bemühungen seiner Mutter um Haftverbesserung und Freilassung. Übrigens gibt Frau Litten zahlreiche Gespräche derart ausführlich wieder, daß man ihr Gedächtnis gewaltig nennen muß, desgleichen ihren Fleiß, mit dem sie diese Gesprächsszenen entweder gleich zu Hause protokolliert oder aber später erinnert hat. Man gewinnt den Eindruck, der etwas schwülstige Titel ihres Buches sei nicht verfehlt, nämlich sie habe fünf Jahre lang nur für die Rettung ihres Sohnes gelebt. Dabei bleibt sie stets bescheiden und hält sich selber und den Rest der Familie im Hintergrund. Selbst von ihren Gefühlen, darunter vor allem Sorgen, Ängste, Gram, gibt sie wenig preis. Als junge sächsische Ingenieurstochter und Liebhaberin der Kunstgeschichte war Irmgard betrüblicherweise an den weit rechts stehenden Juristen Fritz Litten geraten, der es (in Königsberg) bis zum Universitätsrektor, »Geheimen Justizrat« und Berater der preußischen Regierung brachte. Sein Verhältnis zu Sohn Hans war »schlecht«. Dafür wurde Irmgard Litten in ihrem Kampf von Hans' Brüdern Rainer und vor allem Heinz unterstützt, beides (linke) Theaterleute. Rainer, auch Filmschauspieler, floh vor Verfolgungen, über Frankreich, in die Schweiz; Heinz, als Dramaturg in Chemnitz gefeuert, harrte noch aus. Nebenbei war der ganze Kampf natürlich sehr kostspielig, aber am Geld scheiterte in diesem Fall nichts. Zudem konnte Irmgard Litten zahlreiche »Beziehungen«, teils zu Ministern, in die Waagschale werfen – vergeblich. Man kann daraus ersehen, welche Kragenweite dieser Todfeind der Faschisten (und von Hitler persönlich) namens Hans Litten besessen haben muß. Ferner ist es, bei der Vornehmheit seiner Mutter, umso erstaunlicher, wenn diese wiederholt keinen Hehl aus ihrem Haß auf die Faschisten macht. Sie träumt sogar von Rache, Abrechnung, Vergeltung.

Was daraus wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. 1933 amtsenthoben, ging ihr Gatte mit ihr nach Berlin, und dann, bald nach dem Tod von Sohn Hans, nach London ins britische Exil. Dort arbeitet Irmgard Litten an ihrem Buch sowie, zwecks Geldverdienst, für das »Informations-ministerium« und die BBC. 1950, schon verwitwet, kehrt sie nach Deutschland zurück – und zwar nach Ostberlin. Dort stirbt sie drei Jahre darauf mit 73. Eine schwerge-prüfte und bewundernswerte Frau.

* Eine Mutter kämpft gegen Hitler, hier DDR-Ausgabe Rudolstadt 1985, Originalvorwort von Rudolf Olden



Litton, Jerry (1937–76), Viehzüchter und Politiker aus Chillicothe, Missouri, USA. Er hatte zuletzt eine Wahl zum US-Senat gewonnen, konnte seinen Sitz aber nicht mehr einnehmen, weil er auf dem Weg zur Feier seines Wahlsieges – die Party sollte in Kansas City, Missouri, steigen – aufgrund eines Maschinenschadens schon unweit seiner Ranch mit einem Kleinflugzeug in ein Sojabohnen-feld stürzte. Das war am 3. August 1976. Die Beechcraft Baron explodierte und brannte aus. Alle sechs Insassen kamen um. Das waren, laut englischer Wikipedia, neben Litton (39) dessen Gemahlin Sharon, seine zwei Kinder Linda und Scott (um 13), der Pilot Paul Rupp Jr. und ein Sohn von diesem, Paul Rupp III.

