Freitag, 10. Januar 2025
AZ 1–3 (PAL) Folge 27
Mücken – Musik
Mücken – Musik
ziegen, 14:46h
Kürzlich fiel mir Alexander von Humboldts Tagebuch vom Orinoko in die Hände – ein Glücksfund. Diese fesselnden, hervorragend geschriebenen Aufzeichnungen wurden von dem später weltberühmten Forscher und Gelehrten ursprünglich um 1800 auf Reisen verfaßt, dabei oft im Boot. Herbert Scurlas rund 200 Druckseiten schmaler Auszug handelt zu ungefähr 10 Prozent von Mücken.
~~~ Erfreulicherweise haben auch die selbstgerechten spanischen Missionare unter dieser gewaltigen, vor allem die Flüsse heimsuchenden Plage zu leiden. Bruder Bernardo Zea hatte sich neben der Kirche »auf einem Gerüst von Palmstämmen ein kleines Zimmer gebaut«, das Humboldt und sein Gefährte Aimé Bonpland zum Pflanzentrocknen und Tagebuchschreiben nutzen durften. Die stechenden Insekten, oft Moskitos genannt, halten sich nämlich vorwiegend am Boden, 15 bis 20 Fuß hoch auf. Manche IndianerInnen gehen zum Schlafen auf kleine Inseln inmitten der Wasserfälle, da die Mücken den Dunst nicht mögen. In jenen tiefen Luftschichten bilden die »giftigen Insekten« ihrerseits beinahe einen beständigen Dunst. Sie stechen auch die Eingeborenen, nur zeigen die weniger Schwellungen. Einreiben hilft kaum, desgleichen Qualm oder Gestank. Selbst die bemalten Ruderer schlagen unablässig nach den Biestern. Manche IndianerInnen behelfen sich wenigstens beim Nächtigen mit einem aus Palmfasern gewebten Netz, dem Toldo. Das stellt auch für die Weißen den einzigen halbwegs wirksamen Schutz dar: meist Baumwollnetze. Allerdings sind die Schutzhüllen kaum dicht beziehungsweise mückenfrei zu bekommen, davon abgesehen, daß die winzige Mücke Cafasi auch durch diese Gitter oder Maschen schlüpft. Anzüge nach demselben Muster sind vielfach qualvoll, schlimmer als die berüchtigten Reifröcke der mitteleuropäischen Dame. Flattriges um Kopf und Hände hilft, vereitelt freilich ein frohgemutes Tun. Oft sehnen sich die Einheimischen oder Reisenden auf den Mond. Die Anden täten es womöglich auch schon: ab ungefähr 500 Meter bleiben Mücken und sogar Termiten aus. Auf S. 130* erwähnt Humboldt überdies Fledermäuse als Plagegeister für Mensch und Vieh, sagt aber nicht, ob sie ihn einmal gebissen und gemolken haben.
~~~ Merkwürdigerweise übergeht der deutsche Forscher zumindest in diesem Auszug die Gefahr der Krankheits-übertragung fast völlig. Auf S. 187 erwähnt er eine beinahe tödliche Krankheit, mit der sein Genosse Bonpland später in Angostura zu kämpfen hat. Wahrscheinlich hätten »die Ausdünstungen in den Wäldern am Fluß Casiquiare« den Keim zu ihr gelegt. Benennen tut er die Krankheit nicht. Das ist kongenial nebelhaft wie jener Dschungel-Dunst. Nebenbei preist Humboldt wiederholt »den Segen des Ackerbaus« (der im Dschungel meist verkannt werde). Vom übrigen Schwachsinn der Seßhaftigkeit einmal abgesehen, kannte Humboldt die Dünger und Pestizide noch nicht, die heute für mehr Qualen als die Moskitos oder Jaguare sorgen.
~~~ Entgegen landläufigem Aberglauben lockt Licht keine Stechmücken an. Weltweit gibt es mindestens 3.800 Stechmückenarten; in Europa nur 104. Gleichwohl können auch in Europa einige Viren durch Stechmücken übertragen werden, so etwa das West-Nil-Fieber und das Chikungunyafieber. Das setzt allerdings komplizierte Prozesse zwischen Erreger und Mücke voraus und scheint von daher eher selten zu sein. Die Boulevardpresse fährt aber schon Spitzen-Virologen auf, die zum Kampf gegen alle Mücken blasen. Der Deckmantel ist bekannt: »Klimawandel«.
~~~ Allerdings scheinen noch die heimtückischsten BlutsaugerInnen ihre Bewunderer oder FürsprecherInnen zu haben. Für TierWelt-Autor Matthias Gräub stellen Mückenstiche »kleine Wunderwerke« dar.** Die Mückenweibchen benötigen unser Blut zur Eierbildung. Gefunden werden wir durch Atemluft, Geruch, Blutgruppe. Nach dem Anbohren gebe das Tierchen Speichel in die winzige Wunde, erfahren wir von Gräub. Dadurch werde die Blutgerinnung verhindert. »Der Speichel sorgt auch für die Schwellung und den Juckreiz, der uns am Mückenstich so nervt. Nicht zuletzt ist es auch dieser Speichel, der verantwortlich ist, dass per Mückenstich eine Krankheit übertragen wird.«
~~~ In Pentti Haanpääs um 1930 entstandenem Roman Der Teufelskreis ziehen Pate Teikka und Raunio die Mückenschwärme beim Marsch durch Lappland wie einen »Trauerschleier« hinter sich her. »Doch das scharf riechende Kienöl schützte sie im allgemeinen vor Mückenstichen. Wieviel dieser grauen, hartnäckigen Wesen mochte es in den Wäldern und Sümpfen geben! Und wie erbärmlich ihr Leben war! Für die meisten blieb so ein Blutstropfen nur ein Traum. Was für ein Glück für jene, die in die Nähe der beiden umherstreifenden Menschen geraten waren! Und nun gelangte nur giftiges Kienöl in ihre Stechrüssel. Trotzdem hatten sie es eilig, ließen nicht ab, lebten ihr kurzes Leben ungestüm und tapfer.«
~~~ Ich persönlich halte es nach vielen Leiden lieber mit meinem Landsmann Hanns Cibulka. In seinem empfehlenswerten Buch Am Brückenwehr von 1994 klagt er: »Die Stechfliegen, diese Gnitzer und Schnaken, ein Leben lang haben sie mich verfolgt. Fast alle waren zart, schlank, hatten lange dünne Beine, sie waren so leicht, daß man sie gar nicht spürte, wenn sie sich auf die Haut setzten. Wohin ich auch kam, überall stieß ich auf diese Zweiflügler. Am Dnepr brachten sie mir das wolhynische Fieber, in Sizilien die Malaria tertiana.« Mit 19 zur Wehrmacht eingezogen, hatte Cibulka zunächst in Polen und der Ukraine, später in Italien am Zweiten Weltkrieg teilgenommen. Auf Sizilien kam er in britische Gefangenschaft. Sein Vater war Appreturmeister in einer Textilfabrik in Jägerndorf, Mähren, zudem Sozialdemokrat gewesen. Moskitonetze hatten sie anscheinend nicht im Programm. In der DDR brachte es der Sohn zum Bibliotheksleiter in Gotha – und einer »Datscha« im Tal der Apfelstädt, die durch den Thüringer Wald fließt. Da gab es vermutlich auch wieder Mücken.
~~~ Immerhin setzen einem im Thüringer Wald weder Giftschlangen noch Jaguare zu. Gebietsweise auch Tiger oder Panther genannt, ist der Jaguar die größte Katzenart Amerikas, bis zwei Meter lang. Er gilt als besonders beißstark. Viele Eingeborenen fürchteten und verehrten ihn zugleich. Er klettert und schwimmt auch gut, jagt jedoch meist am Boden. Sein Fell, oft wunderbar goldgelb mit dunklen, ringförmigen, zudem getüpfelten Flecken, sonst einfarbig schwarz erscheinend, wurde und wird vor allem von Weißen begehrt, weshalb er als gefährdet gilt. Sogenannte natürliche Feinde hat er gar nicht – nur eben den Menschen. Heute siedelt er vorwiegend im Amazonasbecken. Humboldt und Bonpland lassen ihre eingeborenen »Helfer« stets mehrere Feuer anzünden und unterhalten, um so ihr Nachtlager (meist Hängematten) zu schützen. In der Regel hält das den Jaguar ab. Man hört ihn dann nur im Dschungel brüllen. Na gute Nacht.
~~~ Schätze sich glücklich, wer ausschließlich von Blumen umgeben ist. Auf Klippen in Stromschnellen des Orinoko entdecken Humboldt und Bonpland die Vanille und ernten »außerordentlich lange« Schoten von ihr. Diese hübsche, kletternde, gelb blühende Orchidee lieferte mit ihren bis 30 Zentimeter langen Fruchtkapseln, sofern sie getrocknet werden, jene hohlen, schwarzbraunen Stangen, ohne die eingemachter süßer Kürbis für meine Großmutter Helene undenkbar war.
∞ Verfaßt 2022
* Ostberliner Ausgabe von 1969, 3. Auflage im Verlag der Nation, Auswahl Herbert Scurla
** Matthias Gräub, https://www.tierwelt.ch/artikel/wildtiere/angriff-mit-sechs-nadeln-404213, 14. Juli 2021
Bekanntlich gibt es Motorsensen und Kreissägen noch nicht besonders lange auf diesem Planeten. Das darf aber nicht zu dem Trugschluß verführen, die sogenannten Naturvölker hätten stets einen lieblichen Schlaf genossen. Nein, sie hatten Mücken. Nach der Theorie Friedrich W. J. Schellings schuf Gott diese Viecher, weil er von Hause aus auf Ausgleich bedacht war. Gibt es Glück, sagte sich der Allmächtige, muß es auch Pech geben, das ist nur gerecht. Ergo erfand er sie – vor allem übrigens die weiblichen, denn nur diese stechen. Hat man also das Pech, am späten Sommerabend trotz sorgfältig überprüfter Fensternetze und einer 110 Euro teuren Mückenschutztür vorm Einschlafen ein gewisses Sirren zu vernehmen, das einem schon fast den Atem lähmt, ist es gottgewollt. Oder es lag an dem Fehler, sich nicht wie ein steil aufgerichtetes Handtuch durch einen Spalt zwischen Mückenschutztür und Eingangstür ins Haus zu winden. Jetzt ist es also von ein bis drei Mücken besetzt, das Eigenheim. Gute Nacht.
~~~ Das Sirren, oft als »Summen« verniedlicht, kommt von ihrem Flügelschlag. WissenschaftlerInnen wollen herausgefunden haben, es diene den beiden Mückengeschlechtern zur Verständigung, durch unterschiedliche Tonhöhen. Diese Schweinchen möchten sich nämlich aufeinander stürzen, zwecks Paarung. Sind sie jedoch allein, stürzen sie sich auch gern auf den Eigenheimbesitzer. Die Taktik zu durchschauen, von der sie sich dabei leiten lassen, ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Wahrscheinlich gibt es gar keine. Mal stechen sie, ohne einen Mucks von sich zu geben; mal sirren sie, ohne zu stechen; mal hält man stundenlang vergeblich nach ihnen Ausschau. Gleichbleibend ist eigentlich nur ihre Vorliebe für Dunkelheit, denn dadurch fällt die Heimtücke gegen den Eigenheimbesitzer erheblich leichter. Sie orientieren sich am Geruch. Dazu bedarf es weder Licht noch Hitze, die von Mücken ohnehin gehaßt werden. Deshalb suchen sie manchmal – meist am Tage – zielstrebig schattige, kühle Verstecke auf, etwa in der Ritze zwischen Schrankrückwand und Schlafzimmertapete.
