Montag, 6. Januar 2025
AZ 1–3 (PAL) Folge 9
Coleen – DDR, Tuchscheerer
Coleen – DDR, Tuchscheerer
ziegen, 09:42h
Coleen († 2010), Kind aus Thüringen, im Alter von drei Jahren von vier Bullterriern getötet. Coleens Berufswün-sche sind nicht bekannt. Vielleicht wäre sie Gärtnerin, Hartz-IV-Empfängerin oder Diät(en)planerin eines »linken« Erfurter Landtagsabgeordneten geworden. Sie stammte aus dem nordthüringischen Oldisleben, einem Nachbardorf von Sachsenburg, wo sie an einem Freitagnachmittag Ende Mai 2010 ihre 44jährige Tante besuchte, die ihr Haus unter anderem mit vier American Staffordshire Terriern teilte. Zum Tatzeitpunkt hielt sich das Kind im Haus, die Tante im Garten auf. Aus ungeklärten Gründen jäh von den Kampfhunden angefallen, flüchtet sich Coleen in die Arme ihrer ebenfalls im Haus anwesenden Urgroßmutter, die das kleine Mädchen zu schützen sucht, aber zu Fall kommt. Die 72jährige Frau wird von den Hunden schwer verletzt, das Mädchen buchstäblich zerfleischt. Es stirbt an Ort und Stelle, noch ehe der alarmierte Rettungswagen eintrifft.
~~~ Die Hunde, die keinen Zwinger besaßen, wurden noch am selben Tag von einem Amtsarzt eingeschläfert. Wie sich herausstellte, waren sie nicht angemeldet gewesen. Einige entsetzte DorfbewohnerInnen bekannten, sie hätten schon seit langem vor den kurzhaarigen, bulligen Tieren Angst gehabt. Eine Gutachterin bezeichnete die vier Kampfhunde als »tickende Zeitbomben«. Trotzdem kam die illegale Hundehalterin ein Jahr darauf vorm Amtsgericht Nordhausen wegen »fahrlässiger Tötung« mit einem Jahr Haft auf Bewährung und 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit davon. Ihr Verteidiger hatte sogar auf Freispruch plädiert.*
~~~ Nach Pressemeldungen registrierten die Ordnungsämter Thüringens für das folgende Jahr 2011 genau 482 »Beißangriffe« von Hunden unterschiedlichster Rassen. Dabei seien in 281 Fällen Menschen verletzt worden, 73 von ihnen schwer. Daneben wurde ein 62jähriger Hofbewohner, im November desselben Jahres, in Wülfingerode, Kreis Nordhausen, von seinem eigenen Dobermann getötet. Er hatte ihn am späten Abend noch einmal aus dem Zwinger auf den Hof gelassen, wohl aus Gefälligkeit, zwecks Auslauf. Da fiel ihn der kurzhaarige, schwarzbraune Wächter an. Das hatte schließlich den gleichen therapeutischen Effekt, für den Hund.
~~~ Bundesweit soll es jährlich zu ungefähr 30–40.000 Bißverletzungen durch Hunde kommen. Todesopfer: im Schnitt drei. Die meisten Opfer sind Kinder, betont ein Zeitungsredakteur.** Grundsätzlich stellt der Mann die Hundehaltung mit keinem Komma in Frage. Das ist krassen Unrelevanten wie mir vorbehalten, die sich deshalb (und aus 100 anderen Gründen) vermutlich den Haß breiter Volksschichten zuzögen, sofern sie kein Schattendasein führten. Übrigens wächst das Hundevorkommen in Deutschland. Derzeit hätten wir schon fast 9 Millionen Hunde, versichert der Redakteur. Ich nehme an, hier waltet dasselbe Gesetz, das die Verarmten und Entrechteten bislang in Krisenzeiten vermehrt an die Kinokassen trieb. Und da sie jetzt nicht mehr ins Kino dürfen und auch keine Partys mit Zweibeinern mehr gestattet sind, wegen der Ansteckungsgefahr, sind sie eben in der Lage, verstärkt Hundefutter einzukaufen. Das können sie wahlweise mit Maulkorb = Atemschutzmaske oder Online tun. So oder so, laufen sie an der Leine.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
* https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/toedliche-hundeattacke-gericht-verurteilt-halterin-zu-bewaehrungsstrafe-a-754280.html, 31. März 2011
** Markus Brauer, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.beissattacken-durch-hunde-sieben-fakten-ueber-gefaehrliche-hunde.07f89516-3c90-4e20-97b0-2c060c43141d.html, 12. April 2018
Corona (Virus)
Maskenball --- Liebe S., ich habe in meinen Ausgewählten Zwergen wiederholt auf die klammheimliche Abschaffung der »Unschuldsvermutung« hingewiesen. Man setzt nicht mehr den wohlmeinenden, kooperativen Bürger voraus, sondern erachtet ihn grundsätzlich als »potentiellen Straftäter«. Genau auf dieser Linie liegt die wohl bislang einzigartige Maßnahme, ein ganzes, eigentlich unschuldiges Volk in Quarantäne zu nehmen: durch Ausgangsperren, Reise- und Kontaktverbot, Maskenpflicht und was noch alles kommen wird.* Die Umkehrung ist offensichtlich, aber kaum eines von den Volksschafen zeigt Entsetzen. Normalerweise hätte man gedacht, als Antiseuchenmaßnahme bemühe sich der Staat, die paar Erkrankten gesund zu pflegen und notfalls auch zu isolieren, wegen der Ansteckungsgefahr. Freilich hat er das Gesundheitswesen leider schon vorher erfolgreich zertrümmert. Also kümmert er sich nun gerade umgekehrt um den großen Rest, um die 99,9 Prozent Gesunden. Sie müssen gepflegt und eingehegt werden – und wagt sich ein Volksschaf ohne »Atemschutzmaske« zu zeigen, wissen alle anderen gleich, sie haben es mit einem Schädling an der Volksgesundheit zu tun. Das wird erst ein Spaß, wenn der Impfzwang kommt, dem sich einige kritische Köpfe mit guten Argumenten zu widersetzen gedenken! Jeder Nichtgeimpfte wird sich eine Lazarusklapper kaufen müssen – und die Weigerung, diese einwandfrei zu betätigen, ist schon wieder für Strafgebühren, Folter oder Scheiterhaufen gut.
~~~ In meinem letzten Brief vergaß ich hervorzuheben, welches Riesengeschäft die Impfungen, ja bereits die sogenannten Tests auf das Virus sind, wie etwa der kritische und inzwischen schön verleumdete Mediziner Wolfgang Wodarg anmerkte. Das sind vom Staat geschenkte und beschützte Goldgruben für die Pharma-Mafia. Übrigens kostet auch die »Atemschutzmaske« Geld – unser Geld. Dabei ist deren Tauglichkeit als Viren-Abwehrwaffe nach meinen Quellen unter Fachleuten ebenfalls durchaus umstritten. Manche Mediziner halten sie sogar für abträglich. Aber auch dessen ungeachtet stellt sie starken Tobak dar. Mit ihr scheute sich der Staat nicht, das selbst erlassene und seitdem sehr geschätzte »Vermummungsverbot« zu unterlaufen, ja ebenfalls geradezu umzukehren. Jeder Nichtvermummte ist jetzt jener »potentielle Straftäter«. Die Maßnahme ist auch erstaunlich unaufwendig. Man muß die Nichtvermummten nicht mehr dazu verdonnern, sich beispielsweise einen Gelben Stern anzuheften. Vielmehr genügt ein ein Nichts, nämlich die fehlende Maske, jeden wachsamen Spaziergänger oder Verkäufer zum Spion und jeden Mitmieter zum Blockwart zu machen.
~~~ Ein Seitenstück zur Abschaffung der gutbürgerlichen Unschuldsvermutung ist die Umkehrung der Beweislast, wie ich ebenfalls schon mehrmals bemerkte. Auch diese Tendenz macht sich der kapitalfreundliche Panikstaat jetzt zunutze. Er hat es nicht nötig, einzelnen »Verdächtigen« nachzuweisen, sie seien vom Virus befallen und bereits dem Tode geweiht – nein, jetzt haben umgekehrt jene 99,9 Prozent glaubhaft zu machen, alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen zu haben, um gesund und damit nichtschädlich zu bleiben. Die BergsteigerInnen, Ski- und AutofahrerInnen der Nation mußten das bislang merkwürdigerweise noch nie. Sie durften für jährlich viele tausend Tote und Verkrüppelte sorgen, das war in Ordnung. Von den Soldaten und Soldatinnen ganz zu schweigen.
