Donnerstag, 9. Januar 2025
AZ 1–3 (PAL) Folge 22
Kosmologie, Pioneer – Krieg, Jugoslawien
Kosmologie, Pioneer – Krieg, Jugoslawien
ziegen, 10:15h
Pioneer heißen etliche unbemannte Raumsonden, die im zurückliegenden Jahrhundert von den USA ausgeschickt wurden, um verschiedene Planeten oder deren Umgebung zu erkunden. Pioneer 10 flog Ende 1973 zunächst am Jupiter vorbei. 1990 habe sie die Sonne bereits um etwa sieben Milliarden Kilometer hinter sich gelassen, dabei noch schwache Funksignale von sich gegeben. Möglicherweise schickte sie sich also an, unser Sonnensystem zu verlassen. An dieser Raumsonde hatten die schlitzohrigen Yankees eine postkartengroße, goldbeschichtete Aluminiumplakette angebracht, die im Falle eines Falles außerirdischen Zivilisationen Auskunft über die Menschheit geben könnte, wie Brockhaus schreibt. Das Lexikon hat die Platte abgebildet. Neben Pictogrammen zu unseren physikalischen Grundverhältnissen und den Planetenabständen im Sonnensystem präsentiert sie vor allem, mit Pfeil von dem Punkt »Erde« aus, ein nacktes Menschenpaar aus Frau und Mann. Erfreulicherweise stehen die beiden neben einer Skizze der Antenne der Sonde, sodaß den Außerirdischen ein Größenvergleich möglich ist. Sowohl im Brockhaus wie sonstwo hat man sich immer mal wieder über rätselhafte Fotos zu ärgern, die beispielsweise Felsen zeigen, die genausogut zwei wie 20 Meter hoch sein könnten.
~~~ Wesentlich ist jedoch, das unbekleidete Menschenpaar strahlt Wohlwollen und Friedfertigkeit aus. Der Mann hebt sogar seinen rechten Arm zum Willkommensgruß. Diese Geste wirkt eher zaghaft als hitlerreif. Die Menschen sind also unbewaffnet und wären begeistert über jeden Freundschaftsbesuch. Damit atmet die Plakette jene Scheinheiligkeit, die Harold Pinter den von Hause aus Fallen stellenden Yankees neulich in einer Nobelpreisrede zu bescheinigen wagte. Käme wirklich ein Außerirdischer zu Besuch, würden ihm die Yankees vorsichtshalber erst einmal Handschellen anlegen, dann in schonender Weise auf einen längeren Aufenthalt in einer FBI-Folterkammer vorbereiten. Schon möglich, die Sowjets hielten es damals kaum anders und hatten ebenfalls hübsche Plaketten an ihren Raumsonden. Kinderchen tanzen im Reigen um ihren ErzieherInnen oder einen sprossenden Baum, an dem eins von den bekannten lächelnden Stalin- oder Podgorny-Plakaten hängt. »Unser Papa wird sich euer schon annehmen«, bedeudet das.
~~~ Näheres über die unerwartet lange Laufbahn von Pioneer 10 (letzter Funkkontakt 2003, Entfernung 12 Milliarden Kilometer) meldete Christoph Gunkel am 12. Juni 2013: https://www.spiegel.de/geschichte/nasa-sonde-pioneer-10-a-951151.html.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 29, August 2024
Raphia ist der Name für eine tropische, ausgesprochen langblättrige Palmengattung. Anscheinend liefern einige Arten Fasern, aus denen Einheimische seit Jahrhunderten Seile oder Körbe, ja sogar kunstvolle Bastgewebe herzustellen pflegen. Dazu bildet Brockhaus ein mehrfarbiges Kissen ab. Die Hauptzeichnung im Kissenmuster stelle eine doppelköpfige Schlange dar, behauptet das Lexikon. Das könnte schon sein. Die grob stilisierte Schlange windet sich mit ihrem einen Ende nach links, mit dem anderen nach rechts. An beiden Enden sitzen Köpfe. Die weisen ziemlich große Augen und ungefähr armlange Zungen auf.
~~~ Somit kann diese Schlange auf zwei Zungen und vier Augen zurückgreifen, was ja möglicherweise in manchen Situationen durchaus vorteilhaft ist. Allerdings könnte jemand befürchten, dafür fehle ihr jeglicher sogenannter Darmausgang. Es sei denn, sie sei gewissermaßen ein unkrimineller Erbrecher. Damit wirft sich jedoch die grundsätzliche Frage auf, was eigentlich von unseren Vorstellungen zu halten sei, wie eine halbwegs günstige Existenzform auszusehen habe. Wie muß ein Lebewesen beschaffen sein? Es muß gar nicht. Bei uns sind die Pferde eben meistens vier-, die Menschen zweibeinig. Was andere Sternensysteme oder kosmische Winkel angeht, sollten wir lieber den Mund halten, weil es ja andere, uns unbekannte »Existenzformen« geben könnte, von denen uns weder eine Ahnung noch eine Vorstellung möglich ist. Von daher haben Sience-Fiction-Autoren natürlich schlechte Karten, wenn sie solche fremden Lebewesen erfinden möchten. Mag ihnen auch ein beinloses und nie von Hunger geplagtes Marsmännchen gelingen – ihre Leserschaft können sie mit dergleichen Abscheu- und Unverständlichkeiten nur in die Flucht schlagen.
~~~ Auch eine Liebesgeschichte etwa läßt sich schlecht schreiben, wenn ein Teil der in sie Verstrickten (es müssen ja keine Paare sein) gar nicht weiß, was Liebe ist. Für mich wäre das sogar die Rettung, weil mir Liebesgeschichten seit etlichen Jahren sowieso gehörig auf den Senkel gehen. Remarques Pariser Arzt Ravic etwa, den ich kürzlich in floristischen Belangen bemühte, beschimpft sich sogar wiederholt selber, weil er nun, mit der blonden Joan, schon wieder auf diese bereits milliardenmal aufgeführte Posse hereingefallen ist, von der man letztlich nur den berüchtigten Katzenjammer hat. Remarque schreckt also nicht davor zurück, die Angelegenheit noch einmal zu verdoppeln: erst wiederholen sich die Liebesgeschichten, und dann auch noch die Selbstbeschimpfungen.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 31, August 2024
Neulich habe ich mir ein neues Fahrrad geleistet. Es hat einen Radnaben-Dynamo, eine leicht gekrümmte bequeme Lenkstange und sogar eine Dreigangschaltung. Aber auch diese Vorzüge hätten mir vor ungefähr 175 Millionen Jahren wenig genützt. Damals erstreckte sich in unserer Gegend (Mitteleuropa) das sogenannte Jurameer. Da wäre die Anschaffung einer Arche Noah sinnvoller gewesen. Allerdings hätten die Vorräte selbst mit diesem Fahrzeug wahrscheinlich nicht ausgereicht. Denn jenes Meer soll Mitteleuropa immerhin rund 100 Millionen Jahre lang bedeckt haben, wie sogar Friedrich Trost in Hederichs Geschichte der Stadt Zierenberg (bei Kassel) weiß. Das Werk erschien 1962. Einerseits scheinen zur Jurameerzeit gleichsam paradiesische Zustände geherrscht zu haben. Die ganze Erde hätte tropisch warmes Klima geboten, schreibt Trost. »Selbst die Pole trugen keine Eiskappen, und Palmen, Feigen und Brotfruchtbäume gediehen noch in Grönland und Alaska.« Auch blühende Blumen fehlten nicht. »Geradezu grotesk aber war die Entwicklung im Tierreich …« Ja, richtig, damals erhoben sich die berüchtigten Schreckgespenster namens Saurier aus dem Jurameer. Sie ließen sowohl das Meer wie die Kontinente erzittern, soweit sich diese schon herausgebildet hatten. Brockhaus behauptet (in Band 5), die besonders beliebten Dinosaurier seien teils über 40 Meter lang und über 80 Tonnen schwer gewesen. Pro Einzelexemplar! Jedes Echsenstück ein Sechsfamilienhaus.
~~~ Die Frage, warum die Saurier gegen Ende der Kreidezeit ausstarben, ist offenbar bis zur Stunde ungeklärt. Schon Brockhaus nennt zahlreiche Theorien. Er betont jedoch, so »jäh«, wie das oft dargestellt wird, seien die Ungetüme keineswegs verschwunden. Sie fielen nicht etwa eines Tages alle um, weil ein fetter Meteor auf der Erde eingeschlagen wäre. Damit wirft sich der Gesichtspunkt von Zeit und Dauer auf. Vielleicht kam dieser Gesichtspunkt etwas zu kurz, wenn ich früher wiederholt über die gewaltigen kosmischen Entfernungen orakelt habe, also über das Raumproblem. Schließlich entziehen sich nicht nur Strecken von Lichtjahren unserem Vorstellungsvermögen, wie ich fürchte, sondern auch jene Angabe, das Jurameer habe sich rund 100 Millionen Jahre lang auf der Erde gehalten. Oder können Sie sich diesen enormen Zeitraum etwa vorstellen? Jedenfalls erlaube ich mir den Hinweis, im Vergleich zum Jurameeralter sind unsere paar tausend Jahre sogenannter Weltgeschichte und mehr noch meine eigenen 74 Jahre der reinste Furz.
~~~ Das Wort vom Zeitraum fällt hier nicht zufällig. Irre ich mich nicht, vertritt Brockhaus in seinem vergleichsweise ausführlichen Eintrag über die Zeit (im letzten Band) bereits die spätmoderne Auffassung, Raum und Zeit seien gewissermaßen nur zwei Seiten derselben Medaille. Für den Menschen muß alles, was räumlich ausgedehnt ist, auch eine Zeitspanne haben. Andernfalls wäre es so ein Nullpunkt, wie ihn sich die Urknallköppe vorstellen. Brockhaus formuliert eleganter: »Wir erfahren die Welt als gerichteten Prozeß, der eine begriffliche Aufspaltung in Raum und Zeit zuläßt. Zeit ist somit der durch Abstraktion herausgehobene Verlaufsaspekt der veränderlichen Zustände der Realität.« Das leuchtet mir eigentlich einigermaßen ein. Schließlich findet in jedem Maggi-Würfel schon durch die Atome und Elektronen unablässig Bewegung statt, und hat er das Pech, in unserem Magen oder auf dem Kompost zu landen, verändert er sich noch heftiger, indem er nämlich verfault.
~~~ Dagegen keimen doch jähe, dinosauriergroße Zweifel in mir auf, wenn das Lexikon bald darauf eher beiläufig verkündet, es ließen sich also »durchaus physikalische Systeme ohne Raum und Zeit denken, und auch der Vorgang der Entstehung von Raum und Zeit kann Gegenstand theoretischer Überlegungen werden.« Gewiß, er kann durchaus! Sofern man unerschrocken Dinge wie »Quantengravitation«, »Hintergrundstrahlung« und »ursprüngliche Singularität« aus dem astrophysikalischen Zauberhut zieht und denselben dafür mit üppigen Honoraren und Fördergeldern füllen läßt.
~~~ Die Beschränktheit unserer Zeitraum-Vorstellungen bleibt jedenfalls klar wie Kloßbrüh. Selbst Brockhaus erinnert daran, daß sich unsere Bestimmungen von zeitlichen Abständen der »Periodizität der Bewegungen der Gestirne« verdanken, Erddrehung eingeschlossen. Nur ist unser Blick in den Weltraum bekanntlich verdammt kurz. Es könnte also auch durchaus Zustände (Welten) ohne Periodizität geben, »etwa in einer interstellaren Gaswolke mit chaotischem Schwanken aller Zustandsgrößen« – und die BewohnerInnen dieser Gaswolke hätten jede Wette »nie ein Zeitbewußtsein« entwickelt. Unsere sehr gut ausgebildete Zeit-Wahrnehmung sei den Bedingungen »unserer nahen kosmischen Umgebung« durchaus angemesssen – aber mehr auch nicht.