~~~ Leider ist die Gesetzmäßigkeit dieser Rückzüge kaum erforscht, sonst könnte man den Schrank kurzerhand einmal täglich behutsam abrücken, um sich dann wie ein Tiger in den Spalt zu hechten. Vielleicht hat sich die Rückzugsbedürftige einstweilen genug an Ihnen vollgesogen; vielleicht gelang es Ihnen, sie durch viele vergebliche Hiebe nach ihr einzuschüchtern – wir wissen es nicht. Jedenfalls scheint auch die weibliche Stechmücke ab und zu schlafen zu müssen. Das tut sie dann in der Ritze. Im Gegensatz zu Ihnen am Tage, denn nachts muß sie arbeiten.
~~~ Eine gewissen Hoffnung mag jedoch in ihrer im Vergleich zu Ihnen kürzeren Lebenserwartung liegen. Die weibliche Stechmücke macht es in der Regel nur wenige Tage bis mehrere Wochen. Vielleicht fällt sie also gerade bei Ihnen mitten im Schlaf entkräftet und mausetot von der Tapete hinter Ihrem Bücherschrank auf die Dielen. Nehmen Sie eine Taschenlampe, gehen Sie vor dem Schrank in Liegestütz und spähen Sie jeden Morgen erwartungsfroh unter ihn.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 33, August 2024
Mündlichkeit
Ich sammele seit Jahren Redezeiten. Hier ein paar Glanzstücke meiner Sammlung: Als Präsident Gamal Abdel Nasser im Sommer 1956 vor 300.000 Leuten auf dem Freiheitsplatz in Alexandria die Verstaatlichung der Suezkanalgesellschaft verkündete, tat er es nicht mit ein paar Sätzen. Er redete fast vier Stunden lang. 2009 übertrumpfte ihn Hugo Chavez erheblich. Dem damaligen Chef Venezuelas gelang es zur Feier des 10. Jahrestages seiner Präsidentschaft vor der Nationalversammlung in Carracas sieben Stunden lang zu sprechen. Damit stellte er sogar den schon einmal andernorts gestreiften Rekord Sinowjews ein, der die lieben Genossen 1920 auf dem KPD-Parteitag in Halle ebenfalls sieben Stunden lang bequatschte. 14 Jahre später begnügte sich Maxim Gorki auf dem Moskauer Schriftstellerkongreß mit drei Stunden, wie Gustav Regler im Ohr des Malchus erwähnt.
~~~ Freilich fielen diese enormen Redezeiten nicht erst in der Postmoderne wie Sturzregen vom Himmel. Aus Max von Boehns anregender Modegeschichte ist zu erfahren, Edinburghs »reformierter« Referend Forbes habe seine in die Kirche gezwungenen Schafe um 1670 mit Kanzelergüssen von fünf bis sechs Stunden zugeschüttet. Ich muß gestehen, bereits die Predigten einflußloser Theologen in nordhessischen Dorfkirchen als Folter empfunden zu haben, obwohl sie selten 20 bis 30 Minuten überschritten. Bald darauf konvertierte ich zur sogenannten Linken. Aber die Mißachtung des Fußvolks erwies sich leider als fraktionsübergreifend. Denn was hatte ich mir wohl auf den Demos oder Ostermärschen anzuhören? Richtig: ausführliche Ansprachen, die möglichst nicht eine der jeweils angesagten Phrasen und Schlagworte ausließen. Lesen Sie beispielsweise einmal die Grabrede nach, die Claussen/Leineweber/Negt 1970 ihrem tödlich verunglückten Genossen Hans-Jürgen Krahl hielten. Das einzige, was die drei Nachrufer darin nicht streifen, ist der Autounfall des 27jährigen SDS-Chefideologen oder das irrsinnige Verkehrswesen überhaupt.
~~~ Über zeitgenössische Bundestagsreden kann ich nichts sagen, weil ich nie Fernsehen gucke. Ich nehme an, sie haben die Zähigkeit und den Nährwert von Fußbällen. Mein bevorzugtes Medium ist das gedruckte Wort. Um Zeitschriftenaufsätze oder Bücher lesen zu können, muß ich nicht auf den Marktplatz marschieren. Von der unverschämten Überforderung der Geduld und des Aufnahmevermögens von Zuhörern einmal abgesehen, hat selbst die vorbereitete mündliche Rede stets einen Zug der Ungenauigkeit und Unzuverlässigkeit. Zum einen Ohr rein, zum anderen raus. Im Grunde ächte ich alles, was Flüchtigkeit züchtet, wenn ich einmal meine Huldigung gedruckter Quellen im Text über Heike Wunderlich aufgreifen darf. Mit der digitalen Vernetzung, Presse eingeschlossen, erreichen wir bereits das Stadium dampfender, die Brille beschlagender Suppenküchen. Webseiten sind Wackelpuddinge, die unablässig Gestalt und Farbe ändern. »Auseinandersetzung ist jedoch auf Feststehendes / Gegenstand / Widerstand angewiesen.« Verflüssigung ist ihr Tod.
~~~ Ein Seitenstück zu Ansprachen, Talkshows und Blogs haben wir in unseren sogenannten Untersuchungskom-missionen und deren Abschlußberichten. In kapitalistisch verfaßten Demokratien stellen solche Schwatzbuden bekanntlich ein unfehlbares Mittel dar, Aufklärung und Ahndung von Ungereimtheiten, Ungesetzlichkeiten, Schwerverbrechen im Wirken des Staates und seiner Charaktermasken zu verhindern. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses signalisiert zunächst: die Racheengel des Volkszorns krempeln die Ärmel auf – schon die halbe Miete. Wickelt man dann die Ärmel so allmählich wieder ab, daß auch die sitzfestesten FernsehzuschauerInnen im Laufe der 38. oder 122. Ausschußsitzung zu gähnen anfangen und sich milde gestimmt zu Bett begeben, steht der Schließung der Akten nichts mehr im Wege. Und jetzt kommt die Stunde der Ghostwriter. Sie haben den wohlfrisierten Müllhaufen aus Geschwätz anzufertigen, den der Ausschußvorsitzende der »Öffentlichkeit« als »Bericht« um die Ohren schlagen darf. Dazu nur ein naheliegendes Beispiel. Der im Sommer 2009 vorgelegte Abschlußbericht einer Bundestags-kommission zur BND-Affäre war 3.500 Seiten dick – das ist von jedem flotten Journalisten im Nu gelesen. »Die Veröffentlichung einer 160-Seiten-Kurzfassung lehnten die SPD-Vertreter im Ausschuß ab«, schrieb Ossietzky damals. 160 Seiten kurz!
~~~ Was also macht der pfiffige Bürger oder Kritiker? Er überfliegt die Kurzfassungen zwischen drei Ubahnstationen und pickt sich die ihm genehmen »Reizworte« heraus. Liegt die Kurzfassung online vor, geht das noch schneller, weil der Suchroboter Reizworte punktgenau in Raketengeschwindigkeit findet. Vor allem den eigenen Namen des betreffenden Bürgers oder Kritikers.
∞ Verfaßt 2022
Siehe auch → Internet, Wunderlich
Für Brockhaus war der Nordfriese Jens Mungard (1885–1940) »Dichter«. Neben Prosa und Bühnenstücken habe er in seiner sylter-friesischen Mundart eine vielseitige Lyrik geschaffen, darunter Balladen. Allerdings scheint er ungefähr das Gegenteil des Freiherrn Börries von Münchhausen gewesen zu sein*, denn als Mungards Todesort gibt das Lexikon in seinem 7-Zeilen-Eintrag das KZ Sachsenhausen an. Von daher dürfte sich ein Blick ins Internet empfehlen.
~~~ Mungards Kinderstube war vielleicht schon der Anfang vom Ende. Während er seine Mutter früh verlor, tyrannisiert ihn der Vater, ein Schiffer, Landwirt und Sprachforscher, so lang es nur geht. Zwar übernimmt der Sohn, inzwischen verheiratet, 1910 den großen väterlichen Hof in Keitum, Sylt, doch der Schiffbruch läßt nicht lange auf sich warten. Der friesischen Kultur und dem Schreiben zugetan, hat Mungard offensichtlich weder das Zeug zum Unternehmer noch zum Ehemann. Zur Krönung fällt der Hof 1921 einem anscheinend nie aufgeklärten Brand zum Opfer. 1933 wird das Ehepaar geschieden. Obwohl anfangs von den Nazis begeistert, eckt Mungard doch zunehmend an. Seine erste »Schutzhaft« hat er 1935. Ein späteres Schreibverbot mißachtet er – so wird er 1939 ein letztes Mal verhaftet und ins KZ gesteckt. Dort soll er ein Jahr darauf, 55 Jahre alt, den Folgen seines Aufbegehrens erlegen sein.
~~~ Was den Hofbrand angeht, liegt es nahe, eine Sanierungsmaßnahme von Mungard selber zu argwöhnen, also einen Versicherungsbetrug. Spricht der Eider-Kurier von einer »Brandstiftung«, könnte es schließlich auch der Hofeigentümer gewesen sein.** Dem steht jedoch der Hinweis entgegen, die Brandversicherung habe aufgrund der damaligen Inflation nur »wertloses Geld« herausgerückt. Das hätte sicherlich auch Mungard absehen können. Vor allem aber kann man sich diesen gebeutelten Hoferben und ins Friesische verliebten Patrioten nur schlecht als kaltblütigen Mann vorstellen, der stets seinen Vorteil sucht. Dem Faschismus gegenüber hat er das jedenfalls nicht getan. Das bestätigen auch einige Ehrungen, die Mungard in jüngerer Zeit erfuhr.***
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 27, Juli 2024
* Balladenschmied Münchhausen (1874–1945) war Freund und Nutznießer des deutschen Faschismus und zog es vor, sich umzubringen, als sich die Rote Armee seinem Schloß in Thüringen näherte.
** https://www.eider-kurier.de/artikel/nordfriesland/jens-mungard-ein-widerstaendiges-leben-1593.html, 29. August 2016
*** https://gemeinde-sylt.de/stolperstein-jens-emil-mungard/, 18. Februar 2020
Musik
Falls es ohne Genie nicht geht, ist es neben Fleiß Gedächtnis. Das vom Vatikan sorgsam vor »Raubkopien« behütete Miserere von Allegri, eine um 1635 entstandene neunstimmige Psalm-Vertonung, soll der 14jährige Mozart 1770 bei einem Romaufenthalt zum Mittwochsgottesdienst gehört und anschließend aus dem Kopf korrekt aufgeschrieben haben. Unter Fachleuten ist es auch ein offenes Geheimnis: der klassische Komponist hatte keine Hemmungen, sich ausgesprochen viele Gattungen und Stile anzuverwandeln. Wie bei solchem »Abschreiben« »Eigenes« entstehen kann, hat vor etlichen Jahren einmal Blueschampion John Mayall in einem Interview erläutert: Mit der Zeit eigne sich der Nachahmende derart viele verschiedene Dinge an, daß er nicht mehr wie die Kopie des einen oder anderen Musikers klinge. Er schneidet die Diebstähle auf sich zu. Irgendwann scheinen all die geklauten Kniffe, Phrasen, Stücke demselben Handgelenk oder Hals entsprossen.