Vermutlich hätte ich an solchen Vätern wenig Geschmack gefunden. Kürzlich kam mir im Internet John Sturges' Italowestern Wilde Pferde (auch Chino genannt) von 1973 unter. Ich gestehe, ich blieb gefesselt daran hängen, obwohl ich seit Jahrzehnten ein Verächter allen Kinos bin. Dieser bemerkenswert ruhige, schlichte Film erspart dem Publikum immerhin Effekthascherei und Happyend. Eigenbrötler Chino Valdez, ein Halbblut und Züchter von Mustangs, weicht der Niedertracht und der Übermacht seiner »zivilisierten« Feinde. Die Frau, die er heiraten wollte, schlägt er sich aus dem Kopf. Er läßt seine Herde laufen, brennt seine Ranch nieder und verschwindet. Sogar den Jungen gibt der von Charles Bronson gespielte »misfit« frei. Der blonde Jamie, um 15, war ihm zugelaufen. Vincent van Patten, geboren 1957, bewältigte diese Kinderrolle ausgezeichnet. So einen hätte ich vielleicht als Enkel und Gralshüter meiner weitgehend unbekannten musikalischen und literarischen Werke akzeptiert, darunter die Betrachtung »Klappe zu, Affe tot« – mehr wird hier nicht verraten. Aber nein, Van Patten zog es vor, Filmstar, Tennisas, Sportreporter und Pokerspieler zu werden, wie im Internet zu erfahren ist. In sieben Poker-Turnieren soll er unlängst über 100.000 Dollar eingespielt haben, das ist doch recht beachtlich. Meine Werke hätten das nicht abgeworfen.



Löbel, Renatus Gotthelf (1767–99), ein möglicherweise wichtiger Kollege von mir, Lexikograf. Der Sohn eines sächsischen Finanzbeamten hatte zunächst Jura studiert und machte darin (1791 in Leipzig) seinen Doktor. Er warf sich jedoch zunehmend auf Schriftstellerei und Rhetorik. Ab 1796 war er Mitherausgeber und Redakteur eines Conversationslexikons mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten, das ihn ziemlich bekannt machte. Für ihn reichte es allerdings nur zu drei Bänden, weil er bereits 1799 unter die Erde kam, 31 Jahre alt. Das Werk wurde 1808 von Friedrich Arnold Brockhaus gekauft und stellte damit einen Vorläufer der heutigen Brockhaus Enzyklopädie dar.

Löbels Todesumstände? Seine Gesundheit? Gar seine sonstigen persönlichen Verhältnisse? Eine komplette Fehlanzeige. Habe ich nichts übersehen, ist die Quellen-lage zu Löbel äußerst betrüblich. Selbst in der Sächsischen Biografie wird man mit ein paar statistischen Angaben abgespeist.* Stadt- und Staatsarchivare aus Leipzig machen sich immerhin die Mühe mir mitzuteilen, sie wüßten beziehungsweise fänden leider auch nicht mehr.

Vielleicht nehmen Sie alternativ mit meiner Betrachtung »Das Schein-Lexikon« vorlieb, A-18.

* https://saebi.isgv.de/person/snr/24183



Löffler, Sigmar (1896–1977). Vermutlich war er nicht aufgrund seines brennenden Wunsches zu Welt gekommen, Stadtchronist von Waltershausen zu werden. Er stammte aus Herbsleben an der Unstrut, wo seine Eltern eine kleine Landwirtschaft betrieben. Im nahen Gotha besuchte er das Lehrerseminar. Als Teilnehmer am Ersten Weltkrieg war er verwundet worden, zum Zweiten brauchte er dann nicht mehr anzutreten, selbst vom »Volkssturm« blieb er verschont. Soweit ich weiß, war er bereits in den 20er Jahren Lehrer an der Waltershäuser Grundschule, später Realschule geworden. Dort blieb er, bis zu seiner Pensionierung um 1960, sowohl im »Dritten Reich« wie in der SBZ/DDR, nur hieß die Einrichtung zuletzt Polytechnische Oberschule. Zeitweilig war er sogar Schulleiter. Er unterrichtete u.a. Deutsch und Erdkunde. Den Faschismus scheint der treue SPD-Wähler wie so viele Intelektuelle überstanden zu haben, indem er sich bedeckt hielt. Übrigens hatten die sogenannten Sozialdemokraten ihren Gründungsparteitag in Eisenach (1869), ihren ersten Vereinigungsparteitag in Gotha (1875) abgehalten, gleichsam links und rechts von Waltershausen, falls man von Süden blickt. Vor 1933 war Waltershausen, das vor allem Gummiindustrie aufwies (Conti), nacheinander Hochburg der SPD, der USPD und der KPD gewesen. Damit war das hiesige Proletariat gleich dreimal auf die Schnauze gefallen.