~~~ Um weder eine Maske noch ein Blatt vor den Mund zu nehmen: der »kapitalfreundliche Panikstaat« wird gegenwärtig unübersehbar zum Faschismus. Selbstverständlich weiß er auch ganz genau, was er tut – die Verbrämung seiner Terrormaßnahmen, die sich ja immer empfiehlt, eingeschlossen. Unseren Eliten ist seit Jahren klar, der menschenfeindliche, unglückbringende Kapitalismus bricht über kurz oder lang zusammen. Jetzt liefern ihnen eine Handvoll fanatisch-eitler Epidemiologen einen Sack voller Vorwände, den sie den Ruinen des »Wachstums« überstülpen können, ehe vielleicht doch ein paar tausend Volksschafe in jedem Land aufwachen. Ja, mehr noch, durch die genauso strengen wie lächerlichen »Schutzmaßnahmen« setzen sie offensichtlich alles daran, das Ruinenfeld in Raketengeschwindigkeit auszuweiten. Ganze Branchen stehen bereits vor dem Bankrott; die Arbeitslosenzahlen steigen astronomisch wie früher die Börsenkurse. Warum machen die das? Warum nehmen das die superreichen DrahtzieherInnen in Kauf?
~~~ Weil es sowieso schon viel zu viele Branchen und Arbeitswillige gab. Wir stehen vor einer gewaltigen »Ausdünnung«, die allein dem Club der Superreichen zugute kommen wird. Sie zerstören die Kleinkapitalisten, die Konkurrenten, die Nischenwirtschaft und alle hinderlichen Überbleibsel bürgerlicher Kultur und Demokratie. Sie sorgen für eine deutliche »Reduktion« der Weltbevölkerung. Das klassische Instrument »Krieg« wäre, bei so vielen atomar Bestückten auf Erden, für sie selber zu gefährlich. Besser ist es, einen noch größeren Teil der Weltbevölkerung als bisher an Hunger und Elend krepieren zu lassen, und einen anderen Teil vielleicht durch die angestrebte weltweite Zwangsimpfung. Sie selber dürften ja locker in der Lage sein, sich solchen medizinischen Gewaltmaßnahmen zu entziehen. Ob durch diese Zwangsimpfung, die fast immer akut gesundheits-gefährdend ist, auch Kontroll- und Steuerungselemente in unsere armseligen Leiber eingeschleust würden – wie einige BeobachterInnen glauben – wage ich nicht zu beurteilen. Aber verblüffen würde mich, nach Hitler, Stalin und Orwells 1984, gar nichts mehr.
~~~ Freeman hat einen neuen Bürgerkrieg für Nordamerika schon vor dem Hochgehen der Pandemie-Panik-Wellen vorhergesagt, wenn ich mich recht erinnere. Dieses Gemetzel wird in Kürze kommen. Es wird alle anderen Kontinente mit in den Strudel reißen, denn wo wären die Bankleute, Geheimagenten und Marinesoldaten der Yankees nicht »stationiert«. Als mageren Trost hat man bestenfalls die Gewißheit, die sogenannten Mainstream-Medien, die Organe der Gleichschaltung, werden ebenfalls mit untergehen. Wer heute noch Kinder in die Welt setzt, kann eigentlich nur blind sein.
∞ Verfaßt Ende April 2020
* Thierry Meyssan (»Covid-19 and The Red Dawn Emails«, https://www.voltairenet.org/article209776.html, 28. April 2020) glaubt belegen zu können, die Idee mit der Isolierung ganzer Bevölkerungen sei in der Bush-Zeit für die städteähnlichen US-Militärstützpunkte entwickelt worden, wegen der Gefahr bioterroristischer Angriffe. In der epidemiologischen Literatur habe er nichts Vergleichbares gefunden. Jetzt hätten die US-Falken diese Pläne wieder aufgegriffen, auf die bösen Chinesen gemünzt, und mit der Verwischung, zwischen Militärs und Zivilisten keinen Unterschied mehr zu machen. Dies habe schon Bushs Kriegsminister Donald Rumsfeld vorgeschwebt. Allerdings habe es in den USA bereits damals die Kritik gegeben, ein Hausarrest der gesamten Bevölkerung sei in medizinischer Hinsicht sinnlos und verletze im übrigen die Grundfreiheiten. Gleichwohl seien jetzt Leute wie Macron und Merkel blöd genug, die Sache nachzuäffen. Sehr interessant!
Der Brite Paul Hunter (1978–2006) war Berufs-Snookerspieler. Snooker ist das Billardspiel mit den langen Tischen und den hohen Gagen, falls es nicht alle wissen. Ich habe es vor Jahren einigermaßen gründlich, wie ich mir einbilde, in meiner Betrachtung »Shot to nothing« bedacht. Was den hübschen, blonden Jungen aus Leeds angeht, war er bereits mit 17 Profi geworden. Im Internet sah ich einmal offenen Mundes ein Video des Londoner Masters-Finales von 2002, das der »Beckham of the Baize« denkbar knapp mit 10:9 für sich entschied. Siegpreis: 190.000 Pfund. Im ganzen gewann Hunter das Masters dreimal. Seine Popularität verdankte er unter anderem seinen publikumswirksamen Aufholjagden in Begegnungen, der Eleganz seines Spiels sowie seinem smarten Aussehen, dabei insbesondere seinen ausgefallenen Frisuren – daher auch die Anspielung auf den Fußballer David Beckham. Die Fans (oder seine Manager) empfanden ihn als den Beckham des grünen Snookertuchs. Seit 2004 war er mit der ebenfalls blonden Lindsey Fell verheiratet. Sie hatten ein Kind. Der Darmkrebs, dem Hunter mit knapp 28 zum Opfer fiel, wurde 2005 diagnostiziert. Seit 2007 heißt ein stets in Fürth ausgetragenes erstklassiges Snookerturnier das Paul Hunter Classic. Im selben Jahr veröffentlichte Fell ihr Erinnerungsbuch Unbreakable. Auch dieser Name ist nicht übel, spielt er doch auf die im Snooker sehr wichtigen Serien an, die breaks heißen, und selbstverständlich auf Hunters »Unschlagbarkeit«. Ein deutscher Verlag machte daraus Mein wunderbares Leben mit Paul.
~~~ Die Sache mit den Snookerturnieren ist allerdings neuerdings ins Schleudern gekommen – wie fast alles auf diesem von Leuten beherrschten Planeten, die teils VerbrecherInnen, teils Verrückte, oft beides zusammen sind. Den Spitzensport gestatten sie zwar noch, wenn die Ränge leer bleiben und die Gesundheitsmaske stets zückbereit in der Arschkippe steckt. Man will nicht, daß alle unteren Bevölkerungsteile verelenden. Aber die Wettkampf-Atmosphäre muß man sich eben, am Bildschirm vor dem Video sitzend, selber dazu denken. Damit wir damit nicht überfordert sind, scheinen sie jetzt bei den publikumslosen Turnieren (»Geisterspielen«) neben den Aufzeichnungs- auch Beifallsmaschinen einzusetzen. Bei jedem Stoß, der einem fachkundigen Hilfssheriff (»Applaus-DJ«) als ungewöhnlich gut gelungen vorkommt, drückt oder klickt er auf den Knopf – und der Beifall prasselt. Man darf gespannt sein, mit welcher Neuerung sie diese zugleich saudumme und ekelhafte Notstandsmaßnahme noch überbieten werden. Merkel hat sie bereits im Berliner Plenarsaal eingeführt und folglich alle Abgeordneten, die ohnehin keine nennenswerte Funktion mehr hatten, nach Hause geschickt. Die Bezüge laufen weiter – bargeldlos. Ihren Lobbyismus können sie ja auch per Handy und Internet betreiben – Homeoffice.
~~~ Da ich aus meiner Abneigung gegen Berufskünstler-tum, gelenkte Massenveranstaltungen und Vermarktung von allem und jedem bereits wiederholt keinen Hehl gemacht habe, dürfte ich eigentlich nichts mehr sagen, auch zur Musik nicht. Aber unsere »Altmeister« aus Apo- und Hippy-Zeiten Eric Clapton und Van Morrison werden gerade von den einen niedergemacht, von den anderen in den Himmel gehoben, weil sie mutig genug waren, ein paar Anti-Lockdown-Songs zu veröffentlichen. Und wo wäre da der Mut? Diese Ikonen im Greisenalter haben Geld und Einfluß wie Sand am Meer. Was sollte denen noch geschehen? Nebenbei kann ich mich nicht erinnern, sie hätten sich in den fünf Jahrzehnten seit Woodstock vorwiegend revolutionär oder auch nur staatsfeindlich gebärdet. Wenn J. J. Cale mal ein möglichst allgemein gehaltenes Lied gegen den Krieg vortrug, war es schon viel. Nein – diese Profis sind und bleiben Spitzenprodukte der von Adorno so genannten Kulturindustrie, bis sie ihren Löffel abgeben. Und dann liegen sie neben den kaum zu zählenden Millionen armen Schluckern unter der Erde, die im Laufe jener Jahrzehnte geschunden worden und verhungert sind.