~~~ Allerdings hatte sich Mozart dabei etwas mehr zu sputen als der britische Rockstar, der zur Stunde bereits die 90 angreift. Bekanntlich wurde Mozart nur 35, wobei bis heute, allen Forschungsexzessen zum Trotz, nicht geklärt werden konnte, warum der angesehene Wiener Komponist am 5. Dezember 1791 nach einigen Wochen Bettlägerigkeit seinen »genialen« Geist aufgab. Während der Totenbeschauer etwas von einem »hitzigen Frieselfieber« murmelte, warfen andere BeobachterInnen ungefähr alles in die Waagschale, was man so kennt, vom Rheuma über die Syphilis bis zum beliebten gummiartigen Herzversagen. Mozart selber glaubte, jemand habe ihn vergiftet, aber es fanden sich leider keine hinreichenden Mordmotive, geschweige denn Beweise. Für Gerd Reuther lag er damit gleichwohl gar nicht so schief. Der zeitweise in Wien lehrende Mediziner hält es für wahrscheinlich, »die Ursache des Nierenversagens« bei dem Bettlägerigen sei die damals europaweit verbreitete »Gefälligkeitsver-schreibung« von Quecksilber zur Behandlung einer Syphilis gewesen.*
~~~ An Unterernährung kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Die angebliche Armut des schmächtigen Genies entpuppte sich in neuerer Zeit als Märchen aus der Deutschen Romantik. Wie wir spätestens seit Günther G. Bauers 2009 erschienenen Studie über Mozarts finanzielle Verhältnisse wissen**, trug der von zahlreichen Dienstboten, Hunden, Reitpferden umtänzelte Komponist stets elegante Kleidung, und ein Zimmer seiner ausgedehnten jeweiligen Wiener Wohnung war traditionell für das eigene Billard reserviert, damals ein wahrer Luxus. Möglicherweise war Mozart auch spielsüchtig und unter anderem deshalb oft in Geldverlegenheiten. Eigentlich war er Großverdiener. Er verfügte über ein Jahreseinkommen von rund 5.000 Gulden, was nach heutiger Kaufkraft etwa 150.000 Euro entspricht. Zum Vergleich listen die ForscherInnen um Bauer den Kollegen Joseph Haydn mit 2.000 Gulden auf, einen Universitätsprofessor mit 300, einen Schulmeister mit 22 und Mozarts Dienstmädchen (egal welches) mit 12 Gulden pro Jahr. Das ist wacker von den Forschern; trotzdem darf man getrost darauf wetten, den Sprung in ein sogenanntes seriöses Nachschlagewerk wird nicht eines von Mozarts Dienstmädchen jemals schaffen. Sind deren Dienste auch zweifellos in die Zauberflöte oder die Spatzenmesse eingegangen: nach dem Mayallschen Gesetz merkt es keiner.
~~~ Der Wiener Komponist Franz Xaver Süßmayr, zuletzt auch rechte Hand des Kapellmeisters Joseph Weigl vom Theater am Kärntnertor, wurde nicht nennenswert älter als Mozart. Er hatte jedoch das Glück, 10 Jahre jünger zu sein, weshalb er sich nach Mozarts Ableben zum Vollender von Mozarts Requiem (in D-Moll) erheben konnte. Vielleicht hatte auch die liebe Witwe Constanze Mozart ihre fürsorgliche Hand im Spiel, halten sich doch hartnäckig Gerüchte, sie hätte etwas mit dem Freund des Hauses gehabt – möglicherweise sogar den angeblichen Mozartsohn Franz Xaver Wolfgang, geboren 1791. Süßmayr hatte Constanze zum Beispiel wiederholt zur Kur nach Baden (bei Wien) begleitet. Er sollte nämlich »auf sie aufpassen«, wie der vielbeschäftigte Gatte angeblich glaubte. Zu dieser Theorie würde es natürlich ausgezeichnet passen, wenn Mozart vergiftet worden wäre, eben durch Süßmayr, doch dann gibt es wieder Quellen, die bei dem Wiener Hausfreund und Schlawiner eher homosexuelle Neigungen beobachtet haben wollen. Bei seiner Ergänzung des Requiems konnte er, so wie es angelegt war, vielleicht nicht viel falsch machen; sie wird, in der Aufführungspraxis, meistens gebilligt. Angeblich beruht sie auf Skizzen und im Todeskampf gehauchten Anweisungen des Meisters persönlich. Süßmayrs eigene Werke unterscheiden sich nach Ansicht etlicher Sachkundiger von Mozarts Werken ungefähr wie ein kugelbäuchiges Shetlandpony von Mozarts Reitpferd. Aber wer weiß, ob Süßmayr nicht im Alter noch gewachsen wäre. Er erlag 1803 mit wahrscheinlich 37 Jahren einer Krankheit – vielleicht der Tuberkulose. Damit zum nächsten Wunderkind.
~~~ Es handelt sich um den »spanischen«, für manche auch nur »baskischen Mozart« Juan Crisóstomo de Arriaga. 1806 in betuchtem musischem Hause geboren, wurde seine erste Oper (Los Esclavos felices, Die glücklichen Sklaven) mit Erfolg in seiner Heimatstadt Bilbao aufgeführt, als er 15 war. Da sein Hauptinstrument die Geige war, konnte er, neben manchem anderem, selbst einer Sinfonie, auch noch drei Streichquartette schreiben – und hinterlassen, ehe er 1826 in Paris mit knapp 20 Jahren der Tuberkulose und wohl auch seinem rastlosen Schaffen zum Opfer fiel. Zu diesem Zeitpunkt war er am dortigen Konservatorium bereits Assistent in François-Joseph Fétis‘ Kompositionsklasse gewesen. Die ein Jahr zuvor veröffentlichten Streichquartette gelten als Arriagas Hauptwerke. Fétis versicherte damals, man werde keine Schöpfung finden, die »origineller, eleganter und von größerer stilistischer Reinheit« sei. Die Quartette sollen streckenweise an Schubert erinnern, ohne daß man Arriaga bislang eine Bekanntschaft mit dessen Werken nachweisen konnte. 1890 wurde Bilbaos wichtigstes Theater nach dem Frühverstorbenen benannt.
~~~ Der Wiener Komponist Franz Schubert ist berühmt genug, um hier nur gestreift zu werden. Er starb 1828 mit 31 Jahren. Für den Hamburger Mediziner Timm Ludwig*** ist die »Diagnose« der Todesursachen in Schuberts Fall nahezu geklärt. Zwar besage der tradierte Ausdruck »Nervenfieber« lediglich, dem Tod sei eine Bewußtseinsstörung vorausgegangen – doch entscheidend sei die Syphilis-Erkrankung, mit der sich Vielschreiber Schubert seit rund sechs Jahren bekanntermaßen abgeplagt habe (häufig Schwindel, Kopfschmerz usw.). Daneben muß Schubert freilich auch Vielesser, -säufer und -raucher gewesen sein. Alles zusammen habe, die »katastrophalen Wiener hygienischen Verhältnisse« eingerechnet, sicherlich für geringe Abwehrkraft gesorgt. Wahrscheinlich habe ihm in jenem Winter eine »Infektion mit Abdominaltyphus« den Rest gegeben. Hier sei die »aus heutiger Sicht absurde Therapie« mit einem Aderlaß natürlich »fatal« gewesen. Dr. med. Ludwig, ein Anästhesiologe, gestattet sich noch ein bemerkenswert fachfremdes Schlußwort: »Der tiefreligiöse Pazifist Schubert hatte die Courage, seine Verachtung für Metternichs Polizeistaat und die damit kollaborierende katholische Kirche offen zu zeigen. Das hat ihm Verhaftung, Bespitzelung, berufliche Chancenlosigkeit eingetragen und, über seinen frühen Tod hinaus, bis heute, perfide Verkitschung zum weinseligen Liedermacher.«
∞ Verfaßt 2022
* Gerd Reuther, Heilung Nebensache. Eine kritische Geschichte der europäischen Medizin von Hippokrates bis Corona, München 2021,
S. 68
** Buchausgabe: Günther G. Bauer, Mozart – Geld, Ruhm und Ehre, Bad Honnef 2009
*** Timm Ludwig, »Tödliche Krankheit, unsterbliche Musik«, Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 47, 21. November 1997: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/94/47/a3195-6.pdf
In vielen Nachschlagewerken wird Mendelssohn als Erfinder des Taktstockes oder jedenfalls der Rolle des Dirigenten im heutigen Verständnis ausgegeben. Damit befördern sie eben den Geniekult, dem auch das Dirigieren dient. In Wahrheit bahnte sich das uns geläufige Dirigieren über Jahrzehnte hinweg schon vor Mendelssohn an, wie der Berner Musikwissenschaftler Anselm Gerhard 2005 in einem Aufsatz* erläutert hat. Traditionell »dirigierten« der Erste Geiger (mit dem Bogen) oder der Cembalist (mit der Notenrolle) von ihrem Platz am Instrument aus. Mit dem Aufkommen großer Opern – Chöre und TänzerInnen eingeschlossen – verfiel man darauf, dem Komponisten einen »Knüppel« zu geben, mit dem dieser auf den Boden stampfte oder auf einen Kasten schlug. Dem französischen Tänzer, Hofkomponisten und Dirigenten Jean-Baptiste Lully (1632–87) fiel dabei 1686 das Pech zu, sich bei der legendären Aufführung seines Te Deums den Knüppel versehentlich in den Fuß zu rammen. Das führte, nach Gerhard, zu einer schleichenden Blutvergiftung, an der Lully, 54, drei Monate später starb.
~~~ In Egon Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit (um 1930) ist der Knüppel ein Rohrstock gewesen. Andere Quellen bescheiden sich mit Lullys »Spazierstock«, zu dem der Jugendfreund und dann Günstling des »Sonnenkönigs« Ludwig XIV. erbost gegriffen habe, um seinen Unmut ins Parkett zu stampfen. Vielleicht war dieser Spazierstock mit einer rostigen Eisenspitze versehen, durch die sich Lullys zunächst unbedeutende Fußwunde später entzündete; vielleicht waren aber auch schnöde Krankenhauskeime oder Kurpfuscherei im tödlichen Spiel. Jedenfalls lehnte der Stardirigent eine Amputation des Fußes ab, da er schließlich auch Tänzer sei. Ich halte es allerdings auch nicht für ausgeschlossen, schlitzohrige Biografen verlegten die Geschichte dieser tödlichen Verwundung flugs von der Straße oder dem Reitweg auf die Bühne, auf daß sie mehr Wirkung entfalte.
~~~ Damit zurück zum Dirigieren. Auch der Taktstock in Gestalt eines dünnen, womöglich noch weißlackierten Stäbchens ist keineswegs auf Mendelssohns Mist gewachsen. Der hervorragende Geiger Louis Spohr etwa pflegte ihn schon um 1820 zu benutzen, wenn auch meist nur für Proben. Selbst Mendelssohn dirigierte bei Konzerten oft vom Klavier aus. Aber er kam auf den Geschmack, bewährte sich das Insigne doch nicht nur in der Aktion. 1843 wechselte er in Leipzig mit dem Kollegen Hector Berlioz seinen Taktstock nach vollbrachter Tat – »wie die alten Krieger ihre Rüstungen getauscht hatten«, wobei der feurige Franzose sogar ausdrücklich von seinem »Tomahawk« sprach. Sie hatten das Publikum erlegt.
~~~ Die Musik begann in den Hintergrund zu treten. Noch 1779 hatte, wie Gerhard mitteilt, »ein anonymer teutscher Biedermann« lapidar festgestellt, soweit der Komponist vor der öffentlichen Aufführung »sattsame Proben gehalten« habe, bedürfe es »weiter keiner Direktion«; das Orchester dirigiere sich »alsdann von selbst, wie die Uhr, wenn sie aufgezogen worden ist.« Doch ab ungefähr 1870 trat das Buhlen um die Gunst des Publikums rasant in den Vordergrund. Und das Publikum fand offensichtlich Gefallen daran, Dompteure von Gesamtkunstwerken zu feiern, man denke nur an Wagners Riesenschinken. Laut Anselm Gerhard klagte der selbst vom Bratscher und Geiger zum Dirigenten »aufgestiegene« Paul Hindemith 1952, »die Kaste der Dirigenten« spiele im Musikleben »eine Rolle, die gänzlich außer Proportion zu Leistung und Stellung der übrigen Musiker« geraten sei. Aber sie geriet auch außer Proportion zum aufgeführten Werk. Die gleiche Entwicklung fand bekanntlich im Theater mit seinen Starregisseuren statt: die AufbereiterInnen wurden wichtiger und mächtiger als die UrheberInnen.