Möglicherweise trat Löffler nach Kriegsende in die SED ein, doch ein strammer Funktionär war er so wenig wie ein überzeugter Kommunist. Im Gegenteil verweigerte er sogar die Erlaubnis, das Manuskript für den geplanten Band II seiner Stadtgeschichte (Arbeiterbewegung!) im Sinne der geforderten Parteitreue umzuschreiben, womit es ungedruckt in seiner Schublade verblieb. Wahrschein-lich war das sein einziger Fall von offener Auflehnung. Auch eine Bemerkung seines Sohnes Lorenz G. Löffler (in Band I/2 S. 414) unterstreicht die Vermutung, Löffler senior habe sich beiden Regimen, Faschismus und Kommunismus, grundsätzlich anzuschmiegen gewußt, also Konfrontation vermieden. Lorenz G. Löffler gab nach 2000 das Gesamtwerk seines Vaters heraus, wobei er noch viel ergänzte und verbesserte. Dieses einzige Kind, geboren 1930, war Ethnologe und hatte zuletzt einen Lehrstuhl in Zürich inne. Anschließend lebte Löffler mit seiner gleichfalls aus Waltershausen stammenden Frau Brigitte am Bodensee. Es heißt, er saß die letzten Jahre im Rollstuhl, rauchte aber nach wie vor Kette. Er starb 2013. Aus einigen Anmerkungen im väterlichen Werk geht hervor, daß er auch nach der Einkassierung der DDR und der gesamtdeutschen Phase Rotgrün (um 2000) entschiedener Gegner des Kapitalismus geblieben war.

Während Lorenz ein umgänglicher Mensch gewesen sein soll, wird sein Vater zumeist als »sehr streng«, mitunter sogar hochmütig geschildert. Dessen Mund habe meist ein zynisches Lächeln umspielt, erzählt mir ein ehemaliger Schüler. Das würde sich mit dem Foto in Band II decken. Löffler soll ungewöhnlich gebildet und vielseitig begabt gewesen sein, er zeichnete und malte gern und übersetzte französische Gedichte (von Baudelaire, Rimbaud und Verlaine), die sogar im Inselverlag der DDR erscheinen durften, da sie Devisen brachten. Wahrscheinlich fühlte er sich im Provinznest Waltershausen, wo man zu allem Unglück ein furchtbares Deutsch sprach, im Grunde fehl am Platze oder herabgesetzt, jedenfalls zu wenig gefordert und gewürdigt, was jenen hochmütigen Zug erklären könnte. Seine Frau, die wohl vor ihm unter die Erde kam, ist offenbar nicht weiter hervorgetreten. Die Familie wohnte in einem Mehrfamilienhaus, das inzwischen abgerissen worden ist, oberhalb des Waldplatzes zur Miete. Auf Reichtum war Löffler nie aus gewesen. Als er 1977 starb, hatte er gerade die 80 überschritten.

Es wäre allerdings nicht so falsch, seine umfangreiche Stadtgeschichte als Schatz aufzufassen. Der Heimatforscher Löffler muß im Erjagen und Eintragen nützlicher Beute bienenfleißig und geradezu besessen gewesen sein. Wie Kenner zuweilen scherzen, hätte nicht viel gefehlt, und er hätte in den Archiven (vor allem von Gotha und Weimar) sein Feldbett aufgeschlagen. In meinen eigenen Betrachtungen greife ich seit Jahren auf sprechende Details zurück, die ich Löfflers Schatztruhe verdanke. Im ganzen liegen heute fünf heimatkundliche Bücher von Löffler vor, von denen sich allein drei mit Waltershausen befassen. Dabei sind seine Details stets in zeitgeschichtliche und überregionale Zusammenhänge eingebettet. Löffler war keine Stadtmaus, die nur bestimmte Kornspeicher und Speisekammern kennt. Genauso wenig ließ er sich oder fragwürdigen Quellen Spekulationen durchgehen. Dürfte es schon schwierig sein, von anderen, vergleichbaren Städtchen um 10.000 Einwohnern überhaupt so etwas wie eine »richtige«, gedruckte Stadtgeschichte aufzutreiben, dann sehr wahrscheinlich nicht eine, die es in der Materialfülle und der Sorgfalt mit Löfflers Arbeit aufnehmen könnte. Zu allem Überfluß ist sie auch noch gut lesbar geraten, wobei vermutlich Löffler junior durch seine nachträgliche Bearbeitung zur Hilfe kam.