∞ Verfaßt Juli 2022
Schauermärchen und Durchhalteparolen --- Je größer die Fernsehschirme und je schneller die Rechner werden, desto kürzer unser Gedächtnis. Das Schreckgespenst des Jahres 2009 war die Schweinegrippe. Die WHO hatte diese Grippewelle zur »Pandemie« erklärt. Sie war ungefähr fußknöchelhoch. Gut 10 Jahre später stellten kritische Fachleute wie der Statistiker Gerd Bosbach (NDS 26. März 2020) unmißverständlich fest, die Schweinegrippe sei damals »völlig überschätzt« worden. Tatsächlich sei sie »milder als viele saisonalen Grippen der Vorjahre« verlaufen. Eine Aufarbeitung der Aufbauschung durch Medien und Politik sei leider nie erfolgt. Lieber ließ man Millionen, von Steuergeld bezahlte Impfdosen unauffällig in den Sondermüll wandern. Der später vielverleumdete Arzt und SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg legte die Einzelheiten dieses über Jahre vorbereiteten Großbetrugs 2015 unter dem Obertitel Falscher Alarm ausführlich dar. Unter anderem hatte die WHO zu dem Trick gegriffen, ihre Kriterien für eine Pandemie abzuschwächen, um eine solche überhaupt ausrufen zu können.
~~~ Nach einem noch zu wenig bekannten Gesetz helfen gegen einmal schlagfertig und massiv ausgestreute Lügen keine Dementis mehr. Dieses Gesetz befolgen unsere PolitikerInnen am liebsten. Deshalb ist auch die jüngste angebliche Pandemie schon längst zu einer historischen Tatsache geronnen, die so unumstößlich und selbstverständlich ist wie beispielsweise der angebliche Urknall. Dabei wies Wodarg bereits am 2. Mai 2020 (in Rubikon) nach, auch diese Grippewelle des zurückliegenden Winters sei keineswegs aus dem leider üblichen Rahmen gefallen. Er wagte im Gegenteil zu behaupten: »Ohne den von deutschen Wissenschaftlern entworfenen PCR-Test auf SARS-CoV-2-Viren hätten wir von einer Corona-'Epidemie' oder gar 'Pandemie' nichts bemerkt.« Ein Zwischentitel des Artikels nennt den Test »unspezifisch, medizinisch unnütz, aber ängstigend«. Diese Aussagen hätte man vielleicht an die Eingangstüren sämtlicher deutschen Läden und Behörden heften sollen, an denen uns, stattdessen, das Maskentragen und Impfnachweiszücken zugemutet worden ist.
~~~ Leider sprechen selbst kritische Publikationen oft von der Pandemie – ohne Gänsefüßchen oder auch den Zusatz sogenannte. Zu allem Unglück kommt meist auch noch ihr Versäumnis hinzu, nicht einen Schritt über die Bannmeile des Aktuellen, die Ideologie des Kleineren Übels, das Feuerwehrspielen hinauszugehen. Sie sind und bleiben Reformisten und Flickschuster. Sie fragen sich tapfer, wie nun »das Schlimmste« zu verhüten sei, ohne das System des Schwerverbrechens auch nur mit einem Komma in Frage zu stellen. So ist die Ausschüttung der nächsten Übel gleichsam garantiert. Mit der Bitte, die schreckliche »Ukraine-Krise« auszubaden, klopft es bereits an des Deutschen Haustür. Sollte die Krise kurzfristig »beigelegt« werden, holt man vielleicht das vor Jahrzehnten in Umlauf gebrachte Gespenst des »Klimawandels« wieder aus der Flasche. Und so weiter und so fort. Um es einmal deutlich zu sagen: Das System des Schwerverbrechens beruht unter anderem auf dem Privat- oder Staatseigentum an Produktionsmitteln, Grundstücken, Mietshäusern, ganzen Wäldern und Landstrichen und den entsprechenden Erbschaften; auf den Seilschaften der professionellen Politik; auf der Existenz einer gutgeschmierten, riesigen, parasitären Bürokratie, Geheimdienste und Massenmedien eingeschlossen. Helle Köpfe wie F. G. Jünger und Lewis Mumford sprachen bereits vor Jahrzehnten vom technischen Kollektiv oder der Megamaschine. Wer nicht darlegen kann, wie dieses Ungeheuer zu stoppen und zu demontieren wäre, sollte ehrlicherweise unverzüglich darauf verzichten, sich großspurig Revolutionär zu nennen.
~~~ Aber haben uns denn nicht Leuchttürme wie Karl Marx und Robert Kurz versichert, es bräche, früher oder später, »von selber« zusammen? Ja, das höre ich seit meinen antiautoritären Schülerzeiten. Offenbar ist der Kapitalismus so verschlagen wie zäh. Er wird sich auch weiterhin auf die gleichermaßen groteske wie geniale Weise gegen sein Ende sträuben, die Michael Schneider kürzlich in einem Gespräch mit Milena Rampoldi sehr gut, wie ich finde, umrissen hat.* Der Kapitalismus wird die Massen mit Schauermärchen in Angst vor Schimären halten und dadurch »solidarisch« zusammenschweißen; er wird sowohl die mittelständische Wirtschaft wie eine Menge an überflüssigen Arbeitskräften, Alten, Geimpften ausrotten; dafür wird er die nicht an Impfstoff, Verzweiflung oder Krieg Gestorbenen, also den Rest, einer fast lückenlosen Überwachung und Lenkung aussetzen, die sogar Orwell verblüfft hätte. Nur die Schafsköpfe der Welt wundern sich nicht. Vielleicht sollte man sie alle nach China schicken, das ist noch ausbaufähig. Es hat nach wie vor viele Dörfer, die sich gern zu 20- bis 30-Millionen-Städten aufblasen lassen.
~~~ Das neuerliche große Umfallen der »Linken« Anfang 2020, das den rotgrünen Taumel von 1999 (Bomber gen Belgrad) fortsetzte, wird von Michael Schneider, inzwischen fast 80, recht einleuchtend erklärt. Auf jenes grotesk-geniale »Narrativ« der internationalen Geheimdienst-, IT- und Medien-Oligarchie waren sie einfach nicht gefaßt. Dem stand und steht auch ihre, so Schneider, »Staatsgläubigkeit« entgegen. Jetzt tragen sie brav, ja sogar begeistert die neue Russenphobie mit, wegen des Einfalls im seit Jahren von Kiew bekriegten Donbaß, und sind stolz darauf, zu einer überwältigenden Mehrheit, um nicht zu sagen: Querfront von angeblich Friedens-willigen zu zählen, die ihre größten FürsprecherInnen im Weißen Haus und bei Rheinmetall hat. Sich stets instinktsicher auf die Seite der Mehrheiten zu schlagen, bietet den Riesenvorteil, in der Regel zu den Stärkeren, als0 den Siegern zu gehören.
~~~ Leider zeigt sich der Berliner Schriftsteller am Schluß seiner Ausführungen mit dem typisch linken Brechtvertrauen gesegnet, das nie auf Durchhalteparolen und Zweckoptimismus verzichten wird. Für mich ist es einfältig, ja sogar schädlich. Der geballten Macht der genannten Oligarchie hat die Opposition nichts entgegen zu setzen – und hätte sie es, nähme sie selber rasch den tyrannischen Zuschnitt an. Die Zeit der geringen Chance auf Ausscheren und alternatives Wirken ist vorbei. Die Nischen werden zugemauert. Unter Umständen dürfen die Insassen sogar vor dem Zumauern drinbleiben. Man bringt dann ein Schild an der Haustürklingel an: »Hier wohnen die Verweigerer der Kommune X«. Das Menschen-feindliche an der postmodernen Welt liegt nicht unerheblich in ihrer erdrückenden, unüberschaubaren und undurchdringlichen, freilich auch wieder anfälligen Mammuthaftigkeit. Solche Systemstrukturen lassen sich nur von völlig skrupellosen und aalglatten Schlaubergern handhaben, wenn überhaupt. Die Sehnsucht der Menschheit galt schon seit Geschichtsbeginn, ja seit der Erhebung zum »aufrechten Gang« mit völlig überfüllter Riesenbirne, der Größe – und an ihr wird sie vermutlich auch verrecken.
~~~ In den systemfeindlichen Kreisen wird das Phänomen der Mammutisierung nahezu vollständig ausgeklammert, weil man sich eben den schönen Zweckoptimismus nicht untergraben will. Deshalb zeugt man auch weiterhin mit verbissener Wonne Kinder. Für mein Empfinden sollte man unseren bedauernswerten, vielfach tyrannisierten Kleinen aber endlich das Glück gönnen, gar nicht erst auf die Welt zu kommen. Haben Sie sich einmal überlegt, was das für Zeitgenossen werden: diese 12jährigen, die lieber mit Algorithmen als mit Puppen oder Bauklötzen spielen? Und achten Sie auf der Straße einmal auf die jungen Frauen, die beim Kinderwagenschieben entschieden gebannter auf ihr Smartphone als auf ihr Kleinkind blicken! Dann wissen Sie: der Raum, das Leibliche, die Herzenswärme lösen sich längst in Luft auf. »Digitalisierung« heißt im Grunde: Freie Bahn der uhrenmäßig und tauschwerthaft aufgefaßten »Zeit«, Sieg der erbarmungslosen Abstraktion. Deshalb ist für mich die Abdankung der Menschheit angesagt. Dabei wäre mir eine freiwillige entschieden lieber als eine erzwungene. So oder so – der Planet wird aufatmen, wenn wir endlich verschwunden sind. Die Bakterien und Viren brauchen uns nicht. Sie kennen unzählige Alternativen.