~~~ Übrigens bin ich davon überzeugt, auch die Vorstellung eines absolut unveränderlichen Dinges oder Zustandes sei uns mindestens nahezu unmöglich. Versuchen Sie es ruhig einmal. Stellen Sie sich eine völlig starre Blech-Schatulle vor, etwa eine kleine Kasse. Sie ist immer dieselbe. Nichts tut sich in oder an ihr. Ja, wo denn eigentlich? In welchem Zusammenhang könnte eine solche Starrheit stehen, sitzen, liegen oder weiß der Teufel was? Die Urknallköppe verraten es uns nicht, versichern uns jedoch, aus ihr habe sich einst das ganze Universum erhoben. Wer da nicht an Gott denkt, muß schon ganz schön blöd sein. Er darf sich Gott aber nicht als alten Mann mit weißem Bart vorstellen. Denn in diesem Fall unterläge Gott der Veränderlichkeit. Nein, Gott muß die Bewegungslosigkeit an sich – und damit unsterblich sein. Eben darum beneiden ihn die Urknallköppe ja. Nur fragt sich schon, wie aus einer vollkommenen Bewegungslosigkeit unsere nicht ganz so perfekte Schöpfung entstanden sein soll, in der die Lavaströme fließen, die Schmetterlinge flattern und die Dinosaurier an den Kronen der Mammutbäume knabbern.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 33, August 2024
Siehe auch → Behälter, Zioncheck → Bevölkerungsfrage, Pöhsnick (Nachbarplanet beschließt Aussterben) → Erkenntnis, Oppolzer + Dopamine + Mandelkern → Explosion → Raumfahrt → Band 4 Bott, Schnee von gestern (am Schluß: Unendlichkeit) → Band 4 Mollowina, Albarose (Nachbarplanet wünscht keinen Besuch) → Band 5 Lashermink Kap. 5 (im Steinbruch)
Kränkung, Anerkennung, Rache<
Im Gelben Sack --- Die Mißachtung meiner jüngst angefertigten fünf CDs mit (Zwerg-)Liedern und Instrumentalstücken ist beachtlich. Zum Glück bin ich weniger nachtragend als der alte Verdi. Im Sommer 1898 erregt er sich in einem Brief an Giulio Ricordi über das Ansinnen des Mailänder Konservatoriums, dieser Anstalt Verdis Namen verleihen zu dürfen. 1832 nämlich hatte es just das Mailänder Konservatorium gewagt, den 18jährigen Giuseppe Verdi nicht als Schüler aufzunehmen. Diese – von ihm so empfundene – Kränkung hatte der taktstockartig dürre Komponist 66 Jahre lang sorgsam mit sich herumgetragen. Es machte den Kohl auch nicht mehr fett: Verdi neigte ohnehin dazu, sich Krankheiten einzubilden. Im übrigen war seine Auffassung der Sache gelinde gesagt einseitig, versichert doch sein Biograf Alfred Marquart, die damaligen Ablehnungsgründe des Konservatoriums ließen sich durchaus nachvollziehen.
~~~ Dürrenmatts Alte Dame hegt ihren Groll ungefähr 45 Jahre lang, ehe sie ihren damaligen Demütiger und ihre ganze Kindheitsstadt ins Verderben stürzt. Mein Rekord steht bislang erst bei 15 Jahren, sofern ich nichts übersehen habe. Damals, 1998, bemerkte ich im Gespräch mit einem Freund, der sich als Korrektor einer angesehenen Kunstzeitschrift ernährte, schließlich sei ich nicht umsonst Schriftsteller. Der Zusammenhang ist hier gleichgültig. Es kommt nur darauf an, daß der Freund wie Dutzende anderer Leute offensichtlich nicht an mich glaubte, da ich noch keine offiziellen Weihen vorzuweisen hatte (wobei es bis heute geblieben ist). Er verkniff nämlich seine Augen und korrigierte mit mildem Lächeln und betont bedächtiger Aussprache: »Du möchtest gern einer sein …« Obwohl ich diese winzige, feine Episode nie aufschrieb, trage ich sie bis heute mit mir herum, als sei sie ein Pflasterstein. Ich habe ihn hiermit fallen gelassen.
~~~ Man sollte übrigens nicht glauben, es gebe nur »persönliche« Kränkungen. Sogar Sigmund Freud, der Seelenarzt, wies in seinem 1917 veröffentlichten Aufsatz Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse auf »drei Kränkungen der Menschheit« hin: Die Erde, und damit der Mensch, steht nicht mehr im Mittelpunkt des Universums (Kopernikus); obwohl so leicht kränkbar wie weder Kuh noch Känguruh, ist der Mensch, schon von der Abstammung her, dem Tierreich verhaftet (Darwin); unser Ich ist nicht Herr im Hause, ständig machen uns irgendwelche Triebe oder Komplexe Striche durch die Rechnung (Sigmund Freud!). Ausgefuchst, wie er war, lastete Freud der zuletzt genannten Kränkung auch die Widerstände an, die seiner Lehre entgegengebracht wurden. Dadurch lieferte er sich natürlich beiläufig eine hervorragende Waffe gegen Kritik: er konnte immer sagen, sie sei nur Ablehnung aus der Kränkung heraus.
~~~ Später wurde Freuds Liste um etliche Gesichtspunkte erweitert, die sich hier und dort auch schon in meinen Schriften finden: Wir sind lediglich (ein ökologisch von ihr abhängiger) Bestandteil der Welt; wir sind gemacht worden, somit kann von Selbstbestimmung keine Rede sein; wir waren nie Ziel der Evolution, von der wir vielmehr nur ein winziger, zufälliger Ausschnitt sind (Stephen Jay Gould); man betrog uns um die »Willensfreiheit«, daher zum Beispiel unser häufiges Scheitern bei Versuchen, uns zu bessern, etwa nie mehr zu rauchen oder uns nie mehr kränken zu lassen; Sinn oder Plan der Welt sind uns schleierhaft, die Drahtzieher, die in Kafkas Schloß sitzen, lassen sich einfach nicht in die Karten gucken; unsere ganze Ausstattung ist unzulänglich, wie uns neuerdings unsere Autos, Computer, Romanfiguren und Roboter zeigen; womit haben wir die Kränkung verdient, die in unserer Vergänglichkeit liegt – durch Verwundung, Altern, Sterben?
~~~ Alles ist noch viel schlimmer, als Sie vielleicht bis hierher gedacht haben. Denn in der Regel – die ich mir einbilde zu repräsentieren – pflegen sich die psychologischen und anthropologischen Quellen unserer Kränkbarkeit in der undurchschaubarsten Weise zu verquicken. Ich bin ganz sicher darin, in acht von 10 Fällen nicht zu wissen, ob eine bestimmte Wut, die ich habe, mehr auf den Lump Soundso, auf meinen jeweiligen Chef, auf Vater Staat, auf meinen leibhaftigen Erzeuger – oder auf mich selber gemünzt ist. Aber stets hat sie einen Anlaß, dem wahrscheinlich wieder einmal Unrecht geschieht. Oder anders ausgedrückt: bei allen philosophisch gestimmten Menschen schlägt jede Kränkung, die uns ein Mitmensch zufügt, jede Wette doppelt durch, weil sie auf der Folie unseres grundsätzlichen Protestes gegen unsere Unfreiheit stattfindet. Da sehen wir sie dann wieder einmal, die empörende Knechtung, der wir ausgesetzt sind. Mit uns kann man‘s ja machen. Erst setzt man uns ungefragt in eine Welt, wo man zwei Drittel des Jahres heizen muß, weil das Thermometer unter 20 Grad absinkt – dann hat man die Frechheit, uns um unsere Scheibe Schneeschippen zu bitten, damit man sie zu Hause doof finden und so kaltblütig wie auf ewig unkommentiert in den Gelben Sack gleiten lassen kann!
~~~ Leider lechzen wir alle nach nichts mehr als nach Anerkennung. Während jeder einzelne Befehl von den millionen Befehlen, die ein Kind zu ertragen hat, laut Canetti wie ein »Stachel« in seinem Fleisch stecken bleibt (der geduldig darauf wartet, 25 Jahre später als Lanze gegen das eigene Kind gekehrt zu werden), läßt uns jedes Lob einen Zentimeter wachsen. Allerdings nehmen wir Wachstum, Leben, Fröhlichkeit gern als Selbstverständlichkeit. In Wahrheit ist es die Regel, sich mit einem Schnupfen abzuplagen, nur noch auf einem Bein durch die Gegend zu humpeln, zu verhungern, gedemütigt oder verkannt zu werden oder sowieso schon tot zu sein. Daraus ließe sich sogar folgern, wenn es dem Mann an den Krücken gelinge, mit seinem einen noch erhaltenen Bein, ob rechtes oder linkes, einen Elfmeter zu verwandeln, müßten wir den Hut vor ihm tiefer als vor Uwe Seeler ziehen. Die Dinge seien relativ und die vielbeschworene »Chancengleichheit« habe es nie gegeben. Für einen Knaben, der seine Höhlen unter dem elterlichen Bechstein-Flügel bauen konnte, ist es in der Tat keine Kunst, wenn er als 62jähriger Noten schreiben, Lieder komponieren, leidlich fünf oder sieben verschiedene Musikinstrumente spielen und auch noch ein digitales Aufnahmeprogramm meistern kann. Es ist selbstverständlich. Wo wollten wir hinkommen, wollten wir jedes Mal erst die Hintergründe einer Tat aufhellen, ehe wir an ihre Würdigung – oder Herabwürdigung schreiten? Das ist bestenfalls Gerichtsprozessen vorbehalten.
~~~ Sollte man seine BeleidigerInnen also verklagen? Oder vielleicht doch lieber eigenhändig erschlagen? Damit spiele ich zuletzt auf den Gesichtspunkt der Rache an. Jedenfalls ist es sicherlich sehr ungesund, sich überhaupt nicht zu wehren oder zumindest zu verwahren. Dem hält freilich jeder zweite Soziologe entgegen, wer sich Wut und Rachedurst gestatte, verrohe und setze überdies das Karussell gesellschaftlicher Gewalttätigkeit in Gang. Dazu kann wiederum eingewendet werden, er müsse sich eben auf subtile Weise rächen, nicht auf rohe. Als handele es sich bei den feinen Nadelstichen, die sich gut miteinander Bekannte versetzen können, nicht um Gewalt! 300 davon über drei Jahre gestreckt, und aus dem Betroffenen ist alles Blut gewichen. Er verreckt.
~~~ Gewiß gibt es auch gewichtige Fälle, wo die uns bereitete Schmach vor allem unseren Gerechtigkeitssinn verletzt. Das Paradebeispiel ist Kleists Kohlhaas. Aber auch dann muß man auf der Hut sein, weil sich der Gerechtigkeitssinn gern mit Narzißmus und Doppelmoral paart. Ein Dutzend Journalisten eines »islamkritischen« Satiremagazins umzulegen, ist höchst verwerflich und (2015) zur Herstellung einer in die Millionen gehenden Trauer- und Haßgemeinde geeignet; um Hunderte palästinensischer oder anderer muslimischer, dazu anarchistischer oder auch nur »skeptischer« Journalisten, die in jüngster Zeit von Nahost bis Mexiko wegen ihrer wahrheitsliebenden Berichterstattung ermordet wurden, ist es jedoch nicht weiter schade, ganz im Gegenteil.
