Montag, 12. September 2022
Bienen

Bienen zählen zum Zuchtvieh des Menschen, sind aber beliebter als Kühe, weil sie Honig geben. Wie lange noch, steht auf einem anderen Blatt. Der Sparkasse von Waltershausen in Thüringen, die in einem mächtigen Jugendstilgebäude aus hellem Sandstein residiert, waren sie jedenfalls vor Zeiten wichtig genug, um in einem ovalen buntverglasten Fenster verewigt zu werden. Vermutlich hatten die Bankiers das Honighorten und den sprichwörtlichen Fleiß der Bienen im Auge. Dabei kam ihnen entgegen, daß die Bienen im Gegensatz zu den Ameisen keine Läuse zwecks systematischen Melkens halten – sonst wäre vielleicht Verdacht aufgekommen.

In Deutschland gibt es weit mehr als 100.000, vorwiegend nebenberufliche ImkerInnen, die über ungefähr 800.000 Völker herrschen. Dadurch entsteht ein Jahresertrag von mindestens 22.000 Tonnen Honig – so geballt, allerhand. Wilhelm Buschs Knabe Eugen war begierig genug auf den süßen Stoff, um dem schnarchenden Dorfimker einen Honigtopf vom Schlafzimmerbord zu stehlen. Die räubernden NeandertalerInnen lebten gefährlicher: sie hatten die Waben wilder Bienen mit einem Stock aus Astlöchern zu stochern. Zu weiteren Feinden der Bienen zählt eine Kröte, die in D. H. Lawrence' funkelnder Erzählung Die Jungfrau und der Zigeuner vorm Strohkorb hockt, um die ausfliegenden Bienen wie von der Wäscheleine zu pflücken. Offenbar schmeckten die Bienen vor rund 100 Jahren noch.

Der slowenisch-Wiener Hofimkermeister Anton Janša, auch Maler und Grafiker, wirkte deutlich früher als der britische Schriftsteller. Zwar hatte Janša bereits im ländlichen Elternhaus an zahlreichen Bienenstöcken geschnuppert, doch er neigte zunächst zur Bildenden Kunst und ließ sich an der Wiener Akademie zum Kupferstecher ausbilden. Plötzlich suchte das Kaiserhaus einen Hofimker. Der Slowene aus der Oberkrain bewarb sich, wurde (1769) angestellt und erwies sich, als Forscher, Lehrer, Organisator und Fachschriftsteller der Bienenzucht, rasch als Volltreffer. Beispielsweise hellte er die Befruchtung der Königin in der Luft auf und regte dazu an, auch Bienen zielstrebig »auf die Weide zu treiben«, wie ein slowenisches Lexikon schreibt. Auch die kastenför-migen, leicht stapelbaren Bienenstöcke mit entfernbaren Stirnwänden und Bodenbrettern sollen sich ihm verdanken. Nur die Frage, warum sich Janša schon 1773, mit 39 Jahren, ein »Hitziges Fieber« zuzog*, das ihn in den Sarg warf, scheint bislang niemand aufgeklärt zu haben. Die auf den Neuerer selber gerichtete Forschung wirkt wie ein von modernen Landwirten emsig mit Pestiziden besprühter Magerrasen. Nach Martin Mißfeldt (!) war Janšas Vater Bauer gewesen; von der Mutter wisse man aber überhaupt nichts.** Das gleiche gilt offensichtlich für sein Wiener Privatleben, falls er eins hatte. Ein jämmerliches Bild.

Stößt man beim Stöbern im Internet auf den Bienenwolf, darf man sich nicht einschüchtern lassen. Diese soge-nannte Grabwespe nutzt Honigbienen als Säuglings-nahrung. Ungleich schädlicher dürfte die Chemieindustrie sein, wie selbst Amazon-Zuarbeiter Mißfeldt anzudeuten wagt. Die mit Insektiziden von Firmen wie Bayer Cropscience gebeizten Raps-, Sonnenblumen- und Maisfelder sorgen unter Bienenvölkern bereits für ganze Leichenberge. Statt ihre Gifte vom Markt zu nehmen, tüfteln diese Weißkittel inzwischen an »jungfernfrüch-tigen« Pflanzen, die nicht mehr bestäubt werden müssen. Somit wird es demnächst ohne Bienen und bald darauf auch ohne Menschen gehen. Das würde den Imkern immerhin die Schleier und den anderen die Mund-Nase-Masken ersparen. KritikerInnen werden von den Weißkitteln schon heute so erbittert bekämpft, daß der Einsatz von Insektiziden oder Impfstoffen auch an dieser Front nur noch eine Frage der Zeit ist.

Wie wir jedoch gesehen haben, hatten die Bienen auch immer Freunde. Einer der merkwürdigsten war der nachkaiserliche Salzburger Imker und Schriftsteller Georg Rendl. Er brachte es fertig, in seinem Bienenroman von 1931 auf 200 Druckseiten nicht einen Imker und auch sonst keinen Menschen vorzuführen. Der Roman spielt ausschließlich unter Bienen. Verfolgt man freilich, wie Rendl jede einzelne Biene im Volksganzen auf- und untergehen läßt, weiß man, woher damals der Wind wehte. Bis Berchtesgaden war es nicht weit.

* https://www.meinbezirk.at/event/leopoldstadt/c-brauchtum-kultur/tag-des-denkmals-2022-augartengold-auf-den-spuren-des-hofimkermeisters-anton-janscha_e871657
** »Anton Janscha«, Lichtmikroskop.net, Stand 2022: https://www.lichtmikroskop.net/geschichte/anton-janscha.php

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