∞ Verfaßt Sommer 2022
* Michael Schneider, »Die meisten Linken sind …«, https://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27865, 2. Januar 2022
Brockhaus behandelt das neuerdings heiß umstrittene Impfen an zwei Stellen: in Band 10 nur kurz (Impfpistole, Impfplan, Impfschäden); in Band 19 (von 1992) auf einer ganzen Seite als sogenannte Schutzimpfung. Die grundsätzlichen Bedenken, die ich selber schon andernorts anführte, sind ihm allerdings so gut wie unbekannt. Er hält sich an die Schulmedizin, die ihrerseits wieder der Pharmaindustrie hörig ist. Das gilt auch für mögliche Impfschäden. Brockhaus zählt sie zwar auf, verkündet jedoch, sie träten »extrem selten« auf. Das war meines Wissens nie der Fall, schon seit dem »Reichsimpfgesetz« von 1874 nicht. Im übrigen kennt das Lexikon verständlicherweise die neuartigen genmanipulierten, wahrscheinlich geradezu kriminellen Impfstoffe noch nicht, die uns im Zeichen des Coronawahns untergejubelt worden sind. Zumindest war deren Schutzwirkung nie belegt worden, wie uns plötzlich sogar mit dem Siegel des Robert-Koch-Instituts (RKI) bestätigt wird. Und darum geht es mir nun: um die erzwungene Herausgabe der RKI-Protokolle des hauseigenen Coronakrisenstabs 2020/21, somit aus der Hochzeit des Coronawahns.
~~~ Nach Uwe Froschauer* umfassen die Protokolle 2.500 Seiten. Das ist schnell überflogen und abgeheftet, zumal 1.000 »Passagen« in ihnen geschwärzt seien. »Allein das von den [beauftragten] Raue-Anwälten erstellte Dokument mit den Begründungen für die Schwärzungen ist 1.059 Seiten lang.« Man sieht, der Wahnsinn hat Methode. Die Rechtsanwälte haben bereits neue Off-Roader oder Segeljachten geordert.
~~~ Gleichwohl stellen auch andere Quellen fest, schon der ungeschwärzte Rest lasse das offizielle Corona-Lügengebäude wie manche Geimpfte zusammenbrechen. Froschauer gibt eine Zusammenfassung der schlagenden RKI-Eingeständnisse durch den »Querdenker«-Professor Stefan Hockertz wieder. Ich nenne nur wenige, von mir leicht nachpolierte Glanzpunkte: Mit »Covid-19« wurde ein stinknormales, vergleichweise sogar recht ungefährliches Grippe-Virus zum Frankenstein aufgeblasen. Das RKI hielt das Risiko eigentlich für »gering«, beugte sich aber der Weisung (seitens der Regierung?), das Gegenteil zu behaupten. Atemschutz-masken sind Sondermüll. Lockdowns richten mehr Schäden an als das, was sie verhindern sollen, also den Frankenstein. Der amtlich-mediale Feldzug für Tests und »Inzidenzgrenzwerte« hätte einer Karawane aus Taschen- und Hütchenspielern beste Ehre gemacht.
~~~ Wohlgemerkt, dies alles kommt nun als unfreiwillige Schützenhilfe für uns Leidtragende, die Impfgeschädigten und Toten eingeschlossen, unmittelbar aus der Höhle des Löwen: der weisungsgebundenen Bundesbehörde RKI. Froschauer stellt unverblümt fest, mit den ganzen Corona-Maßnahmen wurden soundsoviele Bevölkerungen dieses Planeten nicht nur umfassend geschädigt, sondern auch verarscht. Er führt sogar etliche, sich reuig gebende heimische Prominente an, darunter Abgeordnete und Fernsehbosse, die nun unerbittliche, unabhängige, öffentliche »Aufarbeitung« fordern. Am liebsten würde ich meine Impfpistole auf diese Figuren anlegen, um ihnen die scheinheiligen Lippenbekenntnisse ins Gedärm zurück zu blasen. Meine Busenfreundin Sahra Wagenknecht tut das für Reformisten und Kanzlerkandidaten Naheliegendste, das sich seit vielen Jahrzehnten bewährt hat: Sie fordert das Mißerfolgs- und Augenwischermittel Untersuchungs-ausschuß. Auf die Abschaffung des Kapitalismus‘ und die Auflösung des Mammuts »Bundesrepublik Deutschland« werden frühstens ihre zu erwartenden parteieigenen Jungsozialisten dringen, selbstverständlich vergeblich. Somit wird alles beim alten bleiben. Man wird ein paar untergeordnete Sündenböcke opfern und einige Lackschäden ausbessern. Schlimmstenfalls gibt es »Neuwahlen«. Die wird vor allem Wagenknecht fordern.
~~~ Jetzt liegt mir noch ein anderer Gesichtspunkt am Herzen, den Froschauer gerade so übergeht wie alle anderen kritischen Quellen es tun, soweit ich sie kenne. Und zwar frage ich mich nicht zum ersten Mal, ob solchen erzwungenen Veröffentlichungen überhaupt zu trauen ist. Man kennt das ja auch von Pentagon, CIA oder irgendeiner Bananenrepublik-Regierung. Da hauen sie uns plötzlich 1.000 Seiten um die Ohren, von denen die Hälfte »geschwärzt« – und die andere möglicherweise gefälscht ist. Denn wie sollen wir das überprüfen? Ich habe mir einmal über einen Link, den NDS gibt, ein kleines Pdf geöffnet** – na schön. Diese Briefköpfe und Satzspiegel beweisen doch überhaupt nichts. Oder denken Sie, es wäre einfach zu aufwendig, solche umfangreichen Protokolle glaubwürdig zu frisieren? Oder zu gewagt, weil Insider »singen« könnten? Gegen das Argument mit dem Aufwand sprechen vielleicht schon die zahlreichen Schwärzungen. Danach sitzen doch jene Rechtsanwälte beziehungsweise Hiwis vom Verfassungsschutz mit einer führenden RKI-Nase ohnehin wochenlang am Bildschirm, um sich ihre Honorare und Gehälter auch wirklich zu verdienen.
~~~ Nebenbei sind bereits die Schwärzungen Grund genug für Mißtrauen – und Beweis der Verachtung unserer angeblichen Demokratie. In der Regel werden sie ja mit »Schutz von Mitarbeitern / Privatsphären / Staatsgeheimnissen« gerechtfertigt. Lächerlich. Damit kann ich alles rechtfertigen, jede Vertuschung, jede Schweinerei. Und parallel dazu kann ich meinerseits, als Staatsminister oder Verfassungsschützer, sämtliche Geheimnisse des Bürgers durch den Dreck ziehen, wenn es mir aus Gründen der berühmten Staatsräson geraten scheint. In der Regel verbirgt sich hinter der Staatsräson sowieso das private Interesse eines Politikers, der zum Beispiel sein Gesicht und sein Geld zu schützen wünscht.
~~~ Sollte es im übrigen Paul Schreyer von Multipolar gelingen, auch die Rücknahme der Schwärzungen zu erzwingen – woher weiß ich, ob die dann blanken Protokolle nicht immer noch entstellt sind? Da benötige ich doch ein Hochschulstudium der Syntax und sieben Monate Zeit zum Nachmessen der Balkenlängen und für sonstige Recherchen. Wer bezahlt mir das?
~~~ Man könnte sicherlich grundsätzlich einwenden, die Protokolle enthielten immerhin etliche peinliche Enthüllungen! Ja, das stimmt, wie wir gesehen haben. Aber ungefälscht wären es vielleicht doppelt soviel Enthüllungen, und noch viel schlimmere. Die naheliegende Annahme, daß zumindest gewisse heikle Aussagen/Wörter entschärft worden sind, halte ich für wenig abenteuerlich. Darauf würde ich sogar wetten. Die Ungewißheit, ob diese Dokumente sauber sind, bleibt aber in jedem Fall. Schließlich kann sie der Bürger wohl kaum mit den Originalen aus dem Server-Panzerschrank des RKI vergleichen – falls das überhaupt jemals »Originale« waren. Kurz und schlecht, für den Bürger dürfte die angebliche Echtheit der Dokumente unüberprüfbar sein. Das gilt erst recht für Dokumente, die erst nach Jahrzehnten »freigegeben« werden. Die Elite ist so nett, uns ein paar Placebos vorzuwerfen.