~~~ In einer neuen Arbeit über Mordopfer streife ich auch den Fall Paasche. Dabei ging es ursächlich nicht um einen Wortbruch in einer Frage der Eigentumspflege (wie bei Kohlhaas um zwei vom Junker Wenzel von Tronka heruntergewirtschaftete Reitpferde), vielmehr um nichts Geringeres als den Kampf zweier Linien in der grundlegenden Frage, wie man leben sollte. Der bekannte Pazifist Hans Paasche, ursprünglich Marineoffizier, hatte sich nach satirischen Veröffentlichungen sowie der Ermordung Liebknechts und Luxemburgs mit seinen Kindern auf sein kleines, jenseits der Oder gelegenes Gut Waldfrieden (!) zurückgezogen. Dort wurde er 1920, erst 39 Jahre alt, unter einem Vorwand von bewaffneten Gesetzeshütern überfallen – und »auf der Flucht« erschossen. Dieser dreiste Anschlag, der unter anderem Kurt Tucholsky empörte, wurde nie geahndet. Die Mutter der vier Kinder, Ellen Paasche, hatte insofern Glück gehabt, als sie bereits 1918 der sogenannten Spanischen Grippe zum Opfer gefallen war. Andernfalls wäre sie vermutlich über kurz oder lang an Gram gestorben – es sei denn, sie hätte auf den berühmten Deckmantel des Gewaltmonopols des Staates geschissen und die Mörder ihres Mannes aus eigener Kraft verfolgt.
~~~ In der kapitalistischen Gesellschaft ist ja leider alles darauf angelegt, uns unselbstständig zu halten – wirklich alles, von der »Existenzgründung« bis zur sogenannten Rechtsprechung. Gleichwohl geschehen hin und wieder Zeichen & Wunder. 1926 wurde der nach Paris emigrierte ukrainische nationalistische Politiker Symon Petljura (47) ebendort beim Einkaufsbummel vom jüdischen Anarchisten Scholom Schwartzbard erschossen. Den Polizisten, die herbeieilten, übergab der Täter seinen Revolver mit den Worten: »Ich habe einen großen Meuchelmörder getötet.« Petljura, um 1919 zeitweise Regierungschef der Ukraine und gleichermaßen mit dem Kampf gegen Rote, Weiße und die »Banden« Nestor Machnos befaßt, wird allgemein für Pogrome mitverantwortlich gemacht, denen 35.000 bis 50.000 Juden zum Opfer fielen. 15 davon sollen nahe Verwandte von Schwartzbard gewesen sein, daher dessen Akt der Vergeltung. Senationellerweise wurde der Attentäter eben wegen dieses Motives (»Verbrechen aus Leidenschaft«) von einem Pariser Gericht freigesprochen. Er starb 1938 mit 51 auf Reisen.
~~~ Ein Racheakt macht mich aktiv, macht mich vom Opfer zum Täter. Dagegen bleibe ich bei bloßen Rachephantasien passiv. Möglicherweise gilt dies nicht für Leute, die schreiben, und die ihre Texte sogar veröffentlichen dürfen. Oder für Leute, die miteinander sprechen. In dem Versuch, den Groll zu erkennen, zu benennen und auf den Tisch zu packen, sei es der Kommune, der Freundschaft, der gemeinsamen Firma oder Liebschaft, liegt ja immerhin auch schon eine gewisse Aktivität. Mit einem Vielfraß läßt sich allerdings kaum diskutieren, zumal wenn man ihm das Maul zubindet. »Man« war in diesem Fall ein mit Alaska Slim befreundeter Indianer namens Mentasta Sam, dem in einem Winter um 1905 ein Vielfraß ein lebenswichtiges, offenbar nicht gut genug verstecktes Nahrungsmittellager mit Karibufleisch geplündert und zerstört hatte. Vielfraße sind ziemlich räuberische, bösartige und furchtlose Marder, die eher wie kleine Braunbären aussehen. Sam verfolgte den Übeltäter, doch statt ihn zu töten, fesselte er ihn an den vier Beinen und band ihm, wie gesagt, auch noch das Maul zu. So konnte »der auf diese Weise reglos gemachte Vielfraß nur mit Blicken versprechen, sich zu rächen«, schreiben Richard Morenus / Fritz Steuben, Autor und Übersetzer des zu meiner »Greenhorn«-Zeit beliebten Jugendbuches (von 1956/62).
~~~ In diesem Fall sollte die furchtbare Rache freilich auf Seiten Sams und seiner Squaw liegen. Sie packten ihren Gefangenen jeweils an den gefesselten Vorder- und Hinterläufen und schwangen ihn nun über ihrem lustig prasselnden Feuer hin und her, wodurch er sich zunehmend das Fell versengte und mit seinem zugebundenen Maul vom Knurren zum Winseln überging. Besucher Alaska Slim versuchte der Marter mit dem Argument Einhalt zu gebieten, es habe doch keinen Sinn, den Vielfraß zu quälen; Sam möge ihn lieber auf der Stelle töten. Er werde sich hüten, entgegnete Sam und beschrieb den »Sinn« unter ausholenden Armbewegungen, nachdem er den völlig kahl gebrannten Vielfraß freigelassen und verjagt hatte. Der Geschundene und Gezeichnete werde jetzt allen Räubern des Gebirges unmißverständlich klarmachen, es sei gesünder, sich von Mentasta Sams Vorratslagern fernzuhalten, denn dieser Mann sei ein ganz großer, böser Zauberer. Dazu machte Slim große Augen, sagte aber lieber nichts. Man sieht hier wieder einmal, wie sich jede aus Rachedurst begangene Scheußlichkeit »rationalisieren« läßt, um einen Ausdruck zu bemühen, der in den 1960er Jahren die Universitäten verließ, um wie Mosquitos über die deutsche Arbeiterjugend herzufallen …
~~~ Einen interessanten Gesichtspunkt steuert Orwell in seiner kleinen Betrachtung Rache ist sauer bei, die er 1945 unter dem Eindruck seines Besuches im besetzten Deutschland verfaßte. Im Grunde gehörten Vorstellungen von Vergeltung und Bestrafung einer »kindischen« Traumwelt an. Auf Rache sinne einer, der machtlos sei – wie eben grundsätzlich das Kind. Sobald jedoch »dieses Gefühl des Unvermögens« beseitigt sei, pflege sich in der Regel auch der Wunsch nach Rache zu verflüchtigen. Wenn nicht, erscheine das rächende Handeln »nur noch pathetisch und widerlich«, wie ja auch im geschilderten Falle Mentasta Sams. Orwell denkt hier an jüdische Wachsoldaten, die gefangene und gefesselte ehemalige KZ-Schergen treten, oder an jene ItalienerInnen, die Mussolinis Leichnam – der in Mailand wie eine Schweinehälfte öffentlich an den Füßen aufgehängt zur Schau gestellt worden war – unbedingt noch bespucken mußten.
~~~ Ich glaube, Orwell hat recht, doch spendet er mir mit seiner Auffassung wenig Trost, weil ich noch nie die Nagelprobe darauf machen konnte. In politischer und selbst kulturpolitischer Hinsicht stand ich nämlich in nunmehr 63 Jahren noch nie auf der Seite des Siegers. Ich stand stets zerknirscht vor den Trümmern der einen oder anderen Hoffnung und hatte wie schon zuvor an meinem Unvermögen zu nagen. Und ich vermute stark, dabei bleibt es auch, was bedeutet, ich werde demnächst auch als Verlierer in mein Grab sinken. Das wird dann hoffentlich, um an Freud zu erinnern, die letzte Kränkung meines Lebens gewesen sein.
∞ Verfaßt 2013 / 2015
Um mir zu erklären, was eine CD sei, wendet Brockhaus immerhin eine gute Spalte auf. Zwei Abbildungen bringt er auch. Man sieht zum Beispiel die spiralförmig angeordneten, »Pits« genannten winzigen Vertiefungen, aus denen der abtastende Laserstrahl die einzelnen »digitalisierten« Bestandteile der Musik saugt, in einem riesenhaft vergrößerten Ausschnitt, damit sogar ich sie erkennen kann. Aber es ist alles vergebliche Liebesmüh: ich begreife es nicht. Ein mittelalterlicher Waltershäuser Torwächter und Stadtpfeifer hätte nicht mehr überfordert sein können als ich. Der Krämer aus Erfurt will ihn also bestechen, hängt ihm seinen CD-Walkman um, bohrt ihm die Stöpsel in die Ohren, tippt eine Taste an, belächelt den aufgehenden Mund des Tropfes und zwinkert nach kurzer Zeit: »Ja, Mensch, da staunste, was? Sowas hast du noch nicht gehört!« Dabei staunt der Mann keineswegs. Vielmehr ist er geradezu schockiert. Er hält diese üppig instrumentierte Musik aus so einem kleinen Kästchen für unmöglich, nimmt freilich an, sehr gefährlich sei sie auch. So raunt er seinem Jungen zu, nach dem Burgvogt zu rennen und auf dem Wege schon einmal den Abdecker zu bitten, auf dem Marktplatz den üblichen Holzstoß für der Hexerei Überführte aufzuschichten.
~~~ Ironischerweise haben wir selber gerade eine CD gemacht, »Leon« von Meier & Nagel. Als ich die frisch gepreßte Platte erstmals in meinen eher altmodischen CD-Player geschoben hatte, machte ich allerdings rasch ein ziemlich langes Gesicht. In jeder die Tracks voneinander trennenden Pause war ein Knacken wie von einer schlecht aufgesetzten Schallplattennadel zu hören! Durfte das denn wahr sein? Meine Mitstreiter Boldt (Klangtechnik) und Nagel versicherten mir natürlich sofort per Email, es sei nicht wahr. Bei ihnen seien alle Pausen geräusch- und also makellos. Knacke es bei mir freilich trotzdem, werde es vermutlich an meinem veralteten Abspielgerät liegen. Das komme gelegentlich vor. Darauf fand ich meine Ruhe erst wieder, nachdem ich mir meine Platte in dem sofort hergebetenen, mit modernsten CD-Player ausgerüsteten Auto eines Freundes angehört hatte. Nun war das Knacken in der Tat wie weggezaubert. In meinem Häuschen war dann das Knacken wieder da. Jetzt lebe ich mit dem Knacken, weil ich zu faul oder zu geizig bin, mir für etliche hundert Euro einen nagelneuen CD-Player anzuschaffen. Schließlich lebe ich ohnehin nicht mehr so lange. Und die Veraltensgeschwindigkeit solcher Audio-Verfahren und der entsprechenden Geräte oder Computer-Programme nimmt ja alle paar Monate sprunghaft zu. Hätte ich Enkel, hätten sie mich sowieso ausgelacht, weil ich so töricht sei, heutzutage noch »eine CD« zu machen. Ob ich vielleicht hinter dem Mond lebte? Naja, wer bösartig ist, könnte es wohl so ausdrücken – und wer wollte mir Enkel zeigen, die nicht bösartig sind?
~~~ Wahrscheinlich gehört der Neuigkeitswahn, dem die Menschheit seit mindestens mehreren Jahrtausenden unterliegt, zu den rund 10 kulturellen Grundzügen, die uns demnächst das Genick gebrochen haben werden. Er macht die Menschen haltlos und ruiniert ganze Volkswirtschaften inzwischen binnen weniger Jahre oder gar Monate. Selbst die USA sind derzeit schon hoffnungslos verschuldet. Was kümmern uns Vergangenheit und Zukunft, wenn wir aktuell so angenehm prickelnd aus dem Vollen schöpfen können, und bestehe es auch nur aus heißer Luft, so wie die Kredite in Zeiten des sogenannten Klimawandels? Aktualität ist natürlich auch in den Medien das Mantra. Selbst in der winzigen, vermutlich nahezu einflußlosen gedruckten Zweiwochenschrift Ossietzky hatte ich dieses Mantra auszuhalten, weil der Redakteur meine Beiträge gerne »schob«, eben um anderer Beiträge willen, die vielleicht schlechter geschrieben, dafür jedoch »zeitnäher« waren. Ihre Porträts über Casey Jones oder Ernst Toller sind wieder ausgesprochen hübsch geraten, Herr R., aber ich kann sie im Moment unmöglich bringen, weil wir den Platz gegen den Ukraine-, den Gaza-, den Formosakrieg benötigen, den es unbedingt zu beendigen gilt! Lächerlich. Seit Jahrhunderten greifen aufklärerische Blätter in die kapitalistische Tagespolitik ein – und was sie erreicht haben, ist die Modernisierung des Kapitalismus: er wird immer durchtriebener, nämlich immer geschickter im spannenden Geschäft des Volksbetruges.