~~~ Elias Canetti führt gegen Ende seines dickleibigen, um nicht zu sagen: aufgeblasenen Werkes Masse und Macht von 1960 auf zweieinhalb empfehlenswerten Seiten aus, warum es »keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht als die Tätigkeit des Dirigenten« gebe. Das beginnt mit der herausgehobenen Position des Dirigenten und endet in dessen Kopf – ja sogar in den Köpfen seiner Untergebenen. »Er ist allwissend, denn während die Musiker nur ihre Stimmen vor sich liegen haben, hat er die vollständige Partitur im Kopf oder auf dem Pult. Es ist ihm genau bekannt, was jedem in jedem Augenblick erlaubt ist. Daß er auf alle zusammen achtet, gibt ihm das Ansehen der Allgegenwärtigkeit. Er ist sozusagen in jedermanns Kopf. Er weiß, was jeder machen soll, und er weiß auch, was jeder macht.«
~~~ Inzwischen bedarf es der Taktstäbchen nicht mehr. Einige ausgefuchste und kapitalkräftige DrahtzieherInnen der sogenannten Freien Märkte bringen heutzutage ganze Volkswirtschaften nur durch ein paar Mausklicks zum Einsturz. Sie profitieren von der ungeheuerlichen Unübersichtlichkeit der opferreichen Oper namens Die Welt von heute.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
* Anselm Gerhard im Magazin für klassische Musik Partituren, Berlin, Heft 1 (Sommer 2005), S. 26–32
Remler, Emily (1957–90), weiße US-Jazzgitarristin von der Ostküste. Rund ein Dutzend Platten, auch mit eigenen Kompositionen, darunter 1985 Catwalk.* Sechs Jahre später, erst 32, erlag sie bei einem Gastspiel in Australien offiziell einem »Herzversagen«, nach vielen Vermutungen von ihrem bekannten gepfefferten Drogenkonsum angestoßen, voran Heroin und Dilaudid.**
~~~ Gewiß gibt es wahre Massen von U-Musikern, die ihre Bewußstseins- oder Fingererweiterung mit Hilfe von Drogen mit einem frühen Tod bezahlten, aber sicherlich nur wenige oder gar keine Frauen, die Remler als Gitarristin das Wasser reichen könnten. Mit 18 Jahren hatte das dunkelhaarige und günstigerweise langfingrige Girl vom Lande (Englewood Cliffs, New Jersey) bereits das Berklee College of Music in Boston, Massachusetts, abgeschlossen. Nach vorübergehendem Aufenthalt in New Orleans, wo sich Altmeister Herb Ellis von ihr beeindruckt zeigte, kämpfte sie sich durch die (oft frauenfeindliche) riesige Konkurrenz in New York City. Sie spielte mit etlichen namhaften Musikern und bekam Lehraufträge. Als sie starb (oder sich umgebracht hatte), war sie bereits auf dem Weg zum Weltruhm. Ich kenne einige beeindruckende Videos mit ihr, wo sie unter anderem mit ihrem schlichten, unverkrampften Auftreten für sich einnimmt. Allerdings wäre ich nicht verblüfft, wenn ihr auch dazu die richtig dosierten Drogen mitverholfen hätten. Neben dem üblichen Branchenstreß setzten ihr sicherlich auch verschiedene Liebschaften/Zerwürfnisse mit Männern zu. 1982 hatte sie in einem Interview mit dem Magazin People gesagt: »I may look like a nice Jewish girl from New Jersey, but inside I'm a 50-year-old, heavy-set black man with a big thumb, like Wes Montgomery.«
~~~ Eine selten gewürdigte Wiederholung liegt natürlich bereits darin, daß sich nun schon seit Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten Legionen von begabten jungen Leuten getrieben sehen, die Gitarre oder die Geige auch so gut zu spielen wie X. oder Y., vielleicht sogar besser. Sie verrenken sich ihre Finger und ihre Seelen; sie schuften wie Sklaven in Tretmühlen; sie können die Wahngebilde an ihren Zimmerwänden schon nicht mehr zählen – aber sie schaffen es. Jedenfalls ein paar von ihnen. Sie schaffen es, im Grunde nicht anders dazustehen wie X. oder Y., und sei es liegend, im Sarg. Wäre es nicht viel einfacher und gesünder, auf ein paar Notenbücher oder einen Stapel mit CDs von besonders begabten Vorgängern zu verweisen und zu sagen: »Prima – das reicht!« Und so mit allem.
~~~ Gottseidank trat Remler, soweit ich weiß, nie mit Liedern, also Texten auf. Das hätte gegen meine Betrachtung »Im Gefühlsraum« verstoßen, mit der ich 1998 nur um ein Haar meinen zweiten Auftritt in der Wochenend-Rubrik Moderne Zeiten der Frankfurter Rundschau verpaßte. Redakteurin Jutta Stössinger (gestorben 2017 mit 73) fand sie interessant, aber dann kamen ihr anscheinend noch Bedenken, an die ich mich nicht mehr erinnern kann – vermutlich, weil sie sie mir gar nicht mitteilte. Den ersten Auftritt hatte ich im Mai 1998 mit einem längeren Text übers Wandern, der immerhin 1/3 Zeitungsseite einnahm. Ich glaube, von dem vergleichsweise fürstlichen Honorar, wohl 600 DM, zehre ich heute noch.
~~~ Jene Betrachtung geht dem Wesen und der Bestimmung der Musik nach – die durch Vertextung der Noten nur verfehlt und verdorben werden könnten. So mein zwingendes Resümee. Allerdings war es mir damals nicht gelungen, bis zum Ursprung der Musik vorzudringen. Das hätte meiner Betrachtung vielleicht noch Gewicht verliehen. Aber das wird auch anderen nie gelingen. Später fragte ich mich ersatzweise, ob wir wenigstens die Quellgeschichte der Sprachentstehung kennen ..? Das tun wir, wie es aussieht, leider genauso wenig. Schließlich liegt die Sache mindestens 40.000 Jahre zurück, wie mein Brockhaus meint. Das Wie liegt also völlig im Dunkeln. Immerhin führt das Nachschlagewerk wesentliche Erklärungen des Warums an. 1. Man wollte nicht hinter den Tieren zurückstehen, die ja doch recht vielfältig brüllten, grunzten oder zwitscherten. 2. Man wollte seinen Gefühlen Ausdruck verleihen. 3. Man wollte das Handeln koordinieren, etwa beim Sammeln oder Jagen.
~~~ Als Knabe stellte ich mir die Sache einmal folgendermaßen vor. Da trotteten ein paar AltsteinzeitlerInnen durch die Steppe. Einer von ihnen erblickte einen Baum mit bestimmten fetten, eher seltenen Früchten, blieb stehen, deutete auf den Baum, leckte sich die Lippen und platzte heraus: »Umpf-Umpf!« Die anderen folgten seinem Blick, nickten ebenfalls freudestrahlend und riefen nun vereint »Umpf-Umpf!«. Damit war der erste Name auf Erden verliehen, eben für die fetten Früchte. Ob sie auch gleich geerntet werden konnten, steht auf einem anderen Blatt. Möglicherweise mußte man erst die Leiter erfinden.
~~~ Grund 2 leuchtet wenig ein. Hier liegt der Einsatz von Körpersprache viel näher. Die beiden anderen Gründe sollte man vielleicht zusammenführen, wobei Alain – der Erfinder jenes »Gefühlsraums« – erneut behilflich sein kann. Den Ausgangspunkt liefert jedoch der britisch-argentinische Schriftsteller und Naturforscher William Henry Hudson (1841–1922). Während sein Roman Das Vogelmädchen ein langatmiges Rührstück ist, das sich locker als Nackenrolle auf der Couch im zuständigen Lektorat bei Klettcotta eignen würde, ist er in der Manesse-Anthologie Vögel in der Weltliteratur mit zwei glänzend geschriebenen Essays vertreten. Hudson findet es merkwürdig, daß der Mensch keinen eigenen Ruf entwickelte, obwohl er doch so lange in der Wildnis zu bestehen hatte. Das ist in der Tat merkwürdig. Mit Alains Lebensalter und Anschauung (1927) läßt sich aber eine Erklärung dafür finden, wenn auch kein Trost. Der Mensch sah sich genötigt, die Nacht zu bezwingen. Im Neandertal war es vor allem finster. Katzen, Kobolde, oft furchterregend brüllende Schatten schlichen im fahlen Mondlicht umher, von den flatternden Fledermäusen oder Eulen ganz zu schweigen. Um sich ihrer zu erwehren, mußte man sich verständigen. Wider das Dunkel helfen weder Abzeichen (Rotkehlchen) noch Auf-ihn-mit-Gebrüll! Man mußte vielmehr tuscheln, flüstern, sich besprechen. So enthielt sich der Mensch des Rufens, glaube ich, und entwickelte stattdessen die Sprache. Hat sie uns letztlich mehr heillose Verwirrung als hilfreiche Aufklärung eingebracht – wer konnte das damals ahnen? Nachher habe man immer recht, spottete Günter Eich in seinen Maulwürfen. »Man sollte gleich nachher leben.«
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
* mit Eddie Gomez (Baß), Bob Moses (Drums) und John D'Earth (Trompete)
** Michael J. West, »The Rise and Decline of Guitarist Emily Remler«, JazzTimes (USA), 8. Dezember 2020: https://jazztimes.com/features/emily-remler-rise-decline/
Trotz & Töne --- Meine größte musikalische Schwäche dürfte mein Gesang sein. Ich meine damit weniger meine technische Unbeholfenheit beim Singen, vielmehr die Blässe meiner Gesangsstimme. Sie ist zu farblos; sie hat keinen Reiz. Möglicherweise gilt das nur fürs Singen. Jedenfalls versicherten mir schon mehrere Leute unabhängig voneinander, an mir sei ein Rundfunk- oder Synchronsprecher verloren gegangen. Haben sie recht, wäre es nicht die einzige Chance, die ich verpaßt hätte. Hüten Sie sich vor einem Ehrgeiz, der mit Unschlüssigkeit gepaart ist. Er bringt es nie zu was.
~~~ Was den Gesang angeht, könnte ich mich natürlich mit dem Gedanken trösten, andere kämen auch nicht unbedingt als John Lee Hooker auf die Welt. Bei uns zum Beispiel Kai Degenhardt oder Manfred Maurenbrecher. Von Manfred weiß ich, er schätzte zu unserer gemeinsamen Trotz & Träume-Zeit Bob Dylan, Van Morrison, Randy Newman. Aber für mich sind auch diese weltberühmten Sänger nicht gerade umwerfend – es sei denn, weil man sich lieber die Ohren zuhält und dabei stolpert. Irgendwelche Götter pflanzten die Rio Reisers spärlich. Nebenbei brüllt Morrison oft, statt zu singen, und wenn er zuweilen den Fehler begeht, mit Hooker auf einer Bühne oder Platte zu singen, sollte man ihn wirklich zu Tarzan in den Urwald schicken.
~~~ Warum bestimmte Gesangs- oder Sprechstimmen auf den einen große Faszination ausüben, auf den anderen dagegen nicht, dürfte allerdings kaum zu enträtseln sein. Im Internet wird von Psychologen und Logopäden durchaus viel über einschüchternde (grollende) oder unangenehme (etwa piepsige) Stimmen gelabert. Sie verführten uns sogar häufig zu Rückschlüssen auf Erscheinung und Wesen des Sprechenden oder Singenden, falls er gerade unsichtbar sei. Aber das Rätsel selber – die unterschiedlichen Vorlieben der HörerInnen – umschiffen sie, als stünden sie vor dem Loch Ness. Warum stehe ich, allein vom Höreindruck her, auf Jerry Garcia von Grateful Dead, John McCrea von Cake und Sven Regener von Element Of Crime, Sie dagegen nicht?