~~~ Ich räume ein, vielleicht sind meine von krankhaftem Argwohn befeuerten Ausführungen fehlerhaft, sodaß ich mich irre. Für entsprechende Hinweise wäre ich dankbar.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 19, Mai 2024
* Uwe Froschauer: https://www.manova.news/artikel/die-anschwarzer, 2. April 2024
** Nr. 004 bei https://my.hidrive.com/share/2-hpbu3.3u#$/
Im viel zu kurzen Eintrag zur Selbstkritik kennt Brockhaus lediglich einen Anwendungsfall. Nach einer knappen Bestimmung schwenkt er in »diktatorisch regierte« Staaten, wo die Selbstkritik meist zu einem abscheulichen Ritual der Propaganda, Indoktrination und Gehirnwäsche verkomme. Das ist nicht gerade falsch. Wolfgang Leonhard zum Beispiel, in der Sowjetunion zum kommunistischen Funktionär erzogen, hat das Ritual in seinem Buch von 1955 Die Revolution entläßt ihre Kinder farbig geschildert. Warum jedoch fehlen im Brockhaus die demokratischen, westlichen Staaten? Weil dort auch die Selbstkritk fehlt. In ihnen gibt es überhaupt keine. Wenn Sie mir aus den letzten sieben Jahrzehnten auch nur sieben westdeutsche BerufspolitikerInnen nennen können, die sich öffentlich zu dem einen oder anderen Fehler oder auch nur Irrtum bekannt hätten, schlage ich Sie glatt für den höchstdotierten Wächter-Preis vor. Als BerufspolitikerIn muß man immer recht gehabt haben, sonst ist man für immer weg vom Fenster. Scholzens Gesundheitsminister Karl Lauterbach beispielsweise würde sich eher mit Seidelbastsaft impfen lassen als »einzuräumen«, er habe zu den führenden, wahrheitswidrigen Corona-Einpeitschern gehört. Gegen diese Leute geht ja sogar der kürzlich gestreifte Berufsboxer Max Schmeling als selbstkritischer Kopf durch. Sich von den Nazis dafür einspannen zu lassen, die Yankees um Olympiateilnahme anzuflehen, hat er später, laut Wikipedia, als »grenzenlose Naivität« bezeichnet. Ich hätte an seiner Stelle nur Einfalt statt Naivität gesagt.
~~~ Apropos Lauterbach. Unter »Impfpistole« wagte ich mich kürzlichangesicht der erzwungenen Veröffentlichung der geschwärzten RKI-Corona-Protokolle zu fragen, woher so viele kritische Köpfe eigentlich die Gewißheit nähmen, solche heiklen Dokumente seien unangetastet und somit verläßlich. Ich zweifelte daran, und soeben scheint mir ein Beitrag in Multipolar rechtzugeben.* Durch einen glücklichen Zufall, nämlich mit Hilfe eines vermutlich übersehenen, ungelöschten Unterordners sind die Autoren in den neulich »geleakten«, inzwischen sogar ungeschwärzten Protokollen auf beträchtliche Widersprüche zwischen unterschiedlichen Versionen derselben Dokumente gestoßen. Offenbar fanden im Angesicht der drohenden Herausklage der Protokolle nachträglich Bearbeitungen zahlreicher Stellen statt, wobei die Autoren sogar die Daten und die Ausführenden der Bearbeitungen nennen können. Anders ausgedrückt, scheinen beträchtliche Fälschungen zugunsten jener EinpeitscherInnen der verheerenden Corona-Maßnahmen beziehungsweis zwecks Entlastung der MitläuferInnen aus dem Stall RKI vorzuliegen.
~~~ Man darf jetzt gespannt sein, ob unsere Leidpresse auch diese peinliche Enthüllung unterdrücken oder verharmlosen kann. Ich nehme schon an, einige Berliner Köpfe werden rollen. Gleichwohl bleibe ich bei meiner Vorhersage, am Kapitalismus und am Berufspolitikertum wird sich nichts ändern – und wenn man Homburg und Schreyer 10 Untersuchungsausschüsse schenkt.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 34, September 2024
* Stefan Homburg und Paul Schreyer, https://multipolar-magazin.de/artikel/rki-protokolle-und-leak-offene-fragen, 9. August 2024
Der bekannte süddeutsche Bildende Künstler Veit Stoß (um 1447–1533), vor allem für seine lebensnahen geschnitzten Altarfiguren berühmt, hatte anscheinend ein hitziges Temperament, während es in der List noch bei ihm haperte. Laut Brockhaus kam er 1503 »wegen einer Schuldscheinfälschung in Haft und wurde öffentlich gebrandmarkt«. Das war in Nürnberg. Später habe er sowohl Begnadigung durch den Kaiser wie Beruhigung im wallenden Blut erfahren und der Welt noch so manches erschütternde Kunstwerk geschenkt. Sein Sterbealter, wohl deutlich über 80, war schon fast biblisch.
~~~ Stolpert man zu diesem Thema über einen jüngeren Artikel der Münchener Abendzeitung, hat Brockhaus von der ganzen Angelegenheit und dem ganzen Künstler allerdings eine höchst verharmlosende Miniatur gemalt. Das Boulevardblatt stellt ihn unmißverständlich als Verbrecher vor. Hat er Leute erdolcht und Häuser angezündet? Nein, er sei wiederholt »in dubiose Finanzgeschäfte« verstrickt gewesen. »Dubios« soll fragwürdig, zwielichtig, anrüchig und dergleichen heißen. Wegen jener Urkundenfälschung hätte er normalerweise die Todesstrafe bekommen, habe sich doch die »Wirtschaftsmetropole« Nürnberg (= Fugger und Welser) keine gefälschten Schuldscheine leisten können, nur Totschläge im Suff. Aber damals war Stoß bereits berühmt, sodaß ihm die Obrigkeit Gnade erwies. Inzwischen billigte sie ihm auch die Nürnberger Veit-Stoß-Realschule zu. Allerdings wurde Stoß damals mit glühenden Eisen (Nadeln?) durch die Wangen gestochen. Später setzte er sich noch einmal mit »Stadtflucht« in die Nesseln, wurde aber erneut durch Gnadenerweis gerettet. Da dränge sich freilich die Frage nach der Gerechtigkeit auf, meint die Autorin (2021) am Schluß.* »Weshalb verzeiht man einem überragenden Künstler, was andere hinter Gitter bringt? Der Fall ist höchst aktuell.«
~~~ Leider nennt sie keine Namen, sonst hätte ihr Blatt sie in Erwerbslosigkeit gestürzt. Ich bin aber sicher, sie hatte die Münchener PR-Unternehmerin Andrea Tandler, eine Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und ehemaligen bayerischen Finanzministers Gerold Tandler, wegen ihres deftigen Corona-»Maskendeals« von 2020 im Auge. Tandler hatte, laut BR, »im Frühjahr 2020 Schutzmasken an Ministerien in ganz Deutschland [vermittelt] und kassierte Provisionen von mehr als 48 Millionen Euro. Trotz der weitverbreiteten moralischen Entrüstung über die Geschäfte in der Not war das rechtlich nicht zu beanstanden. Doch Tandler versteuerte das so verdiente Geld nicht ordnungsgemäß.« Nur deshalb brummte man ihr Ende 2023 eine Haftstrafe auf – wegen schlechter Zahlungsmoral. Eingedenk der Anrechnung von U-Haft und der eingelegten Revision** dürfte sie allerdings noch zur Stunde in ihrer Agentur am Computer sitzen und Schokominzstäbchen lutschen.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 36, September 2024
* Christa Sigg, https://www.abendzeitung-muenchen.de/kultur/kunst/veit-stoss-ein-kuenstler-ohne-jede-moral-art-713508, 16. März 2021
** https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-andrea-tandler-steuerhinterziehung-revision-sauter-gauweiler-1.6357274, 13. Februar 2024
Siehe auch → Automobilisierung, Leichsenring (Masken) + Statistiken → Behälter, Pixii (Gefahr) → Impfen → Marx (Urteil Weimar) → Opfer, Pellegrini (alle schuldlos) → Solidarität, Solidarität (Seuchen) → Gesundheit, Toschke (Ächtung) → Weinheim (Ächtung) → Band 4 Mollowina, Stille Hochzeit (Entführung Gesundheitsminister) → Band 5 Besuch bei Ettö (Kommune)
Coster, Charles De → Gogh, Theo van
Die polnisch-britische Kulturanthropologin Maria Antonina Czaplicka (1884–1921) fehlt im Brockhaus. Für mein Empfinden ist ihr Schicksal ergreifend. Sie wohnte zuletzt, 1921, in Bristol oder Oxford, vielleicht auch zwischen diesen beiden südenglischen Städten. So oder so, muß sie ziemlich verzweifelt gewesen sein. Gut 10 Jahre früher hatte sie Polen in Begleitung ihres Studienkollegen Bronisław Malinowski verlassen, der wie sie aus inzwischen verarmtem polnischem Adel stammte, um ihre Ausbildung in London und Oxford abzuschließen. Da sie russisch sprach, bewilligte man ihr nach dem Diplom ein Stipendium für Forschungsarbeit über Sibirien. Ihr besonderes Interesse galt dem Schamanismus der Eingeborenen. Zwar hatte sie noch nie einen Fuß auf sibirische Gefilde gesetzt, doch ihr 1914 erschienenes Buch Aboriginal Siberia fand die Anerkennung ihrer Zunft. Man bewilligte ihr daraufhin auch Forschungsgelder für Feldarbeit vor Ort. Übrigens soll ihr das in verständlichem Englisch geschriebene Werk selbst außerhalb der akademischen Zirkel viel Beifall eingebracht haben.