~~~ Im zurückliegenden Herbst habe ich übrigens mit Ossietzky gebrochen. Damit ist die letzte Tür des Medienbetriebes zugefallen, in der ich noch einen Fuß hatte. Allgemein ging mir die teils altkommunistische, teils reformistische Linie des ziegelroten Blättchens schon seit Jahren zunehmend gegen den Strich. Nun kam eine schriftliche Kritik von mir hinzu, die ich dem Redakteur per Email schickte. Ich könne es unmöglich billigen, daß er seinen Autoren solche schlimmen, unkritischen »Keulenworte« wie gewaltbereite Neonazis oder Klimaleugner durchgehen lasse. Seine fast postwendend erfolgte, kurzangebundene Antwort auf mein Protestschreiben, das auch Links zu meinem Blog enthielt, empfand ich als sehr enttäuschend. Meines Erachtens hatte er noch nicht einmal begriffen, um was es geht. Aber wer weiß, vielleicht mangelte es ihm auch lediglich an der Muße, sich in die Kerne meiner Kritik wie in jene »Pits« einer CD zu versenken. Das Blatt muß raus; das schmale Einkommen muß rein; auf Anarchisten können wir notfalls verzichten.
~~~ Im Nebeneffekt entfällt durch diesen Ausstieg leider auch meine letzte, spärliche Möglichkeit, hin und wieder ein paar Lobesworte und damit einen Anflug gesellschaftlicher Anerkennung zu ergattern. Neulich hat mich ein Autorenkollege, sonst Rechtsanwalt, sogar eigens per Email zu meinem kleinen Artikel über Aline Söther beglückwünscht. Das entschädigt, in meiner Situation, für manche kilometerlange Durststrecke. Damit ist es nun also vorbei. Verschiedene »alternative« Online-Magazine können mich offensichtlich ohnehin nicht leiden; da klopfe ich gar nicht mehr an. Sie denken auch gar nicht daran, unsere Leon-Platte vorzustellen. Glauben Sie aber nicht, ab und zu käme mir doch sicherlich wenigstens zu meinen Blog-Beiträgen irgendetwas Ermutigendes ins Haus. Nichts kommt, seit Jahren nicht. Es ist, als schriebe man buchstäblich in die Luft. Ja, das ist der Segen der Virtualität.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 8, Februar 2024
Den anscheinend bekannten Satz Esse est percipi (lat. Sein ist Wahrgenommenwerden) schreibt Brockhaus mit etwas mißbilligendem Tonfall dem »radikalen Sensualisten« George Berkeley zu. Der fromme irische Gelehrte setzte ihn 1710 in Umlauf. Aber das interessiert mich nicht die Bohne. Entscheidend ist: der Satz ist grundlegend und goldrichtig, solange man ihn auf den Menschen als soziales Wesen beschränkt. Nur weist er leider auch auf eine der größten Klemmen des Menschen hin. Auf der einen Seite stelle ich ohne Aufmerksamkeit durch Mitmenschen nicht mehr als einen Schatten meiner selbst, ja noch nicht einmal so viel wie ein Pflasterstein dar. Den kann man achtlos treten. Unsereins quietscht immerhin ab und zu auf, weil ihm die Resonanzlosigkeit bereits die Luft abschnürt. Auf der anderen Seite jedoch bringt einem die Aufmerksamkeit durch Mitmenschen so gut wie garantiert Fluten an Ärger ein. Der liebe Mitmensch mißversteht, verfälscht, vertröstet, belügt und betrügt, hintergeht, verrät und quält mich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit. Tut er es aber nicht beziehungsweise noch nicht, foltert mich bereits das Wissen, er könnte es tun. Denn der von mir beschriebene Mißbrauch ist ja die Regel, wie ich nach beinahe 74 Jahren leider feststellen muß. Man wird also, je nach dem eigenen Naturell, wählen müssen: Folter durch Geselligkeit oder Folter durch Einsamkeit. Das Gewählte wird dann als »kleineres Übel« verniedlicht. Ich bemerke jedoch vorsichtshalber, meine schlechten sozialen Erfahrungen schließen keineswegs die Überzeugung ein, der einzige gute Mensch auf der Welt sei ich. Auch ich habe meine Fehler und Schwächen. Nur zwei Charakterzüge wird mir niemand jemals vorwerfen können: Hinterhältigkeit und Unzuverlässigkeit. Danach können Sie gern meine ehemaligen Mitkommunarden oder die äußerst wenigen Freunde fragen, die mir noch geblieben sind.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 11, März 2024
Siehe auch → Briefe, Wenn die Post (Aichinger) → Band 5 Schotter für Conradi + Molinga + Absturz eines Orthopäden + Frettchen platt + Ritas Rache
Kreis
Die verblüffendste Zimmerheizung des Universums trifft man möglicherweise nur auf Pöhsnick an. Aber schon das dortige Rundhaus könnte recht originell sein. Die Grundorganisationen (GOs) der Pöhsnicker Dörfer umfassen in der Regel zwischen 80 und 100 Köpfe, Kinder eingeschlossen, solange noch welche aufgezogen werden. Diese 80 oder 100 Leute wohnen eben in Rundhäusern. Da man auf Pöhsnick den entsetzlichen irdischen Familiengeist nicht kennt, verteilt man sich ungefähr nach Generationen auf die runden Wohnhäuser, die meist 15 Meter Durchmesser haben. Nur das Gemeinschaftshaus, wo gekocht, gegessen, palavert und gefeiert wird, dürfte eher 20 Meter haben. Im leicht geneigten Spitzdach der deckenlosen Wohnhäuser sitzt, anstelle der Spitze, ein niedriger, verglaster, ebenfalls runder Dachreiter, aus dem, ganz zentral, auch der einzige Schornstein ragt. Er ist zugleich tragender Pfeiler für die Dachsparren.
~~~ Im Internet wird man von verschiedenen Fachleuten über einige grundsätzliche Vorteile des Rundhauses belehrt. Mein zentraler Schornstein und meine fächerartige Zimmereinteilung fehlen selbstverständlich. Nach diesen Experten stellt der Kreis in statischer Hinsicht sowieso die stabilste Bauform dar. Die gekurvten Außenwände bieten das günstigste Verhältnis zwischen Grundfläche und Mantel, bieten damit auch Wind und Wetter weniger Angriffsfläche – ergo hat man weniger Wärmeverlust im Winter. Hinzu kämen Fortfall von überflüssigen Fluren, dafür besserer Lichteinfall. Man habe nicht umsonst schon in der Steinzeit so gebaut, und in der Folge immer mal wieder: siehe etwa Jurten, Iglus, Burg- und Leuchttürme. Nur die Fachleute wurden stets zu wenig erleuchtet. Sie schneiden jedes moderne Rundhaus wieder auf jenen verheerenden Familiengeist zu.
~~~ Nicht, daß die jeweiligen, maximal 22 HausbewohnerInnen auf Pöhsnick alle über- oder durcheinander schliefen. Das ließe sich bestenfalls vom Mütter- und Kinderhaus sagen. Die Kinder haben noch keine eigenen Zimmer. Ein paar Säuglinge wohnen mit ihren Müttern abgeteilt. Alle Innenwände sind (aus gebrannten Lehmziegeln) gemauert, wegen der Schalldämpfung. Die Rundhäuser für jugendliche, mittelalte und alte GO-Angehörige weisen sämtlich denselben Schnitt auf. Zieht man vom Mittelpunkt des Grundrisses einen inneren Halbkreis von fünf Meter Radius, kann man diesen bis zum Eingangsbereich (Haustür von je einem Fenster flankiert) gradlinig verlängern. Dadurch ergibt sich ein recht geräumiger Gemeinschafts- und Durchgangsraum. Er erhält auch durch den erwähnten Dachreiter etwas Tageslicht. Von dieser hufeisenförmigen Innenwand gehen die 22 Zimmer beziehungsweise deren Türen ab. Die Trennwände zwischen den Zimmern halten sich überwiegend an den Radius des äußeren Kreises. Jedenfalls sind alle Zimmer ungefähr gleichgroß und ähneln der Spitzen beraubten Tortenstücken. Die äußere, rund 1,50 breite Zimmerwand hat ein großes Fenster, das notfalls für Möbeltransport dienen kann. Denn die Türen dieser schmalen, zellenartigen, aber immerhin fünf Meter langen Zimmerchen sind bestenfalls 70 Zentimeter breit. Ein Klavier ginge selbst durch die Fenster nicht – doch wenn es auf Pöhsnick Klaviere gäbe, stünden sie sicherlich im Gemeinschaftsraum oder im Gemeinschaftshaus. Kanzler Ludwig Erhard wäre möglicherweise unter Mühen durch ein Zimmerfenster gebracht worden – aber meine Rundhäuser sollen um Gottes willen keine Knäste sein. Übrigens verklagte der dicke Erhard in den 1960er Jahren meinen Karlskirchener Privatdetektiv und Deutschrocksänger Heinz Schlackendörfer, weil er sich durch dessen Lied „Der Kanzler will kein Kind“ [siehe Band 5] verunglimpft fühlte. Es ging um das Abtreibungsverbot. Schlackendörfer gewann den Rechtsstreit. Dieser wirkte sich auch sehr positiv auf die Verkaufszahlen der Langspielplatte Schlackendörfer aus, die Heinz mit vier Mitstreitern herausgebracht hatte. Heute wird sie, als rares Kultobjekt, schon zu Van-Gogh- oder wenigstens Baselitz-Preisen gehandelt.
~~~ Auch die Langspielplatte war rund. Man sollte die Bedeutung der Kreisform nicht unterschätzen. Sie ist die geschlossene Unendlichkeit. Natürlich steht sie auch für Gerechtigkeit und Gleichheit. Sitzen Kommunarden im Kreis, hat ein jeder von ihnen ein gleichweit entferntes Gegenüber. Einen Häuptling oder Guro haben sie nicht. Wie sich versteht, wäre die Kreisform bei der Gerichtsverhandlung gegen Schlackendörfer nicht in Frage gekommen. Richter benötigen Throne und ein Publikum, das wie Hühner auf Stangen sitzt. Auch für Plenarsäle kapitalistisch verfaßter Demokratien ist die echte Kreisform ungeeignet. Baerbock etwa könnte nicht mehr von der erhöhten Regierungsbank herab zetern, sie werde Rußland ruinieren. Eine Besucherin soll damals (Februar 2022) von der Tribüne aus zurückgerufen haben, für Kabinettsmitglieder mit akutem Dachschaden hielte der Hausmeister sicherlich einen Erste-Hilfe-Kasten bereit. Aus Rache ruiniert sie jetzt Deutschland – Baerbock, meine ich.
