Mittwoch, 13. Juli 2022
Hunter, Paul
ziegen, 13:52h
27 (1978–2006), britischer Berufs-Snookerspieler. Snooker ist das Billardspiel mit den langen Tischen und den hohen Gagen, falls es nicht alle wissen. Ich habe es vor Jahren einigermaßen gründlich, wie ich mir einbilde, in meiner Betrachtung »Shot to nothing« bedacht. Was den hübschen blonden Jungen aus Leeds angeht, war er bereits mit 17 Profi geworden. Im Internet sah ich einmal offenen Mundes ein Video des Londoner Masters-Finales von 2002, das der »Beckham of the Baize« denkbar knapp mit 10:9 für sich entschied. Siegpreis: 190.000 Pfund. Im ganzen gewann Hunter das Masters dreimal. Seine Popularität verdankte er unter anderem seinen publikumswirksamen Aufholjagden in Begegnungen, der Eleganz seines Spiels sowie seinem smarten Aussehen, dabei insbesondere seinen ausgefallenen Frisuren – daher auch die Anspielung auf den Fußballer David Beckham. Die Fans (oder seine Manager) empfanden ihn als den Beckham des grünen Snookertuchs. Seit 2004 war er mit der ebenfalls blonden Lindsey Fell verheiratet. Sie hatten ein Kind. Der Darmkrebs, dem Hunter mit knapp 28 zum Opfer fiel, wurde 2005 diagnostiziert. Seit 2007 heißt ein stets in Fürth ausgetragenes erstklassiges Snookerturnier das Paul Hunter Classic. Im selben Jahr veröffentlichte Fell ihr Erinnerungsbuch Unbreakable. Auch dieser Name ist nicht übel, spielt er doch auf die im Snooker sehr wichtigen Serien an, die breaks heißen, und selbstver-ständlich auf Hunters »Unschlagbarkeit«. Ein deutscher Verlag machte daraus Mein wunderbares Leben mit Paul.
Die Sache mit den Snookerturnieren ist allerdings neuerdings ins Schleudern gekommen – wie fast alles auf diesem von Leuten beherrschten Planeten, die teils VerbrecherInnen, teils Verrückte, oft beides zusammen sind. Den Spitzensport gestatten sie zwar noch, wenn die Ränge leer bleiben und die Gesundheitsmaske stets zückbereit in der Arschkippe steckt. Man will nicht, daß alle unteren Bevölkerungsteile verelenden. Aber die Wettkampf-Atmosphäre muß man sich eben, am Bildschirm vor dem Video sitzend, selber dazu denken. Damit wir damit nicht überfordert sind, scheinen sie jetzt bei den publikumslosen Turnieren (»Geisterspielen«) neben den Aufzeichnungs- auch Beifallsmaschinen einzusetzen. Bei jedem Stoß, der einem fachkundigen Hilfssheriff (»Applaus-DJ«) als ungewöhnlich gut gelungen vorkommt, drückt oder klickt er auf den Knopf – und der Beifall prasselt. Man darf gespannt sein, mit welcher Neuerung sie diese zugleich saudumme und ekelhafte Notstandsmaßnahme noch überbieten werden. Merkel hat sie bereits im Berliner Plenarsaal eingeführt und folglich alle Abgeordneten, die ohnehin keine nennenswerte Funktion mehr hatten, nach Hause geschickt. Die Bezüge laufen weiter – bargeldlos. Ihren Lobbyismus können sie ja auch per Handy und Internet betreiben – Homeoffice.
Da ich aus meiner Abneigung gegen Berufskünstlertum, gelenkte Massenveranstaltungen und Vermarktung von allem und jedem bereits wiederholt keinen Hehl gemacht habe, dürfte ich eigentlich nichts mehr sagen, auch zur Musik nicht. Aber unsere »Altmeister« aus Apo- und Hippy-Zeiten Eric Clapton und Van Morrison werden gerade von den einen niedergemacht, von den anderen in den Himmel gehoben, weil sie mutig genug waren, ein paar Anti-Lockdown-Songs zu veröffentlichen. Und wo wäre da der Mut? Diese Ikonen im Greisenalter haben Geld und Einfluß wie Sand am Meer. Was sollte denen noch geschehen? Nebenbei kann ich mich nicht erinnern, sie hätten sich in den fünf Jahrzehnten seit Woodstock vorwiegend revolutionär oder auch nur staatsfeindlich gebärdet. Wenn J. J. Cale mal ein möglichst allgemein gehaltenes Lied gegen den Krieg vortrug, war es schon viel. Nein – diese Profis sind und bleiben Spitzenprodukte der von Adorno so genannten Kulturindustrie, bis sie ihren Löffel abgeben. Und dann liegen sie neben den kaum zu zählenden Millionen armen Schluckern unter der Erde, die im Laufe jener Jahrzehnte geschunden worden und verhungert sind.
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