Erfreulicherweise wäre es gelogen, Löffler auch noch Unparteilichkeit zu bescheinigen. Sein Geist ist kritisch und skeptisch genug, um offiziellen Verlautbarungen zu mißtrauen und sich im Zweifelsfall auf die Seite der Kleinen Leute zu schlagen. Wolfgang Medding, Autor einer lediglich einbändigen Stadtgeschichte der »großen Kreisstadt« Korbach, in der ich einige Jahre lebte, hielt es genau anders herum. Dieser gelehrte Fürsten- und Bürgermeisterknecht hätte in Löfflers mittelalterlichem Waltershausen vielleicht den Posten eines »Bierrufers« bekommen. Zum Torwächter hätte er keinesfalls getaugt. Löffler meint, mit einiger Sicherheit sei Waltershausen bereits um 1200 Stadt gewesen. Das bedeutet, der Ort durfte Markt abhalten, Bier brauen und andere Handwerke ausüben, sich bewaffnen und befestigen, in leichteren Fällen Recht sprechen und sich über dies alles eine Ratsverfassung geben. Am Ausgang des Mittelalters, um 1500, zählte der Waltershäuser Stadtrat 12 Köpfe, die meistens betrunken waren. Das Objekt ihrer Tafel- und Schwafeleien war noch immer winzig. Innerhalb des Mauerrings lebten um 1500 lediglich rund 140 »Männer«. Alle übrigen zweibeinigen BinnenbewohnerInnen hinzugenommen, darf man wohl von bestenfalls 500 Städtern und Städterinnen ausgehen. Die Kindersterblichkeit war ja hoch.

Trotz seiner Enge wies der Mauerring sieben Türme auf, wozu noch der alles überragende mächtige Stadtkirchturm und der etwas außerhalb gelegene Töpfersturm kamen, den ich bereits früher gewürdigt habe. Die wichtigsten Türme, mindestens drei, wurden von angestellten Torwächtern bewacht. Die Wächter wohnten unmittelbar über oder neben dem Tor. Oft dienten solche Stadttürme auch als Gefängnisse. Wie von Löffler nicht erwähnt wird, freilich auf der Hand liegt, forschten die Torwächter auch aus. Torwächterinnen gab es vermutlich nie. Sie spähten also eifrig, fragten den Leuten Löcher in den Bauch und ließen sie ein und aus – sofern man nicht »nach Toresschluß« kam. Zumindest in Krisenzeiten dürfte es Paßwörter und Fallgitter gegeben haben. Auswärtige oder BürgerInnen mit Sonderwünschen hatten Torgeld zu entrichten, also einen Zoll. Schlauköpfe und Pfeffersäcke fanden selbstverständlich stets ein Hintertürchen, etwa im Kloster. Die Nachtwächter, die innerhalb des Mauerrings als eine Art Polizisten Streife gingen, wurden kurzerhand bestochen. Wenn es hoch kam, liefen oder ritten die Torwächter, als »Flurschütz«, die Stadtmauer zuweilen von außen ab. Sie waren in der Regel absonderlich und entsprechend auffällig gekleidet, womit sie sich sowohl von Soldaten wie von Handwerkern und Kaufleuten unterschieden. Vielleicht standen sie den Spaßmachern nahe, den späteren Clowns.

Türmer waren, wie mich andere Quellen belehren, meist zugleich Musiker, Stadtpfeifer. Statt Handy hatten sie Horn und Tüte (Sprachrohr), um die Bürgerschaft ins Bild setzen zu können. So mancher auswärtige, anderswo verstoßene oder geflohene Missetäter wurde als Türmer einer Stadt wieder heimisch. Grundsätzlich zählten die Türmer ohnehin zu den »unehrlichen« Leuten, was bedeutet, ihr Gewerbe war nicht ehrbar, nicht angesehen, wie wir es auch vom Scharfrichter und vom Abdecker wissen. Man fragt sich allerdings, wie sich die Unehrbar-keit eines Türmers mit seiner Verantwortung, seinem Einfluß verträgt. Immerhin konnte er die Stadt dem Feind oder dem Feuer überantworten, wenn er dazu Lust hatte. Der Waltershäuser Türmer (oder »Hausmann«) bewohnte ein abschließendes Fachwerkgeschoß, das der hiesige steinerne Stadtkirchturm einst unterhalb seines (damals noch spitzen) Daches aufwies, den Gaden. Seit ungefähr 1480 soll der Turm zudem, vermutlich just am Gaden, mit einem »Seyger« versehen gewesen sein, für dessen Bedienung sich die Stadt womöglich eigens einen »Seygersteller« leistete. Löffler spart hier jede Erläuterung ein. Ich nehme an, der Zeigersteller betreute eine einfache, nur unter Mucken »gehende« mechanische Turmuhr, wie sie bereits im Jahrhundert vorher aufgekommen war. Sie zeigte lediglich die Stunden an. Damit hätte man keinen 100-Meter-Lauf (zum Fabriktor und der Stechuhr) stoppen können.