~~~ Vielleicht sollte ich noch auf die Heizung zurückkommen. Das runde Pöhsnicker Wohnhaus hat lediglich einen Ofen. Er wird in täglichem Wechsel reihum (nach Alphabet) von jeweils einem Hausgenossen betreut. Der Heizdienst kann getauscht werden. Im Kinder- und Mütterhaus stehen naturgemäß nur die beiden monatlich wechselnden BetreuerInnen (die auch dort übernachten) und ein paar Mütter fürs Heizen zur Verfügung; allerdings werden die älteren Kinder schon eingespannt. So lernen sie das Feuer und den Eigennutz beherrschen. Nebenbei sind die Winter in der Pöhsnicker Mulde nie streng. Frost kommt kaum vor; meist hat man um 10 Grad. Schnee ist somit so selten, wie es uns auf Erden schon um 2000 von Klima-Guros geweissagt worden ist.
~~~ Ziemlich geräumig gebaut und unmittelbar an dem zentralen Schornstein gelegen, erwärmt jener eine Ofen natürlich in erster Linie den Gemeinschaftsraum. Wer freilich seine Zimmertür recht häufig aufstehen läßt, zehrt ebenfalls von der Wärme des Hausofens. Möchte er jedoch mit einem vertrauten Gast in Ruhe Schach oder sonstwas spielen, ruft er ihm am besten schon durchs Fenster zu: »Hallo Wiclaff, bring doch bitte gleich ein frisches Schweinchen mit!« Gemeint sind sehr speicherfähige, ungefähr Vier-Pfund-Brot-große Heizsteine, die stets in Fächern des Hausofens bereit liegen. Stammen sie nicht aus dem bekannten Pöhsnicker »Mondgestein«, dann hat man sie eben aus speziell gemischter Ton- und Erdmasse gebrannt. Die Pöhsnicker haben zangenartige, mit Holzgriffen versehene kleine Gestelle aus Eisen entwickelt, mit denen jeweils ein »Schweinchen« gepackt und auf einem anderen Gestell abgesetzt werden kann, das jeder in seinem Zimmer hat. Ist dieses zweite Gestell noch von einem bereits erkalteten »Schweinchen« besetzt, wird letzteres vorher sofort wieder in den Hausofen verfrachtet, damit das neue, heiße »Schweinchen« Platz und die Hausgemeinschaft stets Nachschub hat. Dieses primitive System habe einwandfrei funktioniert, werden einmal in ferner Zukunft Archäologen feststellen, die einem von der Erde ausgesandten Raumschiff entstiegen sind.
~~~ Gewiß hat alles irgendwo einen Pferdefuß. Nicht unbedingt das Heizschweinchen, aber vermutlich der Schornstein. Nimmt man naheliegenderweise an, die Pöhsnicker Rundhäuser seien mit Palmblättern oder ähnlichem Pflanzenmaterial gedeckt, besteht natürlich, wegen des Funkenflugs, eine gewisse Brandgefahr. HolsteinerInnen kennen das von ihren Reetdächern her. In dieser Hinsicht muß man sicherlich schon bei der Lagerung der Dachsparren im oder am zentralen, auch als Pfeiler dienenden Schornstein achtsam sein. Jedenfalls schlage ich eine (zeitlich) lückenlose Brandwache nebst gewisser Löschvorrichtungen für jedes Pöhsnicker Dorf vor. Die dortigen Dörfer umfassen höchstens 10 GOs. Vielleicht könnte man in dem Dachreiter des größten Gemeinschaftshauses gleich noch eine Sternwarte einrichten.
∞ Verfaßt 2023
Siehe auch → Anarchismus, Hierarchie
Kreuder, Irene (1906–93). Ich traf sie 1977. Wie ich mir die Einladung in ihre Wohnung in der Darmstädter Kaisermühle erschlichen hatte, ist mir ein Rätsel. Schließlich hatte ich weder einen Doktorvater noch eine eigene Webseite vorzuweisen. Ich war ein nahezu unbekannter Westberliner Liedermacher, mehr nicht. Aber Frechheit siegt. Ich war unlängst rein zufällig über die Erzählung Die Gesellschaft vom Dachboden gestolpert und fand sie bärenstark. Das gefiel ihr natürlich. Das schmale Buch, erschienen 1946, stammte von ihrem Mann Ernst Kreuder, Schriftsteller. Den konnte ich schlecht aufsuchen, weil er bereits seit rund fünf Jahren unter der Erde lag. Er war ausgerechnet am »Heiligen Abend« 1972 gestorben, 69 Jahre alt.
~~~ Jetzt hatte Irene Kreuder, geb. Matthias, gerade die 70 überschritten. Ihr Haar war schon weiß. Ein Foto von ca. 1930 zeigt sie an der Seite Ernst Kreuders als schlanke, etwas abgründig in die Kamera blickende Dame mit Pelzkragen und flottem Kapotthütchen. Sie war keineswegs dick geworden, aber die Flottheit war dahin. Allerdings fiel mir ihre kräftige, leicht nach unten gebogene Nase auf. Das sprach für Mut und Angriffsfreude.
~~~ Noch 13 Jahre später bescheinigt sie ihrem streckenweise berühmten Gatten eine gewisse Weltfremdheit, wie ich einem überragenden, längeren Text* Ulrike Edschmids entnehme. Er sei »ganz unsportlich«, nebenbei auch kein besonders feuriger Liebhaber gewesen. Von Staat und Marktwirtschaft hielt er wenig, umso mehr vom Träumen. Viele Fachleute schlagen ihn der »Magie« oder dem »Spirituellen«, also dem Bezirk des Nebelhaften zu, wenn sie das auch niemals so klar sagen würden. Seine Vorliebe für die Predigtform wurde durch seine beachtliche Begabung für Clownerie gemildert. Noch in seinem letzten, posthum veröffentlichten Roman (eigentlich Diesseits des Todes, vom Verleger jedoch Der Mann im Bahnwärterhaus betitelt) ziehen die Irren mit dem Transparent »Mehr Muße! Mehr Mundharmonika spielen!« durch den Wald. Kreuder sei an jenem »Heiligen Abend« von der Bettkante rückwärts auf seine Bettüberdecke gesunken – tot. Der Südhesse aus Offenbach und Darmstadt war seit Jahrzehnten Kettenraucher und eifriger Biertrinker gewesen und hatte längst Kreislaufprobleme. Er habe gewußt, er mache es nicht mehr lang.
~~~ Es läßt sich kaum behaupten, Kreuders Landsmännin Irene, studierte Juristin und Fürsorgerin, nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch vorwiegend und zunehmend Kreuders Hausfrau und Sekretärin, sei dagegen kerngesund und putzmunter gewesen. Aber sie begriff die Unterstützung des etwas »weltfremden« Gatten als Lebensaufgabe, wenn ihr auch zuweilen schmerzlich klar war, stark im Schatten zu stehen. Für sie selber scheint sich nennenswert erst Edschmid interessiert zu haben. Da war sie freilich schon über 80. Von Jugend an zwar rebellisch gestimmt, sei sie doch seelisch recht ungefestigt gewesen. So hatte sie auch wiederholt, teils brutale Aufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen über sich ergehen zu lassen. Sie litt auch oft unter Schlaflosigkeit. Ernst empfand das zugleich als Bürde und Pflicht. Er hielt Treue hoch. Er sei gewiß eher unzugänglich und mürrisch, aber ausgesprochen zuverlässig gewesen. Beide hatten allerdings Liebschaften. Irene bekennt, die Sexualität mit Männern sei ihr stets wichtig gewesen. Obwohl man sie öfter für knaben- oder jungenhaft gehalten habe. Ihren Gatten habe sie einst, in den Kreisen der jungen Darmstädter Animalisten um Max Herchenröder und Carl Mumm, »verführt«.
~~~ Andere Leidenschaften, wie etwa die Schreibwut ihres Gefährten, hatte sie offenbar nicht. Aber sie las sehr viel, besonders Poesie, und schätzte Musik, voran Gesang. Gleichwohl traue sie sich, mangels Distanz, kein Urteil über den Rang ihres Gatten zu. Als sie sich (um 1930) in Ernst verliebte, habe sie vor allem dessen Schüchternheit und trostlose Lage als Außenseiter »ergriffen«, erzählt sie der Biografin. Ähnlich ergeht es mir heute mit ihr, nachdem ich Edschmids eindringliches, ja beinahe erschütterndes Porträt wiedergelesen habe. Sie war oft in Not. Zuletzt versichert sie Edschmid, sie habe schon beinahe Sehnsucht nach dem Tod (wie auch damals Ernst), weil sie glaube, die Menschen würden wiedergeboren. Aber sie sagt nicht, als was sie denn nun wiedergeboren werden möchte. Da liegt der Seufzer nahe: alles, nur nicht als Prominentengattin! Irene Kreuder starb 1993 mit 86 Jahren.
~~~ Mein Eindruck auf sie kann nicht völlig ungünstig gewesen sein. Zunächst durfte ich sie in ihrem mit Leder bezogenen Lieblingssessel fotografieren. Ich hatte mir die Kamera eigens ausgeliehen. Dann schenkte sie mir zum Abschied die Erstausgabe von Herein ohne anzuklopfen (1954), sogar mit Autogramm. Allerdings ging mir das Buch Jahre später bei einem Umzug verloren. Als ich das bemerkte, beschimpfte ich mich – und besorgte mir die gleiche Ausgabe antiquarisch. Nach einigem Zögern verzichtete ich jedoch darauf, nun auch noch die Widmung zu fälschen.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
* in: Ulrike Edschmid, Diesseits des Schreibtischs. Lebensgeschichten von Frauen schreibender Männer, Ffm 1990
Siehe auch Wer mehr zu dem Ehemann lesen will, kann in meinem Blog nachsehen, ob es dort noch den 2007 verfaßten Aufsatz Etwas Kreudertee gibt. 2012 verbesserte und erweiterte ich dieses sowohl gründliche wie freche Porträt.
Krieg
Donbaß II --- Nach dem Corona-Massen-Spektakel – vielleicht auch nur als Pausenfüller – servieren uns die Medien nun schon seit Monaten die Phobie Jeder Schuß ein Ruß. In dieser Hinsicht lassen es sich sogar Autoren von randständigen, kritischen Blättern oder Portalen nicht nehmen, uns ihre Abscheu vor Angriffskriegen, Völkerrechtsbrüchen, imperialistischen slawischen Begierden zu versichern. Dahinter könnte durchaus die typische Angst des Außenseiters stecken, es sich nun auch noch mit der großen Mehrheit der angeblich auf Frieden erpichten UnterstützerInnen der bedauernswerten Ukraine (= Kiew) zu verderben.