~~~ Die Erscheinung eines Gesangskünstlers spielt doch sowieso überhaupt keine Rolle. Hier sind wir nur Sklaven der postmodernen Verbilderungssucht. Der betörendste Tenor der Weimarer Republik, Ari Leschnikoff von den Comedian Harmonists, erinnerte mit seiner knorrigen Untersetztheit an einen bulgarischen Rebstock. Jerry Garcia wirkt auf der Bühne dicklich bis dümmlich; der vollbärtige John McCrea, Baseballmütze auf, könnte gerade vom Dreh eines typischen, ekelhaften US-Werbefilms für Hundefutter gekommen sein. Die entscheidende Erotik dieser nicht unbedingt filmreifen »Frontmänner« liegt in ihren eigentümlichen Stimmen.
~~~ Immerhin fällt mir jetzt eine Vorliebe auf, die der inzwischen knapp 60jährige Kalifornier McCrea mit Randy Newman teilt. Sie lassen die (englischen) Worte oft buchstäblich auf ihrer Zunge zergehen; sie lutschen und verspeisen sie wie Pralinen. Ich dagegen, so fürchte ich, pflege die Worte meiner Gesangstexte überwiegend lieblos auszustoßen wie Tropfen beim Niesen. Man achtet beim Singen gar nicht auf sie; nur auf die befreiende Wirkung des Atem- und Wasserschwalls kommt es einem an. Genau deshalb war ich auch immer auf der Querflöte so schlecht. Da hat man die Töne, mit Lippen und Zwerchfell, zu formen.
∞ Verfaßt 2022
Der vielbesungene US-Bürger Casey Jones ist vor allem für seine (angebliche) Selbstlosigkeit bekannt. Geboren am 14. März 1863 in Kentucky, brachte er es bei diversen Eisenbahngesellschaften bis zum Lokomotivführer. Als sein Personenzug am 30. April 1900 mit unverschuldeter Verspätung und daher mit Volldampf von Memphis, Tennessee, nach Canton, Mississippi, brauste, drohte im Städtchen Vaughan, mitten in der Nacht, unvermutet ein Riesenunfall, weil ein Güterzug auf dem Durchgangsgleis abgestellt worden war. Heizer Sim Webb, wohl auch von seiner Hautfarbe her ein Schwarzer, erkannte es dank einer Kurve noch rechtzeitig und veranlaßte so seinen Chef, mit aller Macht das Tempo zu drosseln. Gleichwohl zeichnete sich ein Aufprall ab. Deshalb habe Jones geschrien: »Spring, Sim, spring!« Das tat er denn auch, als der Abstand nur noch 100 Meter betrug. Webb kam mit glimpflichen Verletzungen davon. Jones dagegen, der hartnäckige Bremser, zuletzt nur noch rund 55 km/h schnell, büßte, erst 37, sein Leben ein – als einziger von den Insassen des Personenzugs. Deshalb galt er hinfort als Retter und Held.
~~~ Etwas zwielichtig kommt mir jedoch die Rolle von Webb vor. Niemand scheint sich zu fragen, woher das Wissen um jene angebliche Aufforderung Jones‘ »auszusteigen« stammt. Meines Erachtens kommt nur der Kohlenschaufler als Quelle in Frage. Und ich wäre nicht verblüfft, wenn er die Aufforderung erfunden hätte, um im Vergleich zu dem zukünftigen Helden nicht etwa als Hasenfuß dazustehen. Der Chef hatte ihm einen Befehl erteilt, und den mußte er selbstverständlich befolgen …
~~~ Über die Persönlichkeit des Befehlshabers ist leider so gut wie nichts zu erfahren. Er war eben selbstlos und mutig – man glaubt es eigentlich nur schwer. Täusche ich mich nicht, teilten Grateful Dead meine Skepsis bereits 1970 auf ihrem Album Workingman's Dead. Sie geben Casey Jones echt frech als einen Junkie, einen Typen auf »high speed«, der vor wie hinter sich nichts als »trouble« hat und vielleicht doch besser tot wäre. Der Rat wird befolgt – nicht nur vom Casey des Liedes, sondern auch von zahlreichen Rockmusikern, wie wir wissen, Mrs. Janis Joplin eingeschlossen. Da diese aber sowieso nur inbrünstig brüllen, nicht singen konnte, war der Verlust für die Musikgeschichte kaum katastrophal. Anders im Falle Jerry Garcias. In einem Video, das im Internet fischbar ist, bringt der umwerfende Sänger und Lead-Gitarrist der »Dankbaren Toten« auch den Casey-Jones-Song zu Gehör. Seine brüchige, oft verschwebende Stimme betört mindestens 3o Mal mehr als die von Joplin, Van Morrison und erst recht meine eigene. Das Verschweben hatte Garcia auch in seinen Gitarrenriffs drauf – und im Leben. Er zerrüttete seine Gesundheit über Jahre hinweg zielstrebig, bis er, 1995, mit 53 Jahren starb.
~~~ Ich bin Liedermacher, somit kein Experte für Rockmusik. Gleichwohl habe ich den Eindruck, Garcias Band habe damals ein bis dahin unbekanntes Klangbild in die Rockmusik eingeführt: wie hingetupft, gleichsam impressionistisch, von Schwermut und Klassenkampf gleichermaßen meilenweit entfernt. Würde mich jemand fragen, ob es ein Paradies gäbe, würde ich erwidern, es gibt die Musik von Grateful Dead. Andererseits hat es ohne Zweifel auch um 1970 bereits die Hölle gegeben, an deren Einfahrt eine Fackelträgerin und ein Weißes Haus stehen. Die Eisenbahn spielte eine wesentliche Rolle bei der sogenannten Erschließung des Westens der USA. Dann nahmen sie sich den Pazifik vor. Das Blut der jeweiligen UreinwohnerInnen floß in Strömen. Ich wäre also nicht verblüfft, wenn Casey Jones kein kühner und tapferer Proletarier, vielmehr der übliche Imperialistenknecht gewesen wäre.
∞ Verfaßt 2023
Peinlichkeiten nach Noten --- Zu den belangloseren Peinlichkeiten meines irdischen Waltens zählt die Fassung meines »Gelegenheitsliedes«, die auf der Langspielplatte Trotz & Träume von 1979 zu hören ist. Ich sang es und spielte dazu die Rythmusgitarre. Das letztere freilich so schlecht, daß sich das eigentlich flotte Liedchen immer mehr verschleppte. Es klang wie eine Dampflok, die durch ein Loch im Heizkessel an jeder siebten Schwelle ein Häufchen glühender Eierkohlen verliert. Nach rund drei Minuten war das Stück ungefähr halb so schnell wie zu Beginn. Aber das Tempohalten war nie meine Stärke gewesen. Bei meinen Soloaufnahmen 2012 gelang es mir nur, weil das digitale Aufnahmeprogramm Audacity (Betonung auf Silbe 2) eine Metronomspur bot, die man am Schluß wieder löschen konnte. Bei dem Zwerglied »Der Fitnesser« ließ ich sie allerdings streckenweise sogar drin. Es geht da um einen Jogger.
~~~ Wir hatten damals, über Freunde, ein vergleichweise billiges Aufnahmestudio am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer aufgetan. Es lag unweit der Kottbusser Brücke und der Kneipe Morgenrot der gleichnamigen Rockgruppe in einem Dachgeschoß, wenn ich mich recht erinnere. Damals wurde noch mit Mischpulten gearbeitet, an denen der Tonmeister die Regler ungefähr so schob wie einst der Heizer die Klappen seines Tenderofens. Morgenrot hielten es vielleicht nicht anders, aber diese Jungs in den hautengen, schicken Lederhosen waren natürlich um Klafter professioneller als wir drei Liedermachernasen von Trotz & Träume. Für die Plattenaufnahmen hatten wir uns noch mit ein paar anderen musizierenden Spontis verstärkt, die auch nicht wesentlich besser als wir selber waren, ausgenommen Michael Stein. Er war, was man heute ein Multitalent nennt. Der smarte Hüne, stets bescheiden und hilfsbereit, spielte etliche Instrumente, darunter Contrabaß, Gitarre, Saxofon, und er hatte, vor allem im Gegensatz zu mir, wirklich Musik im Blut. Später wohl leider auch zu viele Drogen. Er ging schon 2007, mit 55 Jahren, von uns.
~~~ Eine nächste, nicht ganz so belanglose Peinlichkeit wäre mein hartnäckiger Versuch, bei Trotz & Träume nicht nur Gitarre und Querflöte (sauschlecht!), sondern auch und vor allem den Häuptling zu spielen. Die Kluft zwischen diesem Anspruch und meinen künstlerischen Leistungen fiel mir anscheinend nie so richtig auf. Meine Mitstreiter Burkhard Schulze-Darup und Manfred Maurenbrecher erduldeten sie mit großer Nachsicht, weil halt jede anständige Band einen Prahlhans braucht. Ihnen selber lag diese Rolle nicht. Da muß man sie doch geradezu beglückwünschen, daß sie mich gefunden hatten, der sie nun gängeln und nerven durfte. Täusche ich mich nicht, ließ ich öfter einfach nur meine Launen an ihnen aus. Als ungewählter Bandleader oder Frontman stand mir selbstverständlich auch die mit Abstand höchste Quote an libidinösen Eroberungen »on the road« zu. Es wurde geradezu zur Manie. Hätte ich statt eines Gitarrenhalses einen Gewehrkolben gehabt, hätte ich ihn stolz mit Kerben verziert. Das wäre also schon wieder eine Peinlichkeit.
~~~ Merkwürdigerweise befriedigten mich meine Eroberungen immer nur ausgesprochen kurzzeitig – von einer dauerhaften Befriedung konnte leider nicht die Rede sein. Ich war über viele Jahre hinweg die Unruhe, die Unschlüssigkeit und der Hader in Person. Die Launen, die ich eben erwähnte, kamen wohl nicht von ungefähr. Der launische ist der unausgeglichene Mensch. Das ist freilich eine Frage von Qualitäten, wie ich heute vermute, und nicht etwa von Kerben auf einem Gewehrkolben. Der unausgeglichene Mensch ist maßlos, und leider auch maßlos dumm. Er gleicht dem berühmten Faß ohne Boden. Dabei ist das Faß doch sowieso schon hohl.
~~~ Wie üblich, überschätzten wir unser Werk und ließen von unserer LP Trotz & Träume deshalb gleich 1.000 Exemplare pressen, falls ich mich nicht irre. Nur ein Bruchteil davon wurde vertrieben. Ich neige jedoch dazu, darin allenfalls eine geringfügige Peinlichkeit zu erblicken. Immerhin hatten wir alles selber gemacht, das Eintreiben kleiner Privatkredite eingeschlossen. Insofern waren wir also auch nur selber schuld. Die GeldgeberInnen erwarteten ohnehin keine Rückzahlung. Sie wußten, das sind Idealisten oder Spinner. Trotzdem ist mir der grandiose Mißerfolg unserer Platte noch heute nicht so ganz verständlich. Wir bekamen damals einige lobende Pressekritiken, darunter sogar von FR-Kolumnist Thomas Rothschild, an dessen Lippen damals fast alle linksgestimmten MusikliebhaberInnen hingen. Er schlug die Platte (im Januar 1980) dem »Schwulenmilieu« zu und zeigte sich »vom Fehlen sentimentalen Selbstmitleides sowie der sprachlichen Präzision der Texte und dem überraschenden Sound«, der gelegentlich an das kammermusikalische Konzept der Frauengruppe Schneewittchen erinnere, »angenehm berührt«. Meine Güte! Schneewittchen hat vier Alben herausgebracht – aber wer kennt diese Hamburger Band denn heute noch?