Vielleicht ähnelte der durchschnittliche thüringische Stadttürmer einem Kloß, weil er verständlicherweise sein Weib oder seine Gören die 300 Sandsteinstufen hinabscheuchte, wenn der Bierrufer mitgeteilt hatte, wo der Stoff heute zu haben sei, oder wenn das Brot alle oder im Rathaus der nächste Lohn fällig war. Die schlankeren Büttel waren wahrscheinlich Tag- oder Kirchenwächter, wie sie auch genannt wurden. Ihre Aufgabe bestand zum einen darin, während der Zeit des sonntäglichen Gottesdienstes in den verwaisten Gassen Feuerwache zu schieben und nach Dieben auszuspähen. Zum anderen hatten sie jedoch dafür zu sorgen, daß auch ein jeder Christenmensch zur Kirche ging. Sie selber und vermutlich die Türmer ausgenommen, wie sich versteht – sicherlich ein begehrter Posten. Vom Kirchgang befreit waren lediglich Mütter von Kleinkindern, Kranke und Gebrechliche, lese ich in einer anderen Quelle. SchwänzerInnen wurden gemeldet und bestraft. Unter der Woche waren die Kirchenwächter vielleicht an den Stadttoren, als Bierrufer oder mit dem Aufschichten der nächsten Holzstöße für KetzerInnen beschäftigt. Grundsätzlich kann Löffler, ganz im Gegensatz zu dem erwähnten Medding, nicht die Bohne vorgeworfen werden, er gebe das frühe Stadtleben als Schäfer- oder Bieder-meierszene. Allein was Verdächtigungen angeht, hagelte es Tag für Tag. Auch der Betrug war allgegenwärtig. Im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg versichert Löffler, als Historiker habe man hier durch einen »üblen moralischen Sumpf« zu staken – ein Sumpf aus »Aberglauben, Dummheit, Mißgunst, Gewinnsucht und Bosheit, wie man es in einer so schrecklichen Zeit, inmitten von Zerstörung, Verwahrlosung, Erpressung, Quälerei und Mord auch kaum anders erwarten konnte.«

Für mich streckt sich die »schreckliche Zeit« unaufhörlich, denn 2014 erwarte ich auch nichts anderes. Oder sollten die gezielten und gebündelten Verleumdungen aufmüp-figer Geister durch die zeitgenössischen Massenmedien höflich sein? Die heimtückische Kriegsführung mit Bombern, Killerdrohnen oder wahlweise sogenannten »Sanktionen« netter als das Berennen oder Aushungern eines mittelalterlichen Städtchens? Übrigens zähle ich zu den Schrecken auch den Lärm. Auch er hat tiefe Wurzeln. Löffler sagt es zwar nie, aber weder in den Turmstuben noch in der Stadt überhaupt kann es um 1500 oder 1800 idyllisch ruhig gewesen sein. Man denke nur an die Türmer selbst, diese Ohrenbläser, außerdem an das rasselnde Pflaster, die klappernden oder hechelnden Mühlen, die hämmernden Schmieden, das Vieh, die Gören, die keifenden Mütter, die brüllenden Väter, die Bierrufer und Marktschreier – und dies alles bei dieser Enge! Am engsten war es im Pranger, der – im Falle des gemeinten Modells – auch noch Trillerhäuschen hieß. Es handelte sich um einen röhrenförmigen Käfig, der sich dank einer Art Töpferscheibe in Rotation bringen ließ, bis einem der Mageninhalt des eingesperrten Rauf- oder Trunkenboldes ins Gesicht flog. Oder Auge um Auge, Zahn um Zahn, wegen der christlichen Nächstenliebe. Doch ich wette darauf, selbst innerhalb des gesamten Mauerrings dürfte es damals so gut wie kein Plätzchen gegeben haben, wo einer ungestört an seine neue Flamme oder an die ihm verhießene Laufbahn als Mediziner denken konnte.