~~~ Hier reiht sich der französische Beobachter der Weltpolitik Thierry Meyssan, den ich schon weiter oben heranzog, erfreulicherweise nicht ein. Die verbreitete Überzeugung, Rußland habe (am 24. Februar) den Krieg gegen die Ukraine entfesselt – und das auch noch mit dem verwerflichen Ziel, Kiew und die ganze Ukraine zu schlucken – bezweifelt er.* Selbstverständlich übergehen die meisten neuen Friedens-QuerfrontlerInnen den langjährigen Krieg Kiews gegen den abtrünnigen Donbaß sowieso, als stünden sie vor einem handbreiten Rinnsal. Laut Meyssan hat er, je nach Quelle, in acht Jahren 13.000 bis 22.000 zivile Todesopfer gefordert, die Verletzten, Verängstigten und zahlreichen Geflohenen nicht gerechnet. Ähnlich tun sie die unverfrorene Einschnürung Rußlands durch die sogenannte Nato-»Osterweiterung« mit einem Achselzucken ab. Doch selbst der Auslöser des jüngsten Krieges wird gefälscht, glaubt Meyssan belegen zu können. »In Wirklichkeit griffen Kiewer Truppen am Nachmittag des 17. Februar ihre eigene Bevölkerung im Donbass an. Dann schwenkte die Ukraine mit der Rede von Präsident Zelensky vor den politischen und militärischen Führern der NATO in München das rote Tuch vor dem russischen Stier, als er ankündigte, dass sein Land Atomwaffen erwerben werde, um sich vor Russland zu schützen. / Sie glauben mir nicht? Hier sind die OSZE-Berichte von der Donbass-Grenze. Seit Monaten hatte es dort keine Kämpfe mehr gegeben, aber die neutralen Beobachter der Organisation zählten ab dem Nachmittag des 17. März [wohl: Februar] 1.400 Explosionen pro Tag.«
~~~ Nun mag es einem angenehm parteilichen Taschenspielertrick gleichen, den Schwarzen Peter des »eigentlichen Angriffs« Kiew in die Schuhe zu schieben. In jedem Fall dürfte gleichwohl für jeden nüchternen Beobachter »offensichtlich« sein, daß Rußlands militärisches Eingreifen von der lieben Westlichen Tauschwertgemeinschaft seit längerem zielstrebig provoziert worden ist. Es bietet einfach zuviele Vorteile. Und die YankeearschkriecherInnen im Berliner Regierungsviertel machen selbstverständlich mit. Zum Beispiel reibt sich die Rüstungsfirma Rheinmetall die Hände. Aber auf der anderen Seite ist die Angelegenheit leider auch wieder nicht »offensichtlich«. Nachrichtenflut, bewußte Desinformation und Gehirnwäsche haben inzwischen in jedem neuen Streitfall Ausmaß und Perfektion eines Teilchenbeschleunigers von 30 Kilometer Tunnelumfang erreicht – den unsereins nur mit einem Opernglas bewaffnet aus den Angeln heben soll.
~~~ Nebenbei bemerkt, kehren unsere Massenmedien soundsoviele »Kriegchen«, die gegenwärtig in anderen Weltteilen toben, eiskalt unter den russenphobisch gewebten Teppich. Ich sage nur Myanmar, Syrien, Jemen, Äthiopien, Lateinamerika. Was interessieren uns Zivilisierten schon tote oder verkrüppelte Kinder, die nicht mitteleuropäisch oder wenigstens slawisch aussehen? Und bei der Weberei sind selbstverständlich auch die seit Jahrzehnten beliebten Täuschungsmanöver wieder hilfreich, etwa die Erfindung von schrecklichen, vom »Feind« verübten Massenmorden unter der Bevölkerung, wie einst in Syrien. Ein tolles Manöver legte übrigens Israel 1956 hin, als die angelsächsische Achse bemüht war, sich die ägyptische Suezkanalzone unter den Nagel zu reißen und den aufmüpfigen Präsidenten Nasser zu stürzen. Die Achse bat Israel unter vier Augen darum, einen »Angriff« auf die Kanalzone vorzutragen. Die USA, GB und Frankreich hatten sich nämlich vertraglich verpflichtet, die international benutzte Wasserstraße gegen jeden Angreifer zu schützen! Nun schlugen sie also die israelischen Spießgesellen »zurück« – und bombardierten wenig später Kairo.**
~~~ Verhilft es uns womöglich zum Durchblick, Erhard Cromes jüngsten geopolitischen Abriß aus der Jungen Welt zu studieren? Er ist sogar gut geschrieben.*** Für Crome möchte Rußland, um 1990 gerupft und gedemütigt, reichlich verspätet und rachedurstig bei der imperialistischen Neuordnung mitmischen. Es spiele der angelsächsischen Achse nun die eigene Musik vor. Ob China hier herausfällt, etwa als »sozialistisch«, sagt er nicht. Allen imperialistischen Mitmischern bescheinigt er unkritisch »Demokratie«. Ob das eingezingelte Rußland, angesichts der mißhandelten Landsleute in der Ukraine, eine Alternative zum militärischen Vorgehen gehabt hätte, sagt Crome, wie schon Meyssan, ebenfalls nicht. Aber im Grunde, so dämmert mir jetzt, haben all diese geopolitischen Beobachter-Texte etwas Kraftloses und Kleinmütiges. Sie akzeptieren den Status quo (der kapitalistisch-imperialistisch geprägten Welt) und das Gewohnheitsrecht, unablässig Kriege vom Zaun zu brechen, zum Beispiel 1999 in Serbien. Dafür vermeiden sie die Frage, was der Menschheit eigentlich gut täte, wie die Pest. Eine »kluge Entspannungspolitik« empfehlen sie im letzten Satz. Lächerlich.
~~~ Durch kluge Entspannungspolitik – Willy Brandt läßt grüßen – soll also »das Morden« beendet werden. Ich gestatte mir deshalb nochmals einen Seufzer zur Gewaltfrage. Für die absolute Mehrheit kommt »Gewalt« hauptsächlich, ja nahezu ausschließlich aus Fäusten, Polizeiknüppeln, Gewehrläufen und Kanonenrohren. Das Gegenteil ist der Fall. Eine ganz wesentliche Gewalt ist unsichtbar und damit unmeßbar. Sie wird von den Tag für Tag wirkenden Systemstrukturen – vom Eigentumsrecht bis zum Bürokratenbescheid – und dem Psychoterror fast sämtlicher großen und kleinen Leute ausgeübt. Nicht selten führt diese wenig handfeste Gewalt sogar zu Krankheit und Tod – aber darauf kommt es noch nicht einmal an. Daß sie das Leben auf diesem Planeten Tag für Tag zur Hölle macht, das ist das Entscheidende. Die Kriege sind »nur« die ständigen Auswüchse dieser höllischen Verfassung. Deshalb werden sie auch meistens »mehrheitlich« begrüßt. Der Planet ist völlig falsch gepolt. An dieser Verkehrtheit müßte man ansetzen. Fragen Sie aber nicht mich, wie das gelingen sollte. Eins jedoch kann ich Ihnen versichern. Wenn sich viele ägyptische BürgerInnen 1956 in Kairo, Port Said oder anderen Städten in ihren zerbombten Häusern verschanzten und mit irgendeiner Waffe in der Hand erbitterten Widerstand gegen die Eindringlinge leisteten – als damaliger Mitbürger wäre ich sofort dabei gewesen. Aber damals war ich erst Sechs. Und jetzt bin ich schon scheintot.
∞ Verfaßt Juni 2022
* Thierry Meyssan, »Die neue Weltordnung«, https://www.voltairenet.org/article216289.html, 29. März 2022
** Peter Bols, Mit Scheckbuch und Pistole, Ostberlin 1967, bes. S. 138
*** Erhard Crome am 22. April 2022: https://www.jungewelt.de/artikel/425081.imperialismus-verzerrte-spiegelung.html
Paine im Krieg --- Der altersschwache Postbus mit einem Schlag überwiegend aufgekratzter SchülerInnen an Bord kämpft sich durch die verschneiten vermonter Berge. Sylvia bleibt schweigsam. In der bekannten Kurve sieht man wieder den jungen, hübschen Mann aus dem höher gelegenen Holzfällercamp winken. Sylvia wird auf der Ahornsirup-Party mit Thomas Steingräber tanzen. In einer anderen Kurve ist der Ahornzuckersammler Oliver Paine immerhin mit einem Briefkasten vertreten. Er haust allein in einer versteckten Waldhütte. Gegen Romanende wird er den jungen Holzfäller aus Österreich unter Sylvias Augen zornig aus der Hütte weisen. Die beiden waren zu einem Krankenbesuch bei Paine erschienen. Wäre der schnurrbärtige, graumelierte Eigenbrötler nicht gerade durch Beinbruch behindert gewesen, hätte er Steingräber notfalls sicherlich auch gewaltsam hinausgeworfen. Steingräber weicht, Sylvia bleibt. Sie ist erst 17.
~~~ Für mich hat Carl Zuckmayer mit seinem später so genannten Vermonter Roman, geschrieben 1942/43, eine sowohl spannende wie anregende Geschichte erzählt, obwohl IndianerInnen darin nur völlig am Rande vorkommen. Sie spielt kurz vorm Zweiten Weltkrieg in Vermont, USA. Von den drei in der Exposition gestreiften Hauptpersonen bleibt Waldeinsiedler Oliver Paine auch sonst am verborgensten. Zuckmayer hält ihn streng bedeckt. Selbst Sylvia, die ja doch zunehmend an ihn denkt, erkundigt sich nie nach Paines Vorleben. Das kann man merkwürdig, vielleicht auch bezeichnend finden. Wahrscheinlich ist Sylvias Neugier auf andere Menschen eher gering. Sie hält bei ihrem Großvater, wo sie lebt, ein paar Enten und läuft gern auf versteckten Waldteichen Schlittschuh. Pläne oder Träume beruflicher Art scheint sie nicht zu haben. An Paine gefällt ihr die unverkrampfte Sicherheit, mit der er Sirup kocht, Mokassins aus Leder näht oder einfach nur an seinen Entschlüssen festhält. Wie es aussieht, arbeitet er auch an Aufzeichnungen. Vielleicht hat er von Thoreau gehört und bringt, wie dieser in Walden, Tiefsinniges zu Papier. Paines Alter bleibt übrigens gleichfalls in der Schwebe – zwischen 50 und 60 vielleicht. Wir können nur raten. Schließlich zeigen ein paar graue Haare Alter nicht so verläßlich an wie Sumpfstorchschnabel Nässe. Der blüht nebenbei leuchtend pink und ist schon deshalb, im Gegensatz zu Paine, kaum zu verfehlen.
~~~ Vordergründig betrachtet, folgt der Roman dem beliebten Muster Eine Frau zwischen zwei Männern, doch es geht auch um Politik und Philosophie. In jedem Fall bleibt Zuckmayers Sprache unbeirrt an den Dingen, was natürlich der Anschaulichkeit und einem durchgängigen Romanklima zugutekommt. Zudem setzt er gemächliche Anbahnungen und dramatische Zuspitzungen geschickt im Wechsel ein. Am Schluß läßt er seine Geschichte – die in Gelächter endet – gnadenlos offen. Wir erfahren weder deutlich, was Paine und Sylvia eigentlich so komisch finden, noch was sie vielleicht sonst noch so treiben. Einige Quellen bezeichnen den Roman als »Fragment«. Er wurde erst knapp 20 Jahre nach Zuckmayers Tod aus dem Nachlaß veröffentlicht. Im kurzen Nachwort zu meiner Ausgabe (Fischer-TB 1998) erspart man sich auch dazu eine klare Auskunft. Wie auch immer, für mein Empfinden bricht das Werk genau an der richtigen Stelle ab. Denn wie wollte man die Liebschaft zwischen einer Nixe oder Elfe, beide eigentlich nicht für knisternde Beziehungen mit Sterblichen gemacht, und einem vermutlich zum Rechthabertum neigenden Hagestolz glaubwürdig ausmalen? An der blutjungen Landfrau beeindruckt zunächst die mit Kälte gepaarte Anmut. Schlank und hübsch soll sie sein; Genaueres wird uns nicht verraten. Sie selber bescheinigt sich einmal Hartherzigkeit. Vielleicht ist sie zu sehr in sich selbst gefangen, um sich verströmen zu können. Wünscht sie Verehrer, dann eher, um sie auf die Folter spannen zu können. Somit wäre sie also durchaus machtbewußt – keine Nonne. Aber zu einer Cathy Ames, an die ich streckenweise dachte, hat sie nicht das Zeug. Diese weibliche Hauptfigur aus Steinbecks Jenseits von Eden ist eine eiskalte, falsche Schlange, eigennützig und bösartig bis ins Mark. Von seiner spröden Sylvia dagegen behauptet der Erzähler sogar, in ihr steige jäh eine »heiße, grundlose Lust am Leben« auf, während sie durch den sprossenden Wald zu Paines Krankenlager schlendert oder hopst. Wie ich jedoch schon sagte, ein solches Erwachen hat wenig Überzeugungskraft.