~~~ Mit dem Projekt Meier & Nagel und deren CD Leon (2023) habe ich im Grunde an jener selbstproduzierten LP von 1979 angeknüpft. Bleiben wir auf den meisten Scheiben sitzen, wäre es also kein Wunder. Ich glaube allerdings, es wäre auch nicht so schlimm. Der Lagerplatzbedarf für Ladenhüter-CDs ist ja heutzutage viel geringer, und davon einmal abgesehen, hat uns die Zusammenarbeit wertvolle Erfahrungen und Freundschaften eingebracht. Wer es genauer wissen will: das hat uns ein vergleichsweise schmales Budget von 8.000 Euro gekostet. Mit 500 Euro (für 500 Exemplare) war der Posten für das Preßwerk noch der dickste. Den Rest teilten sich sechs MusikerInnen und eine Grafikerin als Honorar und Spesenerstattung – lächerlich. Ich selber, ausschließlich als Komponist beteiligt, wollte überhaupt nichts. Studiokosten fielen ebenfalls nicht an, weil Projektleiter und Arrangeur Christian Nagel nur MitstreiterInnen angeheuert hatte, die Zugang zu einem Mikro nebst Aufnahmeprogramm hatten. So kamen einzelne Tonspuren zusammen, die per Internet herumgeschickt und schließlich von Nagel und Produzent Christoph Boldt gebündelt und frisiert wurden. Ja, so einfach geht das heutzutage! Falls die Hardware nicht streikt, der Strom nicht ausfällt, das Internet nicht zusammenbricht, ungezogene nordkoreanische, palästinensische oder sowjetrussische Buben nicht mit Atombomben nach unseren Leuchtfeuern Baerbock und Biden werfen. Wie sich versteht, darf man auch nicht jäh an der x-ten »Variante« des schrecklichen Corona-Virus sterben.
~~~ Ohne Zweifel hat auch die CD Leon gewisse Mängel, die ich aber nicht unbedingt als peinlich empfinde. Von einer gegenströmigen Plattenproduktion kann man schließlich nicht die Perfektion, Glätte, Belanglosigkeit eines Werkes der Traveling Wilburys verlangen. So gibt es stellenweise Mängel in der Textverständlichkeit und der sonstigen Intonation. Ob auch in dem »Material«, das Reitmeier und Nagel geliefert haben, gewisse Schwächen stecken, wage ich nicht zu beurteilen. Das werden die Chronisten anspruchsvoller und kritischer deutschsprachiger Popmusik in ein paar Jahrzehnten entscheiden, falls die Lagerbestände bis dahin nicht aus unkaufmännischen Gründen geschmolzen sind.
∞ Verfaßt November 2023
Impfung gegen Reformismus --- Im zurückliegenden Sommer, schon gegen Ende unserer Leon-Plattenproduktion, rückte eine Minderheit unseres Clubs Meier & Nagel mit zum Teil starken Bedenken gegen meine drei Corona-Lieder heraus. Vor allem vom Titel Mutter hol die Kinder rein wurde befürchtet, er könne bei vielen Leuten Mißverständnisse hervorrufen und sie deshalb vor den Kopf stoßen. Er verspottet das Hereinfallen auf die staatliche und mediale Impfpropaganda und gestattet sich eine Verknüpfung zur postmodernen Kriegsführung. Insbesondere die Verse »Babies gibts ja sowieso zu viel, solln sie doch [durch den Impfarzt] verrecken« verunglimpften den Glauben breiter Massen, sie täten ihren Kindern durchs gehorsame Impfenlassen etwas Gutes. Daneben werde aber auch die Andeutung mit der Einführung des »Blauen Sterns« für Ungeimpfte in dem Titel Die Benachrichtigung zu vielen Pawlowschen Reflexen, Einbußen beim Verkauf der Platte und womöglich sogar zu strafrechtlicher Verfolgung wegen Verharmlosung oder Volksverhetzung führen. Diese zwei Titel müßten daher gestrichen werden.
~~~ In meiner brieflichen Zurückweisung der Bedenken zweifelte ich zunächst an, den Kritikern lägen allein das Wohl der Kinder des deutschen Volkes und die Sorge um ihre eigene bürgerliche Existenz am Herzen. »Ich glaube eher, hier sind hauptsächlich Ängste vor Vorwürfen und vor Ächtung im Spiel. Weil man sich wieder einmal ‚unmögliche‘ Außenseiterpositionen anmaßt. Die Angst vor der Mehrheit ist ein furchtbarer Hebel – aber die Mehrheit ist in der Regel nicht weniger furchtbar. Dazu verweise ich euch auf meine kleine Betrachtung Das Offensichtliche.«
~~~ Ferner schien mir auch die befremdliche Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeit der potentiellen HörerInnen »stark dem Kniefall vor dem Gefühlshaushalt, ja mehr noch, vor dem gutgemeinten Rechthaberinstinkt der breiten Massen zu ähneln – vor jenem → Mehrheitsdenken also, das ich in der verlinkten Betrachtung schon mit Hilfe des Schloßherrn Montaigne beklagte. Damit wird die Grenze zwischen mitfühlender oder höflicher Rücksichtnahme und purem Anbiedern, auch Opportunismus genannt, dünner als eine CD-Scheibe. Damit ist keine wirkliche Opposition mehr möglich, denn die ‚Beschämung‘ der Massen, die unsere einsprechenden MitstreiterInnen vermeiden möchten, lauert nahezu überall. Man darf diesen Massen zum Beispiel nicht die erdrückenden Indizien unterbreiten, die auf 9/11 als ein Schwerverbrechen der US-Bosse verweisen: Millionen Menschen in aller Welt könnten sich gekränkt fühlen, hieße das doch, sie hätten sich wieder einmal tüchtig verarschen lassen. Das läßt sich keiner gern sagen.«
~~~ Leider gelang es nicht, der Minderheit die Bedenken zu nehmen. Da wir für unseren Club das Konsensprinzip festgelegt hatten, war das Veto unangreifbar. Die Alternative wäre das Scheitern der gesamten Plattenproduktion gewesen. So gab ich klein bei und erklärte mich mit der Streichung der beiden umstrittenen Titel einverstanden. Projektleiter Nagel versicherte mir immerhin, es sei mir ja unbenommen, den Streitfall in meinem Blog zu behandeln – wo die umstrittenen Titel sowieso schon seit mehreren Jahren stehen, wenn auch nur als Notenblätter.
~~~ Im Kern ging es damals ersichtlich um das leidige Reformismus-Problem. Dazu habe ich bereits früher einiges geschrieben, das mit Hilfe meines Blog-Registers auffindbar ist. Ich wiederhole hier lediglich den Hauptgedanken meiner Reformismus-Kritik und führe ferner noch einen neuen Gesichtspunkt an. Alle reformistischen Maßnahmen laufen darauf hinaus, ein im Grunde barbarisches Gesellschaftssystem nicht etwa empfindlich anzukratzen, vielmehr gerade noch zu festigen. Durch die Reformen wird es beweglicher, schmiegsamer, langlebiger. Das heißt, der allein rettende Umsturz wird auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Gerade gründet Frau Wagenknecht eine neue Partei, weil wir bislang erst so furchtbar wenig Parteigründungen hatten. Das Kürzel USPD ist für Frau Wagenknecht ein Buch mit sieben Siegeln. Damit wird die naheliegende Idee, es vielleicht einmal ohne Parteien und Berufspolitik und Stellvertreterei zu versuchen, auch noch aus den wenigen Köpfen geblasen, die sich bislang der digitalen Gehirnwäsche und damit der Geschichtsvergessenheit störrisch widersetzt haben. In drei Jahren wird dann die nächste »linke« oder »alternative« Partei gegründet und so weiter und so fort.
~~~ Der neue Gesichtspunkt wäre: Seit Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten kräht das internationale Versöhnlertum aller Schattierungen, wir wollten doch alle dasselbe. Wir hätten unsere Meinungsverschiedenheiten endlich einmal zu begraben und uns somit künftig auch der kränkenden Polemik zu enthalten. Aber das ist Quatsch mit Soße. Die Meinungsverschiedenheiten im oppositionellen Lager bestehen völlig zurecht, weil sich auch die Soziologie der Gesellschaft und der Revolution ungemein verästelt und verkompliziert hat. In diesem Dschungel den Ausweg zu finden, ist eine Aufgabe für Titanen oder Kriminalkommissare. Alle anderen Wege führen nämlich garantiert aufs Glatteis. Von diesen Irrwegen gibt es in jeder Epoche ungefähr 1.000, während es, wie ich glaube, immer nur einen wirklichen Ausweg gibt. Den gilt es zu finden, und dazu bedarf es des Meinungsstreits.
~~~ Ich beschränke mich auch in dieser Hinsicht, als Beispiel, auf einen Teilaspekt. Es gibt sicherlich zahlreiche Varianten, wie man das große Deutschland demokratischer aufteilen, strukturieren, verwalten könnte. Aber mit jeder dieser Varianten ist das Scheitern programmiert, solange Deutschland nicht verkleinert wird. Es muß einfacher und überschaubarer werden, wie ich kürzlich in meinem RUD-Manifest sagte. Diese Verkleinerung ist der entscheidende Hebel in der Organisationsfrage. Wer ihn scheut, hat bereits verloren.
~~~ Der Radikale geht an die Wurzeln. Ein anderes Wort für »radikal sein« wäre »konsequent sein«. Gerade in dem besorgten Sinn, wie ihn jene Bedenken gegen meine Corona-Lieder zeigten, wird aber immer geklagt: Diese Konsequenz kann ich mir nicht leisten. Ich verliere Zeit, ich verliere Geld, ich verliere meinen Arbeitsplatz, meine Familienangehörigen verlassen mich – das Verhungern in der Isolation wäre mir auf diese Weise sicher. Ich muß einräumen, diese Bedenken sind nicht ganz aus der Luft gegriffen. Möglicherweise gelingt Konsequenz nur, wenn man bereit ist, als Preis für Unabhängigkeit eine ungewöhnlich bescheidene Lebensführung zu zahlen. Ich muß ja nicht unbedingt Professor oder auch nur Busfahrer werden. Ich muß auch nicht unbedingt eine Familie gründen, damit sie mir wie ein Mühlstein am Hals hängt. Viele Babys wären ja sowieso am besten beraten, wenn sie gar nicht erst auf die Welt kämen, wie einer unlängst in seinen Liedern angedeutet hat … Diese Bescheidung um der werten Konsequenz willen ist selbstverständlich mit einigen Unbequemlichkeiten und Entbehrungen und noch anderen Nachteilen verbunden. Ob sie auch Weltsicht, Sozialempfinden, Widerstandskraft beschränkt, wäre vielleicht noch zu untersuchen. Vielleicht hätten Sie Belege dazu – bitte einreichen.
~~~ Übrigens habe ich mir auch die (gekürzte) Platte Leon vom Mund abgespart. Ich war nämlich der Hauptfinanzier. Bei meiner Zwergrente ist das fast ein Wunder. Zuverdienste hatte ich als Rentner nie. Keine Reisen, keine Restaurantbesuche, keine neuen Hemden, kein Frisör, kein noch so winziges Fernsehgerät, kein Handy, noch nicht einmal eine Katze, die mein Los und meine Brotrinden mit mir teilte. Der unvermeidliche Preis für konsequente Kunst und ein gutes Gewissen ..?