Damit spiele ich auf Antonius an, den Sprößling des Waltershäuser Bürgermeisters Stephan Juncker. Er brachte es bis zum Leibarzt des Weimarer Herzogs Johann Wilhelm I., starb allerdings schon 1572 mit ungefähr 33 Jahren. Warum, weiß kein Mensch. Offensichtlich war selbst der Leibarzt eines Herzogs damals nicht bedeutend genug, um in der Überlieferung über ein paar Sätze, die Löffler von seiner in unserer Stadtkirche aufgestellten Grabplatte abgelesen hat, hinauszukommen. Hinsichtlich der Waltershäuser Handwerker, Bauern, Türmer, Bierausrufer und Huren ist die Quellenlage freilich noch betrüblicher. So gut wie niemand zeichnete etwas aus deren Lebenswandel auf, weil sich so gut wie niemand vorstellen konnte, es könne später einmal jemanden interessieren.

Die große Ausnahme stellen in unserem Fall die Waltershäuser Ratsherren und Bürgermeister dar. Allerdings fällt es schwer, sie nach der Lektüre von Löfflers Stadtgeschichte noch zu den »kleinen Leuten« zu zählen. Sie hatten ihr Pfründe ähnlich fest in der Hand wie der Klerus die seinen. Generation um Generation prahlten sie, zechten und schlemmten auf Kosten der Stadtkasse und wirtschafteten bei ihren weisen Entscheidungen über diverse Vergaben in die eigene Tasche, das es eine Lust war – für sie selber. Genauso viele Generationen lang hegten die BürgerInnen Groll gegen ihre Stadtoberen. Was Wunder, sie hatten sie noch nicht einmal wählen dürfen; in diesem Fall hätten sie auf sich selber wütend sein müssen. Wie der Rat dereinst zustande gekommen sei, weiß selbst Löffler nicht. Einmal in der Welt, habe er sich emsig durch Zuwahl selbst ergänzt oder verändert. Seine sämtlichen Sitzungen waren nicht öffentlich. Seine jeweiligen Rats- oder Bürgermeister mußten vom Landesherren bestätigt werden. Somit stellte der sogenannte Stadtrat nichts anderes als einen der vielen Arme dar, mit denen nun die Fürsten wiederum ihren »freien« Städten in die Taschen griffen. Dabei noch aufs eigene Wohl bedacht zu sein, war für die 12 Herren Stadträte (die sich stets mit dem vornehmen Er anreden ließen) sicherlich anstrengend genug, da konnten sie sich nicht auch noch um die Interessen des Volkes kümmern. Und so einen hatte nun der arme Antonius als Vater gehabt …

Vielleicht war Antonius Juncker sogar noch zu Nachwuchs und dadurch zu Urenkeln gekommen. In diesem Fall hätten sie wahrscheinlich von der oft gerühmten Bildungspolitik ihres Landesvaters Ernst I., genannt »der Fromme«, gezehrt. Der Gothaer Herzog starb 1675 mit 73 Jahren. Leider wird er selbst vom kritischen Löffler als Betreiber des »Fortschritts« überschätzt. Verständlicher-weise hebt Löffler, als Lehrer, vor allem jene Bildungspolitik Ernsts hervor, voran die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, die sich bis heute quer durch die Systeme als wahre Höllenstrafe auf Erden bewährt. Immerhin verschweigt er aber weder Ernsts Leidenschaft für polizeiliche Verordnungen noch seine besonders fromme Duldung der Hexenverfolgung. Zum Ausgleich für die »Dutzenden« von Todesopfern dieses Wahnsinns, darunter ein lebendig verbranntes neunjähriges Mädchen aus Schwarzhausen, machte der aufgeklärte Herrscher seiner Alten, ehedem Elisabeth Sophia von Sachsen-Altenburg, sage und schreibe 18 Kinder, an denen sie erstaunlicherweise nicht frühzeitig verendete. Elisabeth wurde 61.

Seit 1904 steht eine gewaltige Bronze vor dem häßlichen Gothaer Schloß zum Gedenken an ihren Gatten, den Herzog. Wie Löffler erwähnt, wurde es auch zu DDR-Zeiten nicht angetastet. »Einen besseren Herrscher«, so hatte Löffler schließlich zum Auftakt seines Kapitels verkündet, »hätte in jener fürchterlichen Zeit [30jähriger Krieg] das Land nicht haben können.« Da kommen doch wieder Zweifel an der Klugheit unseres Schulleiters und Heimatforschers auf. Ich möchte fast wetten, sein Sohn hatte sich an dieser Stelle stark zu bezähmen, um nicht die Anmerkung einzuschmuggeln: Der bekannte Geist des Kleineren Übels [A-19]. Herrschaft selber wird nie in Frage gestellt.
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