~~~ Nun zog sie während der ersten Kriegsjahre 1914/15 gemeinsam mit ihrem US-Kollegen Henry Usher Hall (1876–1944) vom Museum der Pennsylvania University in Philadelphia monatelang durch Sibirien. Sie orientierten sich dabei am Fluß Jenissei, der immerhin 4.000 Kilometer lang ist. Streckenweise wurden sie auch von einer Ornithologin (Maud Doria Haviland) und einer Malerin (Dora Curtis) begleitet. Czaplicka brachte Stapel von Aufzeichnungen und Fotografien mit nach Oxford, wo sie nun sogar als Dozentin auftreten durfte – die erste an dieser Universität. Auch ihr nächstes Buch, My Siberian year von 1916, wurde viel gelesen. Obwohl sie inzwischen promoviert hatte und damit erst die zweite europäische Anthropologin mit Doktorgrad war, verlor sie ihren Posten in Oxford 1918 zugunsten eines Professors, sprich: männlichen Kollegen, der aus dem Krieg zurückkehrte.* Sie konnte lediglich eine zeitlich begrenzte Lehrtätigkeit am anatomischen Institut der Universität Bristol übernehmen. 1919 veröffentlichte sie ihr drittes Buch The Turks of Central Asia. Zwar erkannte ihr die Royal Geographical Society im folgenden Jahr einen Murchison Award für ihre Arbeiten zu, doch dieser Preis war vermutlich nicht oder kaum dotiert, geriet sie doch zunehmend in Geldnot und Schulden. Auch ihr Versuch, ein neues Reisestipendium zu ergattern, blieb erfolglos. Im Mai 1921 wurde die erwerbslose 36jährige Erforscherin des Schamanismus tot in ihrer Wohnung aufgefunden, sie hatte sich vergiftet.
~~~ Erklärungen fanden sich offenbar nicht. Ihre Tagebücher hatte Czaplicka im Rahmen ihres »Nervenzusammenbruchs«, so die Bezeichnung der polnischen Wikipedia, vermutlich vernichtet. Ihre wissenschaftlichen Aufzeichnungen vermachte sie testamentarisch Hall aus Philadelphia. Es gab Mutmaßungen über möglicherweise unglückliche persönliche Beziehungen zwischen den beiden, zumal sich Hall etwa zur Zeit von Czaplickas Selbstmord verheiratete. Aber vielleicht hatte sie sich ja gar nichts aus Männern gemacht. In polnischen Museen soll es einige private Briefe von Czaplicka an Manilowski und den Schriftsteller Władysław Orkan geben, aus denen möglicherweise Näheres hervorgeht. Mehr als ihre Einsamkeit.
∞ Zuerst in Risse im Brockhaus (Blog H.R.), Folge 8, Februar 2024
* Jaanika Vider am 25. Juni 2016 in der Serie Women in Oxford's History: https://womenofoxford.wordpress.com/2016/06/25/maria-czaplicka/. Ich weise außerdem auf einen an Czaplickas Grabstätte aufgehängten Beitrag von Wojciech Kwilecki hin, der mich in fremdsprachlicher Hinsicht überfordert: https://polonika.pl/polonik-tygodnia/grob-czaplickiej-w-oxfordzie, Warschau, Stand 2024.
David & Goliath (um 1000 v. Chr.). Angeblich fällte der Hirtenknabe David den riesenhaften Krieger Goliath nur mit einer Zwille. Deshalb benennen sich gerne Organisationen und Projekte, die sich erklärtermaßen ihrer schwachen Mitmenschen annehmen, um sie über das Böse obsiegen zu lassen, nach diesem eingängigen Muster. 2002 griff auch der Titelgestalter des Spiegel zu. Demnach stand der schmächtige Kanzler Gerhard Schröder dem furchterregenden Goliath George W. Bush gegenüber – wahrlich ein Witz. Goliath George wollte Hirtenknabe Gerdchen gewaltsam in böse Kriege ziehen! Dabei hatte sich Schröder längst dafür ausgesprochen, das Tabu, das seit 1945 auf allem Militärischen lag, endlich aufzuheben. Die Serben merkten seine Reformfreude 1999. Daß er mit Schröder den Bock zum Gärtner gemacht hatte, verriet der Spiegel-Titelzeichner nur des abends seiner gähnenden Gemahlin.
~~~ Die weltweit beliebte Metapher von David & Goliath bedient auf einen Schlag mehrere Vorlieben des durchschnittlichen Kleinen Mannes. Zunächst bestärkt sie ihn in seiner Feindseligkeit. Kampf muß sein. Krieg war schon immer. Zum Beispiel zog ein gewisser David zunächst als Bandenführer, dann als offiziell gesalbter israelitischer König seine Blutspuren durch die Wüsten des Gelobten Landes, das ihm stets zu eng war. Imperialist und Sadist David unterwarf ein Volk nach dem anderen und sparte nicht mit Praktiken, die makabererweise an gewisse Konzentrationslager erinnern. So legte er etwa, laut Lutherbibel, die BewohnerInnen der ammonitischen Stadt Rabba »unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen.« Offenbar fiel die spanische Inquisition nicht vom Himmel. Nach der Unterwerfung der Moabiter »brachte er zwei Teile« von ihnen »zum Tod«, während er den dritten Teil ungeschoren ließ (2. Samuel 8, 2) – eine barmherzige Quote, gilt doch in Bushs Feldzügen hier und dort schon die Losung, gar keine Gefangenen zu machen.
~~~ Weiter bedient die Metapher den Durst nach Heldentum, den der DDR-Arbeiter so gut wie der schwäbische Hippie hat – Easy Rider. In der Tat bindet auch Marxistin → Welskopf-Henrich ihrem mit Epilepsie geschlagenen Indianerknaben Byron Bighorn das biblische Märchen vom über sich hinauswachsenden David als Ansporn auf (Licht über weißen Felsen). Hinzu gesellt sich der Hang zur Revolutionsromantik, die im Hirtenknaben David geradezu rührselige Gestalt annimmt. Das unschuldige Leben steht gegen die Rohheit auf.
~~~ Aber vor allem offenbart die Metapher unseren Hunger nach Wundern. Das Lamm soll den Wolf zu Brei hauen. Vom Himmel soll es Manna regnen. Che soll fünf bis 10 Vietnams schaffen. Der unbekannte Autor soll heute Papieraufpicker in unseren Grünanlagen, morgen mit einer Zusammenstellung seiner Ausbeute die Nummer Eins der Bestsellerlisten sein.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
DDR
Der Dorf- und Betriebsarzt Günther Deilmann (1904–2002) war zuletzt in Merkers, Thüringen, tätig. Ehrlich gesagt, habe ich schon reizvollere Ortschaften als Merkers gesehen. Die lachende Sonne, die beiden Kolkraben, die in meinem Rücken mit hartnäckigem Gebell über dem Wald kreisen, und das leuchtend gelbe Rapsfeld am Fuße des nicht minder bewaldeten Kraynbergs, der sich jenseits der Werra erhebt, hätte ich an diesem Wochentag Ende April [2014] auch anderswo gefunden. Parallel zur Werra »strömt« der Verkehr auf der Bundesstraße 62 durchs Dorf – furchtbar. Um wenigstens die Toten etwas vom Lärm und Gestank der B 62 abzuschirmen, der sie hin und wieder auch zum Opfer gefallen sein dürften, hat man den Friedhof von Merkers oberhalb des Dorfes am Berg angelegt. Dadurch wird nicht mehr ganz so jungen Besuchern, die ihr Fahrrad da hinaufschieben, zudem Gelegenheit geboten, auch schon halbtot auf die nächste Friedhofsbank zu sinken. Von hier aus habe ich die drei wichtigsten Türme des Dorfes im Blick, zwei riesige stählerne Fördertürme des ehemaligen Kalibergwerkes und den eher gedrungenen Turm der evangelischen Kirche.
~~~ Dieses Bauwerk, die Kirche, ist im ganzen eine seltene Häßlichkeit, die ich nicht völlig unbesprochen lassen kann. Ich nehme an, jeder unvorbereitete Ortsfremde muß den Klotz aus angeschwärztem okerfarbenem Sandstein, der mit einigen kaum erkennbaren schmalen, spitzbögigen Fenstern versehen wurde, für das Gefängnis der »Krayenberggemeinde« halten, zu der Merkers neuerdings zählt. Wird behauptet, man habe die Kirche 1929 nur mit beträchtlicher Hilfe des Kalibergwerkes errichten können, glaube ich es aufs Wort: sechs Tage im Berg, sonntags im Klotz. Nicht ganz so schlimm, dafür viel größer, ist die Werra-Rhön-Halle, ein Erbe der DDR. Das wuchtige »Kulturhaus« liegt unten im Dorf im Winkel zwischen Bundesstraße und Zechenzufahrt. Neben zahlreichen Gewerkschaftsversammlungen oder Tanzveranstaltungen soll sein Parkett auch schon die Maßschuhe des Festredners Erich Honecker gesehen haben. Heute scheint das Kulturhaus vor allem Fans der Rockmusik oder des Disco-Fox zu dienen, auf den ich noch zurückkommen werde.
