Mittwoch, 29. Juni 2022
Am Fließband
ziegen, 12:35h
2001
Während meine Kollegen Zigarettenpause machen, schlendere ich durch eine benachbarte Halle. Sie ist von Fertigungsstraßen durchzogen. Offenbar Motorenbau. Hier ist die Belegschaft eher dünn gesät. Wir befinden uns bei DaimlerChrysler in Mannheim; das Werk gleicht einer Stadt in der Stadt. Es beschäftigt rund 10.000 Leute und vermutlich hundertmal so viele Maschinen. Unsere Kunden sind die zahlreichen Bürokraten der Fabrik. Hört man hinten auf, ihnen einen neuen Teppichboden unter die Füße zu legen, kann man vorne wieder anfangen. Für unseren Chef ohne Zweifel eine sichere Bank, solange er nur darüber im Bilde ist, welchem der vielen Bürokraten er gerade die Füße zu küssen hat.
Plötzlich bleibe ich gebannt stehen. Vor mir ein Automat, der Adolf Hennecke oder Arnold Schwarzenegger zu spielen scheint. Einem gravierten Schild zufolge wurde er gerade erst gebaut und installiert, 1999. Er hat Ölspritz-düsen in die Zylinderkurbelgehäuse von wahlweise 4- oder 6-Zylindermotoren einzupressen. Sein Rythmus ist bald durchschaut. Von rechts, auf genoppten Tabletts in Reih und Glied angeordnet, kommen die Ölspritzdüsen angefahren. Ein armähnlicher Roboter greift sich nacheinander vier Düsen und setzt sie in eine jeweils im Zylinderabstand vorrückende Schubleiste. Die ruckartigen, gleichsam eckigen Bewegungen des künstlichen Arms kommen mir allerdings eher makaber als rythmisch vor. Nach Umsetzen der vierten Düse fällt er jäh in Starre, weil inzwischen von links her das nächste Zylinderkurbel-gehäuse eingetroffen ist. Es wird von dem übergeordneten, verdammt wuchtigen Roboter erfaßt, der entfernt an ein Gebiß erinnert. Er packt sich das Gehäuse, um es um 90 Grad nach oben zu kippen. Jetzt liegt es an der Linie der Schubleiste, die bereits vorgefahren ist. Dem Gaumen des Überroboters entwachsen so etwas Ähnliches wie vier (wahlweise sechs) Hände. Damit greift er den Satz Ölspritzdüsen, hebt ihn empor und bringt ihn genau über den Zylinderöffnungen des gekippten Gehäuses in Stellung. Jetzt senken sich sozusagen separate »Daumen« aus des Überroboters Gaumen. Sie pressen die Ölspritzdüsen in die Zylinder. Dann fahren sie wieder hoch. Das »Gebiß« kippt das mit Ölspritzdüsen versehene Gehäuse auf das Fließband zurück. Während Fließband und Gehäuse vor dem armähnlichen Roboter abkurven, schnappt sich dieser die nächsten vier Ölspritzdüsen vom Tablett, weil inzwischen das nächste Zylinderkurbel-gehäuse naht.
Ich reiße mich los. Die Zigarettenpause meiner Kollegen habe ich ohnehin schon überzogen. Das wäre etwas für »Feudel«, unseren Stift, sage ich mir. Er hat neuerdings Liebeskummer. Ich sollte ihm diesen Automaten empfehlen. Feudel könnte sein Herz aufs Fließband legen; der Automat würde es ungerührt um 90 Grad nach oben kippen, um es mit Ölspritzdüsen zu versehen.
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Während meine Kollegen Zigarettenpause machen, schlendere ich durch eine benachbarte Halle. Sie ist von Fertigungsstraßen durchzogen. Offenbar Motorenbau. Hier ist die Belegschaft eher dünn gesät. Wir befinden uns bei DaimlerChrysler in Mannheim; das Werk gleicht einer Stadt in der Stadt. Es beschäftigt rund 10.000 Leute und vermutlich hundertmal so viele Maschinen. Unsere Kunden sind die zahlreichen Bürokraten der Fabrik. Hört man hinten auf, ihnen einen neuen Teppichboden unter die Füße zu legen, kann man vorne wieder anfangen. Für unseren Chef ohne Zweifel eine sichere Bank, solange er nur darüber im Bilde ist, welchem der vielen Bürokraten er gerade die Füße zu küssen hat.
Plötzlich bleibe ich gebannt stehen. Vor mir ein Automat, der Adolf Hennecke oder Arnold Schwarzenegger zu spielen scheint. Einem gravierten Schild zufolge wurde er gerade erst gebaut und installiert, 1999. Er hat Ölspritz-düsen in die Zylinderkurbelgehäuse von wahlweise 4- oder 6-Zylindermotoren einzupressen. Sein Rythmus ist bald durchschaut. Von rechts, auf genoppten Tabletts in Reih und Glied angeordnet, kommen die Ölspritzdüsen angefahren. Ein armähnlicher Roboter greift sich nacheinander vier Düsen und setzt sie in eine jeweils im Zylinderabstand vorrückende Schubleiste. Die ruckartigen, gleichsam eckigen Bewegungen des künstlichen Arms kommen mir allerdings eher makaber als rythmisch vor. Nach Umsetzen der vierten Düse fällt er jäh in Starre, weil inzwischen von links her das nächste Zylinderkurbel-gehäuse eingetroffen ist. Es wird von dem übergeordneten, verdammt wuchtigen Roboter erfaßt, der entfernt an ein Gebiß erinnert. Er packt sich das Gehäuse, um es um 90 Grad nach oben zu kippen. Jetzt liegt es an der Linie der Schubleiste, die bereits vorgefahren ist. Dem Gaumen des Überroboters entwachsen so etwas Ähnliches wie vier (wahlweise sechs) Hände. Damit greift er den Satz Ölspritzdüsen, hebt ihn empor und bringt ihn genau über den Zylinderöffnungen des gekippten Gehäuses in Stellung. Jetzt senken sich sozusagen separate »Daumen« aus des Überroboters Gaumen. Sie pressen die Ölspritzdüsen in die Zylinder. Dann fahren sie wieder hoch. Das »Gebiß« kippt das mit Ölspritzdüsen versehene Gehäuse auf das Fließband zurück. Während Fließband und Gehäuse vor dem armähnlichen Roboter abkurven, schnappt sich dieser die nächsten vier Ölspritzdüsen vom Tablett, weil inzwischen das nächste Zylinderkurbel-gehäuse naht.
Ich reiße mich los. Die Zigarettenpause meiner Kollegen habe ich ohnehin schon überzogen. Das wäre etwas für »Feudel«, unseren Stift, sage ich mir. Er hat neuerdings Liebeskummer. Ich sollte ihm diesen Automaten empfehlen. Feudel könnte sein Herz aufs Fließband legen; der Automat würde es ungerührt um 90 Grad nach oben kippen, um es mit Ölspritzdüsen zu versehen.
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