~~~ Der Wegfall der beiden Corona-Lieder schmerzt mich nach wie vor. Witzigerweise waren sie sogar schon aufgenommen und, Anfang Juli, von Produzent Boldt im Rahmen eines ersten Premasters mit 28 weiteren Stücken herumgeschickt worden. Die Benachrichtigung ist auf dieser Probe-CD mit Gesang, Klavier und Posaune zu hören. Ein mit der Gruppe befreundeter Kirchenmusik-Student meinte dazu per Mail: »Der Gesangsvortrag trifft genau ins Schwarze. Wenn ich diesen Titel höre, spüre ich (besonders auch im Posaunensolo) eine tiefe Traurigkeit. Sie erinnert mich an vieles, was ich z.B. in den Klemperer-Tagebüchern gelesen habe, wie die Juden in der NS-Zeit merkten, wie sie zunehmend aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. All dies höre ich in Reitmeiers Musik und in deren Interpretation durch die beteiligten MusikerInnen. ‚Die Benachrichtigung‘ ist mein absolutes Lieblingslied auf der Platte.«
~~~ Vielleicht könnte sich demnächst ja auch mal ein Staatsanwalt für meine Corona-Lieder erwärmen? Bei meiner Zwergrente, siehe oben, kann ichs mir wirklich nicht leisten, eine Werbeagentur für hübsche PR anzuheuern.
∞ Verfaßt November 2023. Die umstrittenen Stücke finden sich hier in Band 5.
Ein Foto im Eintrag über Afrikanische Musik zeigt eine zum Halbkreis gebogene Marimba mit 18 Klangstäben und 18 unter diesen angebrachten Flaschenkürbissen. Sie dürfte also »nur« zwei Oktaven umfassen. Das Schlag- und Stabinstrument wird zu den Xylophonen gezählt. Die Klangstäbe sind aus Holz. Die Kürbisse dienen als Resonanzkörper. Postmoderne Marimbas haben meist die Form fahrbarer schmaler Tische oder auch langgestreckter Klaviaturen. Sie umfassen gern bis 5 ½ Oktaven, mitunter beginnend mit dem großen C. Meine Spanische Konzertgitarre fängt erst beim großen E an.
~~~ Mit Hilfe meiner eigenen, längst verkauften Marimba konnte ich 2012 auf meinen Solo-Platten hier und dort recht hübsche Glanzlichter setzen. Schlug ich hauptsächlich die Tiefen an, ergaben sich durch das Rumoren dieser Baßtöne mitunter Wirkungen von beinahe unheimlichem Anstrich. So zum Beispiel im Nachspiel meines Zwergliedes Im Schloßpark, das von einer Rollstuhlfahrerin erzählt, auf deren Schoßdecke vereinzelte fette Schneeflocken landen. Die Pointe des Liedtextes ist nicht ohne Sarkasmus. Dann fängt eben jenes Rumoren an. Mir persönlich gefällt dieser Schluß sogar besser als die Lösung, die Christian Nagel kürzlich auf der Platte Leon wählte. Aber das ist sicherlich Geschmacksache. Dafür dürfte Johannes Büttners eindringlicher Gesang kaum zu übertreffen sein.
~~~ Gewiß mußte sich meine Marimba mit einem Stümper begnügen. Vom ungleich besseren Anschlag einmal abgesehen, legen postmoderne SpitzenspielerInnen mit je zwei Schlägeln in jeder Hand an ihren teuren Instrumenten Wirbeltänze hin, die schon fast für die Gothaer Hochseiltruppe Geschwister Weisheit reichen. Den Posten zu teilen, etwa an einer Baß- und einer Sopran-Marimba, kommt um Himmels willen nicht in Frage. Der Herr Künstler, entsprechend die Frau, ist ins Einzigartige vernarrt. Ich dagegen, bekannter Feind der Spezialisierung und der Professionalität, ächte selbstverständlich auch die musikalischen Virtuosen aller Art. SpitzengeigerInnen zum Beispiel finde ich in der Regel reif für den Erfurter Zoo. Die angeblichen Nuancen, die sie ihren Instrumenten und Partituren abringen, sind keinen Pfifferling wert, sofern sie überhaupt vernehmbar sind. Warum stecken sie die Mühen und die Kröten ihrer Fachausbildung nicht in eine Erfindung, die den Gazakonflikt löst oder die wenigstens verhindert, daß von einem schnöden Brot nicht schon beim Ein- und Auspacken 80 Prozent aller aufgepappten Körner abfallen?
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 1, November 2023
Mir war es immer etwas peinlich, auf entsprechende Fragen zu gestehen, ich spielte Gitarre – denn wer spielt sie in der Postmoderne nicht? Sind Ziegen die Kühe des Kleinen Mannes, dann Gitarren desssen Wellensittiche. Das Bild trifft nicht schlecht, da die Saiten einer Gitarre in gewissser Weise durchaus Wellen schlagen: sie schwingen. Letztlich gehen die Darm- oder Nylonsaiten meiner (angeblichen) Spanischen Gitarre auf die Flitzebogen-sehnen der JungsteinzeitlerInnen zurück. Um 1700 kam man wohl auf die Idee, die Darmsaiten für den Baßbereich mit Draht zu umwickeln. Daneben bestand die Möglichkeit, die hohen Saiten für ein Klavier oder eine Westerngitarre gleich aus Stahl anzufertigen. Dafür gab und gibt es tatsächlich gelernte DrahtzieherInnen. Die bekannte Redewendung dürfte sich allerdings dem Marionettenspiel verdanken.
~~~ Die ersten Schritte auf meinem Instrument unternahm ich um 1960 vermittels einer aus Sperrholz zusammengeleimten Wanderklampfe, auf der sich alle Songs der Mundorgel und der Beatles herunterschrubben ließen. Später konnte ich vor Besuchern oder Fans auf meine jeweilige Konzert- oder Westerngitarre klopfen und murmeln »Zeder. Palisander. Mahagony« und so weiter. Zu den Hackbrettern, die in der Rockmusik E-Gitarren genannt werden, ließ ich mich nie herab.
~~~ Sehe ich richtig, bieten die Elektrogitarren freilich einen gewaltigen Vorteil: Ich kann Oktavunreinheiten beseitigen, weil mindestens der Steg, über den die Stahlsaiten laufen, verstellbar ist. Dagegen ist die »Grundstimmung« bei Akustikgitarren sozusagen festgenagelt. Und leider lag es bei meinen Exemplaren mit der Oktavreinheit immer mehr oder weniger im Argen. Ich mußte beim Stimmen stets Kompromisse schließen, damit zum Beispiel der Griff für C-Dur in den ersten drei Bünden ähnlich sauber wie der Barrégriff für C-Dur im achten Bund klang. Vielleicht hing das aber auch noch zusätzlich mit Bundunreinheit, also Schlamperei des Gitarrenbauers beim Setzen der Bundstäbchen zusammen. Gitarren für mehr als 1.000 Mark oder gar Euro konnte ich mir natürlich nie leisten.
~~~ Höre ich Joaquín Rodrigos 1939 geschriebenes Concierto de Aranjuez für Gitarre und Orchester mit dem Solisten John Williams, aufgenommen 1983 in London, kann ich trotz meines möglicherweise überfeinerten Gehörs keinen einzigen Mißklang in Williams‘ Vortrag feststellen. Ich vermute jedoch, er spielte auf einer maßangefertigten Gitarre, für die er mindestens Zehntausend, eher Dreißigtausend Mark auf den Tisch legen mußte. Es sei denn, das Tonstudio hatte einen Meisterfriseur, der die eine oder andere Unsauberkeit in Williams‘ Spiel beim Abmischen bereits mit digitalen Mitteln auszubügeln verstand. Mit meinen eigenen Aufnahmen (um 2012) war ich jedenfalls nie zufrieden. Mit meinem Spiel schon gar nicht.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 14, März 2024
Zum frühen Ende des einflußreichen schwarzen US-Jazzmusikers Oscar Pettiford (1922–60) sagt Brockhaus, wie so oft, gar nichts. Pettiford glänzte an Cello und Contrabaß. Ab 1958 wirkte er in Europa. Er hatte eine dänische Frau, Jacki, wohl in Kopenhagen. Dort starb er auch – auf umstrittene Weise. Er mußte überraschend ins Krankenhaus, zeigte Lähmungen, fiel ins Koma und starb nach wenigen Tagen, knapp 38 Jahre alt. Während seine Witwe von einer Krankheit ähnlich Polio sprach, behauptete die Schlagersängerin Gitte Hænning erheblich später in einem Radiointerview, Pettiford sei betrunken Fahrrad gefahren, gestürzt und mit dem Kopf auf einen Bordstein aufgeschlagen. Gitte kannte den US-Musiker. Er hatte zuletzt noch eine Single für den damaligen Kinderstar und ihren zielstrebigen Herrn Papa arrangiert.
~~~ Um auf dieser eher unwesentlichen Streitfrage nicht herumzureiten, werfe ich noch einen Blick auf Gitte, die sowieso zu meiner Jugend gehört. Geboren 1946, war die dänisch-deutsche Bühnenkünstlerin auch knapp drei Jahre nach Pettifords Tod noch immer blutjung. Das war im Sommer 1963. Damals kam sie bei den Schlagerfestspielen im Kurhaus von Baden-Baden »sensationell« mit einem Riesenhit heraus, wie sich rasch zeigte. Ich will 'nen Cowboy als Mann, krähte sie nun in jedem Rundfunksender. Das können Sie bei Blogger Hans-Peter Ecker lesen und hören*, falls Sie deutlich jünger sind als ich. Es war ja wirklich ein Ohrwurm. Und für die vergleichweise züchtige Zeit hatte auch der Text beachtlichen Pfiff. Die Sängerin schlägt die Ehe- und Karriereangebote der lieben Eltern aus und beharrt auf ihrem Cowboy, weil der so gut küssen kann. Gewiß schwamm sie dadurch auch auf der Wild-West-Welle und im Grunde sogar auf der Flut der Yankee-Freundlichkeit mit, die in Europa seit Jahrzehnten hoch im Kurs steht. Es wäre wohl von dem blonden, frechen Mädchen zu viel verlangt gewesen, die Yankees als saudumme Antikommunisten und tolldreiste BesatzerInnen von bald der halben Welt anzuprangern.
~~~ Es ist schon viel, wenn sie als Oma mal einen Song von Rio Reiser einschiebt. Die Frau ist nach wie vor auf diversen Bühnen zu sehen. Angeblich lebt sie solo in Berlin.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 29, August 2024
* Hans-Peter Ecker, https://deutschelieder.wordpress.com/2021/02/22/gitte-haenning-ich-will-nen-cowboy-als-mann/, 22. Februar 2021
Den österreichischen Militaristen und Imperialisten Joseph Wenzel Graf Radetzky (1766–1858) könnten wir eigentlich übergehen, hätte nicht Johann Strauss (Vater) 1848 ihm zu Ehren den nach wie vor beliebten Radetzky-Marsch verfaßt. Für meinen Geschmack ist dieser allerdings etwas zu glatt und oberflächlich, also keineswegs umwerfend geraten. Da hat doch der Rákozcy-Marsch von Landsmann Franz Liszt ein ganz anderes Kaliber. Vielleicht darf man auch Richard Wagners Tannhäuser-Ouvertüre als langsamen Marsch auffassen. Beide Stücke sind überragend. Den Vogel schoß freilich der Franzose Alexis Emanuel Chabrier 1888 mit seinem köstlich schrägen und zerhackten Joyeuse marche ab, wie ich finde.* Bei der Vollversammlung in meiner Zwergrepublik Konräteslust trägt ihn eine Chorleiterin in einer Fassung für Orgel gleichsam als Ouvertüre vor. Das Plenum findet nämlich in der ehemaligen Stadtkirche von Konradslust statt, ein barocker Zentralbau.