~~~ Der aus besserem, gelehrtem Hause stammende Thomas Steingräber befindet sich auf der bekannten Flucht vor sich selbst. Er darf Sylvia am Rande der Ahornsirup-Party sein Herz ausschütten. Eine Kinderstube, in der die Winde dauernd wechselten, hat ihn zum unsicheren Zyniker gemacht. In Paine wittert er nicht nur den Konkurrenten um Sylvias Gunst, sondern auch den Geistesverwandten. Deshalb schlägt seine Sympathie für einen verschrobenen Einsiedler in Haß um. Thomas haßt ja auch sich selber. Auf die Meinungsverschiedenheit beider in strategischen Fragen des Krieges zwischen den Klassen oder »zwischen Gut und Böse«, wie Paine findet, darf man nicht viel geben. Thomas wirft dem Einsiedler vor, sich den Kämpfen seiner Zeit zu entziehen und so das Böse gewähren zu lassen. Aber was tut er selber anderes, obwohl er noch beträchtlich jünger als Paine ist? Er weicht seinem Vater aus, entzieht sich einer Verhaftung als angeblicher Polizistenmörder und verkriecht sich in einem Holzfällercamp, dessen Banalität ihn zu ersticken droht. Ich vermute die Geistesverwandtschaft der beiden in der Ahnung oder dem Wissen, daß uns jede nennenswerte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Machtkämpfe verwickelt, womit wir wiederum zu deren Unaufhörlichkeit beitragen.
~~~ Paine versteigt sich seinen Besuchern gegenüber zu der Äußerung, man habe die Bösen – die man an den Augen erkenne – zu töten, ja mit den eigenen Händen zu erwürgen. Natürlich laufen die Bösen nicht im Gänsemarsch an Paines abgelegener Hütte vorbei, wie Thomas auch prompt mit Hohn bemerkt. Sie robben zum Beispiel durch vietnamesische Reisfelder oder ukrainische Weizenschläge oder eilen händereibend durch die Flure endloser Laborgebäude unserer Pharmaindustrie. Paine hat sich, für mein Empfinden, dem Teufelskreis der Gewalt – auch des gewaltsamen Widerstands – wohlweislich entzogen. Als Preis hat er zunächst seine Einsamkeit zu zahlen. Doch wie füllt er sie aus? Mit Krieg. Thomas gab ihm bei seiner politischen Moralpredigt zu bedenken, nach Ansicht vieler BeobachterInnen stehe die Welt (1938) kurz vor einem Krieg, während er, Paine, den Einsiedler spiele. Aber der erwidert nach einer Weile, es sei immer Krieg. Thomas versteht nicht ganz. Paine erklärt, es gebe nur den einen Krieg. Dabei macht er mit dem Daumen eine kurze, harte Geste gegen die eigene Brust.
~~~ Auch diese Feststellung wird vom Autor nicht weiter erläutert. Ich nehme freilich an, Paine hat sich zugleich aus Schwäche (Angst) und Stärke (Stolz) von seinen Mitmenschen zurückgezogen. Beziehungen verunsichern ja fast immer. Dabei hat doch einer wie Paine schon mit sich selber Schwierigkeiten genug. Verunsichern sie aber nicht, sind sie zumindest lästig. Sie lenken einen von den wesentlichen Aufgaben ab. Das ist das Hochmütige an der selbstgewählten Einsamkeit. Im Grunde dienen die Paines dem Eigennutz kaum weniger als Cathy Ames, die mit verschiedenen Menschen, die ihr verfallen sind, ihr grausames Spielchen treibt. Die Paines hüten sich, sich zu verströmen, um dieses Wort aufzugreifen. Bei ihrem ersten Besuch bei Paine hatte Sylvia vorgeschlagen, er möge sich zwecks mehr Geselligkeit einen Hund anschaffen. Paine bedachte es, schüttelte dann jedoch seinen Kopf und erwiderte kurzangebunden wie immer: »Ich könnte ihn zu gern haben.« Von daher hat natürlich auch Sylvia, nach Verebben des auf Thomas‘ Abgang folgenden Gelächters, ziemlich schlechte Karten.
~~~ Damit will ich nicht geleugnet haben, daß Beziehungen auch Ratschlag oder Trost spenden können. Beides muß der geschworene Eigenbrötler entbehren. Berät und tröstet sich so einer notgedrungen selber, läuft er in seiner Befangenheit leider immer Gefahr, sich in Irrtümern oder Wahngebilden zu verfangen und entsprechend in Selbstmitleid zu baden. Nehmen Sie sich Oliver Paine lieber nicht zum Vorbild.
∞ Verfaßt 2022
Brockhaus stellt sogar die Stadt Donezk aus dem Osten der (damaligen) Ukrainischen SSR vor. Bekanntlich ist die Großstadt nach wie vor ein Zentrum der Steinkohlengrä-berei und der Stahlkocherei und entsprechend begehrt. Sie hatte 1986 rund eine Million EinwohnerInnen. Zur Stunde mögen es kriegsbedingt ein paar Zehntausende weniger sein. Von 1924–61 habe die Stadt Stalino geheißen. In dieser Taufe gaben sich gleichsam die Stahlproduktion und der damalige Staatschef die Hand. Nun, wir wollen nicht spotten, schließlich sind Umbenennungen weltweit sehr beliebt, weshalb es auch weltweit so häufige Regimewechsel gibt. Wenn Sie sich einmal überlegen, was solche Umbenennungen allein in verwaltungstechnischer Hinsicht kosten, bekommen Sie allerdings graue Haare. Es sei denn, Sie denken betriebswirtschaftlich und leiten zum Beispiel eine Orts- und Straßenschilder-Druckerei. Sind wir aber schon bei Kosten, könnten wir auch noch an die mindestens rund 2.240 Milliarden Dollar erinnern, die jährlich weltweit durch Auf- und Nachrüstung verpulvert werden. Schließlich tobt seit etlichen Jahren auch im Donbaß ein wunderbar einträglicher Krieg. Inzwischen darf man wohl behaupten, alle beteiligten NutznießerInnen hätten nicht das geringste Interesse daran, diese Schlächterei etwa zu verkürzen oder gar zu beenden. Das dürfte neuerdings auch für Nahost gelten. Aber was sage ich da »neuerdings«? Unzählige Kriegsherde werden seit Jahren und Jahrzehnten schön am Kochen gehalten, damit die Profitraten der Waffenschmieden nicht in den Frostbereich absinken. Ideologische und massenpsychologische Vorteile kommen hinzu. Schließlich soll auch die PR-Branche ihren Gewinn – und Frau Baerbock soll nichts zu meckern haben. Muß Annalena aber trotzdem ihren grünen Hut nehmen, weil die sogenannten Landwirte mit ihren einfamilienhaus-großen Schleppern (nach ihren eigenen Äckern) das Berliner Regierungsviertel plattgemacht haben, wird die neue Kanzlerin Sahra Wagenknecht umgehend die Bestimmungen des bekannten Verbots verschärfen, Waffen in sogenannte Spannungsgebiete zu liefern. Schon der Neuverordnungsweg trägt zur besseren Ernährung einiger Partei-HiWis und vieler Bürokraten bei. Vor allem jedoch wird die Verschärfung einen echt reformerischen Anreiz für die Chefetagen der Rüstungsproduzenten schaffen, sich ganz neue Um- und Schleichwege auszudenken. Das kommt dann wieder der notleidenden Branche der Rechtsanwälte und SteuerberaterInnen zugute.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 9, Februar 2024
Wer die Räuber und Schänder abhalten will, baut gerne Festungen. Zwar erwähnt Brockhaus die ab ungefähr 1600 oft gezackten, sternförmigen Grundrisse der stark verrammelten Städte oder Bastionen, erklärt sie jedoch nicht. Vielleicht vertraut er darauf, jeder hätte weidende Pferde in nächster Nachbarschaft. Meine vier- und hochbeinigen Nachbarn legen ihre Wechsel (= Trampelpfade) auf der Koppel stets im Zickzack an. Dadurch erweitern sie, zumal in einer Kolonne, ihr Blickfeld beim Trotten, erhöhen also ihre Sicherheit. Jetzt können sie auch geduckte Tiger erspähen, die hinter ihnen im sonst »toten Winkel« kauern. Das gilt auch für jene Festungen. Hinzu kommen günstigere Schußbahnen und Vorteile für den Nahkampf. Bei den gezackten Angriffsobjekten können die Feinde schwerer die Sturmleitern anlegen. Und so weiter – nur nicht bei mir. Im Grunde ist es genauso hirnrissig, seine Zeit damit zu verschwenden, in die Geheimnisse des Festungsbaus wie in die Geheimnisse der Fertigung von Halbleitern oder Kartoffelchips einzudringen.
~~~ Nach Lewis Mumford haben wir unsere mechanischen Erfindungen bis ins Mittelalter hinein »mehr dem Krieg als dem Frieden« zu verdanken.* Er geht sogar noch weiter. Ich zitiere einen ganzen Absatz von der Seite: >Der Streitwagen der Bronzezeit ging dem allgemeinen Gebrauch von Transportlastwagen voraus, brennendes Öl wurde zur Abwehr des Feindes von der belagerten Stadt verwendet, ehe man es als Antriebskraft für Motoren oder als Heizstoff benutzte. Die assyrische Armee verwendete aufgeblasene Rettungsgürtel, um Flüsse zu überqueren, Tausende Jahre bevor Schwimmwesten für Zivilisten erfunden wurden. Auch die Arten der Metallverwendung entwickelten sich rascher in der Armee als im zivilen Leben. Die Sense wurde an Streitwagen befestigt, um Menschen niederzumähen, ehe sie an der Mähmaschine befestigt wurde, die dem Ackerbau diente; Archimedes‘ Wissen über Optik und Mechanik wurde dazu verwendet, die römische Flotte, die Syrakus angriff, zu zerstören, ehe es für konstruktive industrielle Zwecke angewandt wurde. Kriegführung war, vom griechischen Feuer bis zur Atombombe, von der ballista bis zur Rakete, die Hauptquelle jener technischen Erfindungen, die auf metallurgischem oder chemischem Wissen beruhten.<
~~~ Das ist ja wohl ein äußerst betrübliches Armutszeugnis, das uns der US-Gelehrte da ausgestellt hat. Und dies alles nur, weil Gott es einst versäumte, uns mit Krallen oder Säbelzähnen oder Giftdrüsen auszurüsten. So blieb uns vielleicht nichts anderes übrig, als unsere Gehirnzellen aufs Militärische zu trimmen. Anfänglich nannten wir uns noch WächterInnen, später SicherheitspolitikerInnen.
~~~ Erfahrungsgemäß sind auch die ausgereiftesten Erfindungen auf dem Gebiet der Sicherheit nie davor sicher, nicht früher oder später ausgehebelt zu werden. Ich frage mich vergeblich, woran das wohl liegen mag. An unserer unvollkommenen Natur? An der Unmöglichkeit, der Zeit vorzugreifen, den Schleier der Zukunft zu lüften? Oder gibt es eine Art Gesetz über die Unvermeidbarkeit von Schwachstellen, das unfehlbar immer gilt, zu allen Zeiten? Dann hätte es auch zu Gottes schöpferischen Zeiten gegolten – und es wäre kein Wunder, wenn ihm der Mensch nur unvollkommen gelang. Aber wer weiß, ob es nicht schon damals Lobbyisten der Freien Marktwirtschaft gab, die ihm einflüsterten: »Bloß keine Vollkommenheit, Alter! Das wäre doch der Ruin der ungehemmten Produktion stets neuer Waren und ganz ungeahnter Arbeitsplätze, der uferlosen Vergeudung und der entsprechenden rosigen Gewinnaussichten aller unternehmungslustigen Leute …«
~~~ Oft sind die »Sicherheitslücken« allerdings keineswegs technischer, vielmehr sozialpsychologischer Natur. Man spricht wahlweise von menschlichem Versagen oder Verrat. Unter Hitler und Stalin haben ja sogar Jugendliche kaltblütig ihre linienuntreuen Eltern, LehrerInnen oder Freunde verraten. Das Phänomen ist aber kein modernes. Löffler erwähnt in seiner Waltershäuser Stadtgeschichte auch für die lange Zeit von 1300 bis 1700 immer mal wieder Verrätereien, die beispielsweise zum Einfall von verrohten Landsknechten oder der Folter einer angeblichen Hexe führten.