~~~ Der »Aufschwung« für Merkers kam 1925, als das Kalisalzbergwerk eröffnet wurde, das sich rasch zur größten und modernsten Anlage weltweit mauserte. Sie weist bei drei Schächten ein Streckennetz von rund 4.500 Kilometern auf. In der größten Tiefe von rund 850 Metern herrschen etwa 28 Grad plus. Die Anlage gehört heute zum in Kassel ansässigen Multi K+S, der es inzwischen als »Erlebnisbergwerk« betreibt, denn die Förderung wurde bereits 1993 eingestellt, also kurz nach der »Wende«. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Im übrigen dürften die Fluten an Salzlaugen, die von den deutschen K+S-Gruben ins Grundwasser oder in die Werra/Weser geleitet werden, der Natur ungefähr so zuträglich sein wie die Berge an Kunstdünger, die sie den Landwirten aufschwätzen. Offizieller Konzerngewinn 2012: rund 640 Millionen Euro.
~~~ Tatsächlich gehört die Plattmachung der ostdeutschen Kali-Reviere nach der »Wende« zu den einträglichsten Fischzügen westlichen Kapitals, in diesem Fall also des genannten Kasseler Konzerns, der bis vor kurzem wiederum mit der berüchtigten Leverkusener Kriminellen Vereinigung BASF verbandelt war. Transformator war selbstverständlich die nicht minder berüchtigte Treuhandanstalt. Kaum hatte sie 1991/92 den Weg zu einer »Fusionierung« der damals kränkelnden K+S mit der eben noch »volkseigenen« Mitteldeutschen Kali AG geebnet, legte das neue saubere Unternehmen, das nach wie vor in Kassel residierte, acht von neun Revieren still. Nur das Werk in Unterbreizbach (westlich von Dorndorf und Vacha an der Ulster gelegen) wurde verschont. Damit war K+S Alleinherrscher auf dem deutschen Kalimarkt. Selbst der Spiegel (5/1993) sprach von einer »gelungenen Ausschaltung eines lästigen Konkurrenten im Osten«. Was Wunder, wenn Sieger K+S inzwischen auch weltweit zu den führenden Anbietern kali- und magnesiumhaltiger Produkte für landwirtschaftliche und industrielle Nutzung zählt. Die damals abgeschlossenen Verträge, die bis heute geheim gehalten werden, erlaubten nicht nur die offiziell stets gegeißelte »Vernichtung von Arbeitsplätzen« in großem Maßstab (25.000 Stück); sie schoben K+S außerdem einen »Verlustausgleich« von 1,3 Milliarden Euro zu und befreiten es von den unumgänglichen Sanierungs- und Sicherungslasten, die dafür dem Land Thüringen aufgebürdet wurden – also dem Volk, das man soeben ausgeplündert hatte. Nach einem Artikel von Susan Bonath, der am 18. März 2014 in der Jungen Welt zu lesen war, haben auch diese Lasten inzwischen längst die Milliarden-Grenze überschritten. Die Verträge sowie die vielsagende (Bonn/Berliner und Erfurter) Weigerung, sie offen zu legen, gelten anscheinend nach wie vor.
~~~ Dies ist also »ein gutes Deutschland, das beste, das wir jemals hatten«, wie sich die übelriechende DDR-Altlast Joachim Gauck Ende Januar in ihrer neuen Eigenschaft als gesamtdeutscher Bundespräsident auf der sogenannten Münchener Sicherheitskonferenz auszudrücken beliebte. Allerdings genießen wir diese Qualität auch eine Ebene höher, in dem bürokratischen Moloch namens EU. Unter dem Titel »Freihandelsabkommen und Geheimhaltung« legt Georg Rammer in Ossietzky 9/2014 eine vernichtende Kritik der Verschwörung zwischen dem internationalen Großkapital und den Brüsseler Eurokraten gegen Zigmillionen europäische Habenichtse vor, die jeden gerechtigkeitsliebenden Menschen zur Weißglut bringen muß, nicht zuletzt wegen dem Ohnmachtsgefühl, das in ihm aufsteigt. Aber das hindert Europas staatstreue »Linke« nicht daran, den Moloch »reformieren« oder »demokratisieren« zu wollen. So steht es selbst im selben Ossietzky-Heft.
~~~ Im letzten Kriegsjahr nutzten die Nazis das Salzbergwerk in Merkers als Versteck für beträchtliche Gold- und Devisenbestände der Reichsbank, Diebesbeute der SS eingeschlossen, und Kunstschätze aus verschie-denen Berliner Museen. Dieser Schatz wurde im April 1945 von US-Truppen entdeckt und beschlagnahmt. Wahrscheinlich waren sie von befreiten Zwangsarbeitern ins Bild gesetzt worden, denen die nächtlichen Einlagerungen nicht entgangen waren. Insa van den Berg bemerkt dazu (am 8. Mai 2009) auf Spiegel Online: »Kurz nach Bekanntwerden des Fundes eilte der Oberbefehls-haber der Alliierten Streitkräfte in Westeuropa, General Dwight D. Eisenhower, persönlich nach Merkers, um das Goldlager unter der Erde zu inspizieren. Anschließend befahl er, den unterirdischen Tresor schnellstmöglich zu räumen – widerrechtlich, denn nach dem Abkommen von Jalta vom Februar 1945 hätten die Amerikaner die Grube in Merkers, so wie sie war, an die Sowjets übergeben müssen, entsprechend den vereinbarten Besatzungszonen. Eisenhower aber handelte auf geheime Weisung des Generalstabschefs der US-Armee, General George C. Marshall.«
~~~ Bleibe ich meiner eingangs eingeschlagenen aufrichtigen Marschroute treu, muß ich selbst den Wohnstätten des Doktor Deilmann, um den es hier eigentlich geht, ein eher bescheidenes ästhetisches Niveau bescheinigen. Ich meine damit sein Grab und das Haus, in dem er vorher, ehe er 2002 mit 97 Jahren unter die Erde kam, sowohl praktizierte wie auch wohnte. Das vergleichsweise große, schmucklose Haus liegt auf halber Höhe des Dorfes Ecke Goethestraße/Dr.-Günther-Deilmann-Straße, und zudem unmittelbar an der eingleisigen Bahnstrecke Bad Salzungen–Vacha. Ich hätte diese Bahnstrecke heute liebend gern benutzt, statt mich mit dem Fahrrad auf der B 62 der großen Chance auszusetzen, ebenfalls auf dem Friedhof von Merkers zu landen, doch sie ist vor rund 15 Jahren stillgelegt worden. So war Bad Salzungen meine Endstation. Immerhin, wer sich Zeit läßt und ein paar Steigungen nicht scheut, kann von der Kreisstadt aus mit dem Fahrrad auch die nördlich der Werra verlaufende Landstraße benutzen, um sich dann, nach rund neun Kilometern, ebenfalls in Merkers einzufinden, tot oder lebendig. Vielleicht hülfe es ja, an der B 62 zur Abschreckung einen den Indern abgeguckten »Ratha«, einen Tempelwagen zu errichten. Er würde sicherlich gut mit der Kirche von Merkers korrespondieren. In Indien werden diese Heiligtümer, die zwei oder vier Räder eingeschlossen, aus Stein gehauen. Der so gestaltete Vitthala-Tempel in Vijayanagara, Südindien, ist beachtliche neun Meter hoch. 'Welche schweißtreibende Mühen der Mensch doch auf sich nimmt, um früher oder später im Rollstuhl zu landen oder gleich todsicher ins Himmelreich einzugehen!' könnte der Ratha von Merkers signalisieren. Er tut es selbstverständlich auch in der Gestalt des Kumpels, der Mensch. Deilmann ist daran nicht völlig schuldlos.
~~~ Deilmanns Grab weist ein liegendes Porträt-Relief und den Hinweis auf Deilmanns Ehrenbürgerschaft auf. Der damals 26jährige Mediziner, wegen seiner Herkunft bald darauf als »Halbjude« eingestuft, wie ich von seinem Schwiegersohn Jürgen A. erfahre, kam 1930 nach Merkers. Er hatte sich erfolgreich um eine Stelle als Betriebsarzt im Salzbergwerk beworben. Deilmann stammte aus Dortmund und hatte zuletzt eine Stelle als Assistenzarzt in Essen gehabt. Nun ließ er sich in dem Dorf an der Werra außerdem als Landarzt und Geburtshelfer nieder. 1936 verhalf ihm die Werksleitung zu seinem schon erwähnten großzügigen Haus. Mit seiner Frau Magda, geb. Booz, hatte Deilmann sechs Kinder, davon fünf Mädchen. Booz starb 1994 mit 93 Jahren. Als Betriebsarzt betreute Deilmann im Krieg, zu dem er wohl wegen der Fürsprache der Werksleitung, offiziell jedoch wegen »Wehrunwürdigkeit« nicht eingezogen wurde, auch die auf Zeche gefangenen ZwangsarbeiterInnen. Daß er auch sie »gut behandelte«, rechneten ihm später viele MitbürgerInnen hoch an. Zudem beteiligte sich der eher schmächtige Doktor kurz vorm Einrücken der Amerikaner an einer lebensge-fährlichen Aktion, mit der bei Merkers die Sprengung eines Munitionszuges durch die SS und damit die Verwüstung zweier Dörfer verhindert werden konnte. Die Sympathien, die Deilmann im Kreis genoß, schützten umgekehrt auch ihn vor den Verfolgungen durch die Nazis. Am Morgen des 4. April 1945 war es dann Deilmann, der vor Merkers Soldaten der 90. Infantrie Division der US Army mit weißer Fahne empfing und ihnen das Dorf übergab, um weitere Zerstörungen oder gar Todesopfer zu vermeiden. Seine Doppelrolle als Landarzt wie als Betriebsarzt im nunmehr verstaatlichten Salzbergwerk übte er, bis 1971, auch in der SBZ/DDR aus. 1995 verlieh ihm die damals zuständige Gemeinde Merkers-Kieselbach aufgrund seiner Beliebtheit und Verdienste die Ehrenbürgerwürde. Später kam die Umbenennung der Straße hinzu, an der Deilmanns Haus liegt.