~~~ Ich habe sogar selber einmal einen Marsch komponiert. Meine Aufnahme davon ist 3:10 Minuten kurz. Dieser Libertäre Marsch findet sich auf meiner fünften Solo-Platte von 2012. Die betreffende CD Ziegen enthält ausschließlich Instrumentalstücke. Von dem Marsch bin ich nach dem Wiederhören nahezu begeistert. Mein Arrangement setzt geschlagene acht Instrumente ein, darunter Akkordeon, Querflöte und Marimba, manche sogar doppelt. Natürlich sind sie nicht drei Minuten lang alle gleichzeitig zu hören. Ein Laie könnte sich trotzdem fragen, wie ich es geschafft habe, für eine dreiminütige Aufnahme acht Instrumente erklingen zu lassen, wenn ich doch ohne MitstreiterInnen war. Ich saß also mutterseelenallein vor meinem einzigen Mikrofon. Doch dieses war an meinen Laptop angeschlossen, auf den ich ein digitales Aufnahmeprogramm gepackt hatte. Es bietet die Möglichkeit, zahlreiche Tonspuren untereinander zu stellen. Jede Spur kann stummgestellt, bearbeitet, gelöscht und durch eine gelungenere ersetzt werden. Man fängt also beispielsweise mit der Spur für die Rythmusgitarre an. Dann stülpt man sich den Kopfhörer über, stellt das Programm auf Start und spielt die Flöte in einer neuen, zweiten Spur einfach dazu. Und so weiter und so fort. Ist man irgendwann mit allen acht Spuren und dem Gesamtklang zufrieden, bittet man das Programm um jene zusammenfassende Datei, die später als »Libertärer Marsch« auf der CD oder im Hessischen Rundfunk zu hören sein wird. Bislang haben sich die Hessen aber noch geziert, wohl wegen Landesverrat.
~~~ Diese Küchenstudioarbeit ist allerdings lange her. Sie liegt wie im Nebel, obwohl die fünf Platten eindeutig in meinem verglasten Bücherschrank stehen. Mit Prosaarbeiten geht es mir oft ähnlich, manchmal schon wenige Monate, nachdem ich sie abgeschlossen habe. Ich lese sie und schüttele ungläubig den Kopf: Das ist von dir? Das ist ja saustark! Wie hast du das nur geschafft?
~~~ Man benötigt Mut, um nicht zu sagen Frechheit, viel Hartnäckigkeit und immer eine fette Portion Größenwahn. Der nüchterne Psychologe spricht hier einfach von Selbstüberschätzung.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 30, August 2024
* Orchesterfassung: https://www.youtube.com/watch?v=OnbrDMHRJxc, aufgeführt London 2010
Brockhaus kennt (1992) einen argentinischen Politiker namens Sarmiento, nicht dagegen den guatemaltekischen Musiker Jorge Álvaro Sarmientos (1931–2012). Ein betrübliches Versäumnis, denn in seinem Heimatland scheint der laut Fotos knuffige, breitköpfige Mann, erwerbsmäßig als Komponist, Dirigent und Pianist tätig, durchaus verehrt zu werden. Bei uns zählt er noch als »Geheimtip«. Mich wundern Verehrung und Geraune nicht, hat uns Sarmientos doch bereits 1957 ein ausgefallenes und gleichwohl jede Wette eindrucksvolles Werk für ein seltenes Orchesterinstrument geschenkt, nämlich das Konzert für Marimba und Orchester. Ich kenne und schätze es zufällig seit knapp 15 Jahren. Nun wage ich Ihnen eine jüngere Aufnahme (rund 21 Minuten)* aus Venezuela zu unterbreiten, obwohl auch dort, dank Internet, jederzeit Werbespots drohen, die Sie aus allen Träumen reißen und Sie noch im Thüringer Wald zum Affen machen.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 33, August 2024
* https://www.youtube.com/watch?v=C9tMnoNytUw, Caracas 2022, mit zeitgemäßem Gesichtsgesundheitsschutz
Den Cembalisten und Komponisten am Hofe Ludwig XV. in Paris Johann Schobert (c.1733–67) kennt womöglich keiner, aber für Brockhaus (Band 19 von 1992) schuf er »eine Reihe von stilgeschichtlich bedeutsamen Werken« der frühen Klassik – und erlag im besten Mannesalter einem ähnlich witzigen Tod, wie ich ihn bereits vom Pariser Dirigenten Lully zu berichten wußte. Sowohl in der Angabe über die Todesursache (»Pilzvergiftung«) wie in der Entschlossenheit, dafür keine Quelle zu nennen, stimmen Brockhaus und verschiedene Internet-Nachschlagewerke überein. Da muß erst miguel54* kommen, der einen Brief vom 15. September 1767 aus der bekannten Correspondance littéraire des Fréderic Melchior Grimm angibt und die besagte Stelle auch gleich zitiert:
~~~ »Der Tag des Hl. Ludwig war dieses Jahr durch ein äußerst betrübliches Ereignis gekennzeichnet. M. Schobert, unter den Musikliebhabern als einer der besten Cembalisten von Paris bekannt, unternahm mit seiner Frau, einem seiner Kinder im Alter von vier oder fünf Jahren, und einigen Freunden, darunter auch ein Arzt, einen Ausflug. Es waren sieben an der Zahl, die im Wald von St. Germain-en-Laye spazieren gingen. Schobert liebte Pilze über alle Maßen; er sammelte also tagsüber, während der Wanderung, einige im Wald. Gegen Abend erreichte die Gesellschaft Marly; man betrat ein Wirtshaus und bat um die Zubereitung der mitgebrachten Pilze. Der Koch des Wirtshauses prüfte die Pilze, erklärte, daß sie von der schlechten Sorte seien und weigerte sich, sie zu kochen. Über diese Weigerung verärgert, verließen sie das Wirtshaus und suchten ein anderes im Bois de Boulogne auf, wo ihnen der Wirt dasselbe sagte und ebenso die Zubereitung der Pilze verweigerte. Ein grausamer Eigensinn, hervorgerufen von den ständigen Versicherungen des Arztes, der bei der Gesellschaft war, daß die Pilze gut seien, ließ sie abermals das Wirtshaus verlassen, um sie ihrem Verderben zuzuführen. Sie begaben sich alle nach Paris, in Schoberts Wohnung, wo dieser ihnen ein Abendessen mit den Pilzen vorsetzte. Und alle, sieben an der Zahl, einschließlich der Bediensteten von Schobert, die das Essen zubereitet hatte, und des Arztes, der angeblich so gut Bescheid wußte, starben an Pilzvergiftung.«
~~~ Woher nun Grimm wiederum seine genauen Kenntnisse von dem Ereignis bezogen hatte, weiß womöglich niemand. Jedenfalls scheint sich damals kein Mordverdacht erhoben zu haben. Diesbezüglich drängt sich eine köstliche Zeichnung auf, die Brockhaus im nächsten Band 20 unter Ronald Searle (1920–2011) vorstellt. Der Brite ist unter anderem für seine Cartoon-Serie mit den boshaften Schulmädchen von Saint Trinian‘s berühmt. Die Abbildung zeigt zwei von ihnen beim Pilzesammeln. Die schwarze, offensichtlich kundigere Sammlerin stopft gerade ihren Sack. Da kommt die blonde Kameradin und präsentiert ihr stolz die volle Schürze. Die Schwarze winkt jedoch ab: »Schmeiß sie weg, die sind alle harmlos«.
~~~ Ehrlich gesagt, tut es mir persönlich um die vielen vor- oder frühklassischen Werke, die Komponist Schobert nun nicht mehr schaffen konnte, nicht sonderlich leid. Die Musik sowohl des Barock wie der Klassik bringt mich meist zu leicht ins Gähnen. Da ist etwa die »Spätromantik« schon etwas ganz anderes. Ihr schlägt Brockhaus den auch nicht gerade sehr bekannten schweizer Komponisten Othmar Schoeck (1886–1957) zu. Ich kenne und schätze seine Sonate op. 16 für Violine und Klavier, für die Sie vielleicht einmal rund 16 Minuten opfern können**, schon seit längerem. Nebenbei bietet das Internet derzeit auch eine Variante des Stückes für Flöte statt Geige, doch sie kann mich nicht überzeugen. Das Blasinstrument klingt hier oft zu schrill – vermutlich, weil die Stimmlage des Stückes für es ungeeignet ist. Ein gestrichener Violinenton gefällt dem Ohr selbst in hoher Lage noch immer, während das erforderliche Überblasen auf der Querflöte nichts Schmeichelhaftes mehr zuläßt. Leider ist die hohe Lage grundsätzlich die Achillesferse des Querflötenspielers, wenn ich das so sagen darf. Die Kraft, die das tiefste C satt wie eine überreife Pflaume machen kann, sorgt bei normalsterblichen Zuhörern spätestens in der dritten Oktave für schmerzverzerrte Gesichter, von denen man glatt auf eine Pilzvergiftung schließen könnte.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 34, September 2023
* https://www.tamino-klassikforum.at/index.php?thread/6682-johann-schobert-ca-1735-1767/, 9. Oktober 2007
** https://www.youtube.com/watch?v=sCEOgRyU1d4, D-Dur, drei Sätze, Aufnahme wohl von 2018
Offenbar ist mit Top-Quark keine Speise, vielmehr irgend-ein Phänomen aus der sogenannten Elementarteilchen-physik gemeint. Ich will den Fingerzeig aber dazu nutzen, einen Anwärter auf meine gleichnamige persönliche Top-10-Liste der schwachsinnigsten Schlager und Popsongs aller Zeiten vorzustellen. Es handelt sich um den Titel You Might Need Somebody aus den USA. Dort wurde er erstmals 1980 von einem Sänger vorgetragen; später »coverten« ihn mindestens die Sängerinnen Randy Crawford und Shola Ama, wodurch er recht hohe Verkaufszahlen erreichte, weil ihn sogar in Deutschland jeder Radiosender bis zum Erbrechen in unsere Ohren bohrte.
~~~ In der Tat läßt er sich von der Musik her durchaus als geschickt gemachter Ohrwurm bezeichnen. Die Versionen der genannten Sängerinnen nehmen sich nicht viel; ich halte mich deshalb an Shola Ama, die peinlicherweise in Gestalt einer CD in meinem verglasten Bücherschrank steht: Much Love, 1997.* Jener Hit, eine langsame Soulnummer, ist Titel 3 auf der CD. Der Komponist kam mit wenigen gefällig gesetzten Harmonien und einer anspruchslosen Melodie aus; der Arrangeur verstand es, Baß- und Gitarrenfiguren und ein Saxophon (falls es eins ist) sparsam einzusetzen, hinderte die britische Sängerin allerdings nicht daran, ein paar Reizworte bis zur Ohrenentzündung zu wiederholen. Amas Stimme ist von der Klangfarbe her noch blasser als ihre Haut (Zimt), dafür fast schneidend wie eine Motorsense, was sie jedoch, wie diese auch, durch leichtes Beben zu mildern versteht. Vielen wird ihr Vortrag deshalb zu Herzen gehen. Eigentlich handelt es sich um eine Beschwörung. Der Texter läßt sie im Kern versichern, wie alle Menschen bräuchten wir jemanden, der uns liebe und unsere Einsamkeit verscheuche; deshalb wären wir gut beraten, den ersten besten, der unser Herz zum Glühen bringe, nicht etwa abblitzen zu lassen. Ja, das verkündet Ama im Ernst. Und mehr nicht, wenn ich mich nicht gewaltig irre.
~~~ Kurz, der Song ist bereits von der dürftigen Aufbereitung seines abgeleierten Themas her enorm dümmlich. Auf meiner Liste bekommt er mindestens Platz 3. Als SchöpferInnen des Werkes nennt das Internet das Duo Tom Snow / Nan O‘Byrne.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 37, September 2024
* https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=Shola+Ama+You+Might+Need+Somebody+Video#fpstate=ive&vld=cid:e1851096,vid:4swgfp17kkk,st:0
Siehe auch → Angst, Rogers (LiedermacherInnen) → Blitzstein (Komponist) → Corona, Hunter (Clapton & Co) → Geld, non olet (Bob Dylan) → IndianerInnen, Trudell (Dylan) → Kränkung, CD → Kinder, Mukesh (eigenes Lied) → Krieg, Zamenhof (Dylan) → Puppe (Verbilderung) → Revueltas (Komponist) → Rott Hans (Komponist) → Band 5 Lieder (eigene)
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