~~~ Für eingefleischte anarchistische Kommunarden steht eine Sicherheit, die auf technischem Wege erzielt wird, ohnehin immer auf tönernen Füßen. Man muß diesen Weg meiden. Vergittere ich mein Fenster, zieht es Diebe oder Unholde wie Fliegen an; lege ich dagegen meine goldene Konfirmationsuhr auf die Fensterbank, bringt es mir gleich die Rührung der Diebe oder Unholde ein: weil ich sie offensichtlich für anständige Leute halte. Mit anderen Worten, freie Kommunen oder Republiken werden auf Vertrauen gebaut. Nur ist das in einer Welt, die inzwischen ein einziges Bollwerk des Argwohns und sogenannter Sicherheitskräfte darstellt, tausendmal leichter gesagt als getan. Im Ergebnis wäre es vielleicht zu selbstmörderisch.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 12, März 2024
* Lewis Mumford, Mythos der Maschine, zweibändig um 1970, hier Fischer-TB 1977, S. 261
Brockhaus meint, der norddeutsche Schriftsteller Manfred Hausmann (1898–1986) habe nach journalistischen Arbeiten und Erzählungen von romantisch-schwermü-tigem Gepräge mit seinem Roman Abschied von der Jugend (1937) eine Wandlung »zu einem entschiedenen Christentum« eingeleitet. Das klingt wie ein Prädikat: Besonders wertvoll. Mein Eindruck ist dagegen eher, dieser Mann sei nicht besonders wacker, vielmehr scheinheilig gewesen. Diese Wertung möchte ich aber nur als Versuchsballon in einer Debatte verstehen, vor der die heutige Windstille um Hausmann zu weichen hätte.
~~~ Soweit ich sehe, hatte Hausmann nach seiner Mitwirkung am Ersten Weltkrieg und einer Promotion zum »Dr. phil.« mit jugendbewegten Kollegen wie Ludwig Tügel und Gustav Schenk zur schreibenden Fraktion des vorwiegend braun getünchten »Malerdorfes« Worpswede bei Bremen gezählt. Ab 1945, nach dem nächsten Weltkrieg, gaben sich diese Leute wortgewandt als gebeutelte »Innere Emigranten« aus und setzten ihre Laufbahn, da dieser Legende so gut wie niemand auf den Zahn fühlte, erfolgreich fort. In welches stille Kämmerlein hatte sich also der »Innere Emigrant« Tügel im September 1940 zurückgezogen? Er stand in einem gut gefüllten Weimarer Saal an einem Rednerpult, um den Teilnehmern des »Großdeutschen Dichtertreffens« Die Gestaltung der Lebensordnung unseres Volkes als Aufgabe der Gegenwartsdichtung nahezubringen. Anschließend ging‘s zum Empfang durch den »Gauleiter« und »Reichsstatthalter« Fritz Sauckel ins Weimarer Schloß. Wie sich kurz darauf einem ausführlichen, bebilderten Tagungsbericht* in Goebbels Wochenblatt Das Reich entnehmen ließ, war Dichter Tügel in seiner Hauptmanns-Uniform erschienen. So verblüffte es wenig, wenn der Autor dieses Berichtes, just Manfred Hausmann, mit Begeisterung von jenem »totalen Krieg« sprach, den Gastredner Oberstleutnant Prof. Dr. Kurt Hesse vor den in Weimar versammelten Männern und Frauen des Geistes beschworen hatte. In wirkungsvoll biblisch-altertümelndem Bilde versicherte Hausmann den Lesern des Reichs, im heutigen Deutschland gehöre »das Buch zum Schwert, das Schwert zum Buch«. Eben hier hatte Brockhaus vielleicht zurecht die Begabung Hausmanns für »entschiedenes Christentum« gerochen.
~~~ Als die faschistischen Kanonen endlich zum Schweigen gebracht worden waren, saß Hausmann erneut, wie schon vor dem Krieg, für die SPD im Worpsweder Gemeinderat. Verweise auf angebliche öffentliche Reue, die Wikipedia gibt, kommen mir wenig stichhaltig vor. Die Auflage von Hausmanns Bücher – für viele »harmlose Vagabundenliteratur« – hatte inzwischen die Millionengrenze überschritten. Dem fügte er nun in neuer Eigenschaft als ordinierter Ältestenprediger der Evangelischen Kirche und treuer »Knecht Gottes«, so seine Eigenbezeichnung, noch Unmengen an erbaulichen Schriften hinzu, in denen jeder, der es nur will, die oben befürchtete Scheinheiligkeit studieren kann.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 17, April 2024
* »Das Großdeutsche Dichtertreffen in Weimar. Ein Überschlag und Ausblick von Manfred Hausmann«, in: Das Reich, 29. September 1940
Gottseidank kam der inzwischen 25 Jahre alte Überfall der Nato auf Jugoslawien für Brockhaus knapp 10 Jahre zu spät. Andernfalls hätte auch er mir jede Wette das Zerrbild zugemutet, das bis zur Stunde die sogenannte Öffentliche Wahrnehmung dieses epochalen Ereignisses prägt. Dabei hatte es doch ein Jahr vorher, 1998, so verheißungsvoll begonnen. Damals bekam Deutschland erstmals eine sogenannte rotgrüne Regierung! Prompt erwarteten einige Leute aus den Legionen, die der SPD seit vielen Jahrzehnten nach jeder Schandtat neuen Kredit zu geben pflegten, Kanzler Gerhard Schröder werde zunächst »um Entschuldigung« bitten – beispielsweise für die Ermöglichung des Ersten Weltkrieges durch die Sozialdemokratie, die blutige Unterbindung der deutschen Revolution nach dessen Ende oder doch wenigstens für die Erschießung Benno Ohnesorgs, der ja 1967 unter einem Regierenden Bürgermeister (Heinrich Albertz) und einem Polizeipräsidenten (Erich Duensing) aus den Reihen seiner Partei ins Gras hatte beißen müssen. Unter Hitler war Duensing übrigens Generalstabsoffizier gewesen.
~~~ Wie sich versteht, dachte Schröder nicht im Traum an dergleichen Selbstkritik. Im Verein mit seinem Kriegsminister Rudolf Scharping und seinem »grünen« Außenminister Joschka Fischer setzte er ganz im Gegenteil eine »Enttabuisierung des Militärischen« in Gang, die er sich später als größten Wurf seiner Regierungszeit angerechnet haben soll. Man sieht, die »rotgrüne« Regierung war wieder einmal das kleinere Übel gewesen. So mußte sie sich ab Frühjahr 1999, als sie im Verein mit anderen Nato-Staaten Jugoslawien überfiel, lediglich über einige »Kollateralschäden« grämen – auch dies eine Neuprägung der Orwellschen Art. Nach serbischen Angaben sorgten die in knapp drei Monaten vorgebrachten »Luftschläge« der Nato für rund 1.000 tote Soldaten oder Polizisten und 2.500 tote Zivilisten. Etwa 10.000 Menschen wurden verletzt. Hinzu kommen die gewaltigen seelischen, wirtschaftlichen und ökologischen Schäden; neben Sendegebäuden, Schulen und Krankenhäusern wurden beispielsweise auch mehrere Chemiefabriken bombardiert. Alles geschah, um von Serben veranstaltete »Schlächtereien und Massenvertreibungen im Kosovo« zu unterbinden – oder vielleicht doch eher, um das »Pulverfaß« Kosovo abspalten und mit einer riesigen US-Militärbasis sowie zahlreichen Einrichtungen der albanischen Mafia füllen zu können?
~~~ Mit wenigen Ausnahmen, darunter erfreulicherweise die Schriftsteller Erwin Chargaff, Peter Handke und Peter Urban, fielen alle wiedervereinigten Deutschen auf die haarsträubende Menschenrechts- und Greuel-Propaganda herein, die den Angriff eines Landes rechtfertigen sollte, das uns, bereits zum dritten Male in einem Jahrhundert, nichts getan hatte. Daran hielten sie sogar fest, nachdem das Lügengespinst im öffentlich-rechtlichen ARD-Fernsehen zerrissen worden war, nämlich mindestens in einer von Patricia Schlesinger moderierten Panorama-Sendung am 18. Mai 2000 und in dem ausführlichen Dokumentarfilm von Jo Angerer und Mathias Werth mit dem Titel Es begann mit einer Lüge am 8. Februar 2001. Es sammelte sich im Lauf der Jahre zudem ein ganzer Stapel gut recherchierter Bücher zu diesem Thema an, darunter Kriegslügen von Jürgen Elsässer, 2004. Aber es nützte alles nichts. Inzwischen ist imperialistische Politik schon wieder hoffähig genug, um Ex-Kanzler Schröder ungerührt und straflos die eigentlich sensationelle öffentliche Feststellung durchgehen zu lassen, er könne Putins (angebliches) Eingreifen auf der Krim nicht verurteilen, weil er selbst im Glashaus sitze, nämlich einmal gegen das Völkerrecht verstoßen habe. »Da haben wir unsere Flugzeuge ..[..].. nach Serbien geschickt und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt – ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.« So Anfang März 2014 bei einer Zeit-Veranstaltung in Hamburg.*
~~~ Dieses Eingeständnis des gelernten Rechtsanwaltes – das ich bereits Ende 2022 in meiner Blog-Rubrik Miese Zellen würdigte – führte kürzlich auch NDS in einem bemerkenswerten Jubiläumsartikel an. Autor Warweg hatte sich auf der Bundespressekonferenz erkundigt, ob Frau Baerbock plane, sich für den völkerrechtswidrigen Angriff zu entschuldigen und nebenbei für die Zukunft aller Doppelmoral zu entsagen. Pustkuchen! Die Hiwis unserer Ampel-Regierung wanden sich von einer Ausrede zur anderen und versicherten letztlich, damals sei alles völkerrechtskonform verlaufen. Lesen Sie bitte selbst.**
~~~ Im scheckigen Lager der sogenannten Linken und QuerdenkerInnen wird die balkanesische Türöffnung für einen willkürlichen Umgang mit dem Völkerrecht nach wie vor ganz überwiegend unterschätzt. Damit ist auch die wahre Schmutzflut, die sich damals über die wenigen KetzerInnen ergroß, unter den Teppich gekehrt. Dabei könnte man heute doch beinahe glauben, diese Verleumdungs- und Isolationskur sei bereits das Vorspiel zum Kesseltreiben gewesen, das kürzlich im Zeichen des Coronawahns auf uns gekommen ist. Auch die Straflosigkeit für die führenden rotgrünen Demagogen wird beide Perioden verbinden.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 20, Mai 2024
* Günter Bannas, »Er handelt wie ich«, FAZ.NET, 10. März 2014: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ukraine-gerhard-schroeder-erklaert-putins-politik-12840337.html
** Florian Warweg, »Bundesregierung zum 25. Jahrestag …«, https://www.nachdenkseiten.de/?p=112737, 21. März 2024
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