~~~ Seinem Schwiegersohn zufolge war Deilmann zwar niemals ein Gegner des DDR-Sozialismus, aber auch nie eine Speerspitze desselben gewesen. Eine SED-Mitgliedschaft währte nur kurz. Wenn es ihm geboten schien, eckte er auch an. 1952 etwa verschärfte die SBZ/DDR in Reaktion auf Adenauers Generalvertrag mit den westlichen Alliierten ihr Grenzregime. Das schloß Zwangsaussiedlungen »unzuverlässiger« BewohnerInnen aus dem »Sperrgebiet« ein. Etliche Quellen, darunter Wikipedia, behaupten, diese Maßnahme sei bei den Spitzen von SED und MfS unter »Aktion Ungeziefer« gelaufen. In diesem Rahmen sollten im Juni ungefähr 900 Menschen aus dem Kreis Bad Salzungen entfernt werden, wie Deilmanns Tochter Dorothea Nennstiel-Deilmann, Krankenschwester und Lehrerin, damals Anfang 20, Jahrzehnte später (2013) der Presse gegenüber berichtete. Darunter fielen auch 16 Familien aus Dorndorf bei Merkers. Dagegen erhoben sich jedoch massive, bei der »Verladung« am Dorndorfer Bahnhof zuletzt sogar handgreifliche Proteste, an denen auch die Familie Deilmann beteiligt war. Die Zwangsaussiedlung konnte erst mit Verzögerung durchgesetzt werden, als die Vopo die Rote Armee zur Hilfe rief.
~~~ Es gibt also starke Anhaltspunkte dafür, daß wir in Doktor Deilmann einen Mediziner hatten, der unter Hitler und Ulbricht, ersatzweise Adenauer, weder Duckmäuser noch gar Erfüllungsgehilfe schweren Unrechts war. Die Regel sah bekanntlich anders aus. Manche Angaben, die womöglich verwandtschaftlicher Schonkostkur entspringen, kann ich allerdings nicht überprüfen. So trenne ich mich denn von meinen beiden Kolkraben und der Friedhofsbank, weil ich in Bad Salzungen, ehe mein Zug geht, noch ein paar Züge Atemluft im »Gradierwerk« zu nehmen gedenke. Das kann ja nur im Sinne Doktor Deilmanns sein. Der Kurpark mit den hufeisenförmig angelegten Gebäuden und Wandelhallen des Gradierwerkes liegt gleich nördlich der Gleise nur einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt. Aufgrund ihrer salzhaltigen Quellen zählt die Kreisstadt zwischen Rhön und Thüringer Wald zu den ältesten Sole-Heilbädern Deutschlands. Früher spielte auch die Gewinnung von Kochsalz eine wichtige Rolle. In den erwähnten, offenen Wandelhallen rieselt salzhaltiges Wasser durch eine Art Hecke aus Reisigbündeln, wodurch die Luft, selbst im Garten draußen, angenehm und angeblich auch sehr gesundheitsfördernd würzig und kühl wird. Die zahlenden Kurgäste schlurfen in weißen Bademänteln umher. Während der Fachwerkbau der Kurverwaltung wie aus dem Ei gepellt wirkt, fällt einen angesichts des verrammelten Bad Salzunger Bahnhofsgebäudes und der weitläufigen, mit Unkraut bewachsenen Gleisanlagen ein Trübsinn an, dem wahrscheinlich auch nicht durch zwei Inhalier-Stunden in jenen Wandelhallen abzuhelfen wäre. Im verwaisten Bahnhof könnte glatt eine 30köpfige Kommune unterkommen. Aber nicht im Kapitalismus. Wie es aussieht, ist das Geschäft mit der Gesundheit einträglicher als das Geschäft mit der Regionalbahn. Die betuchten Kurgäste reisen ja ohnehin per Auto an, damit die Leute in den Dörfern an der B 62 ebenfalls etwas zum Inhalieren haben.
~~~ Um nicht nur auf die Automafia einzuhacken: Am zurückliegenden Dienstag (22. April 2014) wurde ein 16jähriger Fahrradfahrer bei einem Unfall in der Dr.-Salvador-Allende-Straße, die übrigens im Osten der Altstadt in die B 62 mündet, schwer verletzt. Er war auf seinem Mountainbike aus einem Seitenweg geschossen und auf einen Ford Focus geprallt. Vielleicht landet er im Rollstuhl. Sachschaden am Auto rund 3.000 Euro. Das Mountainbike dürfte einem Reisigbündel aus dem Gradierwerk geähnelt haben, nur mit Blut statt mit hellen Rückständen aus der Sole verschmiert. Die HerstellerInnen postmoderner Kampffahrräder wollen eben auch leben. Man mache sich hin und wieder klar, welcher ungeheuerlichen, kostspieligen und oft krank- oder totmachenden Erpressung durch das Kapital und seine Reklamegauner sowohl unsere Kinder und Jugendlichen wie deren Eltern ausgesetzt sind, dann wird man Gauck für seine Lobeshymnen auf unsere Gesellschaft vor die Maßschuhe spucken, falls man ihn mal trifft, in der Werra-Rhön-Halle beispielsweise.
~~~ Eine sehr ähnliche, Luft abschnürende Kragenweite besitzt die Bürokratie, die wir uns dank Kapitalismus und Rechtsstaat zu leisten haben. Wie ich am Donnerstag einem Artikel auf InSüdthüringen.de entnehme, ist neuerdings Bad Salzungens Status als Kreisstadt bedroht. Zwar sank die EinwohnerInnenzahl aufgrund des bekannten Aufschwungs Ost seit der »Wende« von 21.500 auf rund 15.000, also immerhin um ein rundes Viertel, aber das ist gar nicht der Grund. Vielmehr möchte Eisenach seinen kreisfreien Status loswerden, weil es sich davon große Einsparungen beziehungsweise zusätzliche Steuereinnahmen verspricht. Rinn in die Kartuffeln, russ us die Kartuffeln, jedesmal für ein paar oder für viele Millionen Eier. Wie Bad Salzungens Bürgermeister Klaus Bohl auf einer EinwohnerInnen-Versammlung versicherte, käme ein Fortfall des Landratsamtes dem Verlust von 600 Arbeitsplätzen gleich – eine Katastrophe. Nach dieser Logik geht es dem Menschen umso schlechter, je weniger Bürokraten oder Soldaten er hat. Die weitgehend schon vergessene westdeutsche »kommunale Gebietsreform« um 1970 sollte alles vereinfachen, doch sie bewirkte das Gegenteil. Die Bürokratie wurde gleichzeitig aufgestockt und zentralisiert; im Ergebnis hatte es der Dörfler noch schwerer, an ihren nährenden Busen zu gelangen. Nebenbei stellt schon die ganz »normale« Staats-Partei-Verdopplung, die man ja auch in der DDR pflog, einen hirnrissigen und kostspieligen Unfug dar. Womit ich keineswegs sagen will, nur mit dem einen, entweder Staat oder Parteien, wären wir gut bedient. Nein, das Übel liegt darin, daß man uns unbedingt verwalten möchte, da wir sonst weder auspreßbar noch beherrschbar wären.
~~~ Allerdings zugegeben, damit spreche ich nicht unbedingt jedem von uns aus dem Herzen. Mark Ashley beispielsweise, geboren 1973 in Apolda, Thüringen, wußte die »Wende« offensichtlich dazu zu nutzen, sich auf verhältnismäßig wenig knochenbrecherische Weise leidlich die Taschen zu füllen. Ein Salzbergwerk, das wäre nichts für ihn, obwohl er bestimmt kein Hänfling ist, wie ich aus Fotos im Internet schließe. Ashley – ein typisch thüringischer Name – ist Popsänger geworden und bereichert seit einigen Jahren die in Bad Salzungen ansässige Prominenz, wenn er auch vorwiegend in Südamerika und Spanien, besonders Mallorca, unterwegs ist. Falls ich nichts durcheinander geworfen habe, arbeitet er in der Sparte Disco-Fox.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
Vopo Georg Gaidzik (1921–53) fiel im Dienst. Am 17. Juni 1953 sind die drei DDR-Beamten (von der Volkspolizei und vom MfS) Georg Gaidzik, Gerhard Händler und Johann Waldbach zum Wachdienst in der Magdeburger Haftanstalt Sudenburg eingeteilt. An diesem Tag war, wie fast jeder weiß, in verschiedenen Städten der DDR, je nach Standpunkt, ein »Arbeiteraufstand ausgebrochen« oder aber vom Grenzzaun gebrochen worden. Was Magdeburg angeht, versuchte eine Gruppe von Aufständischen zwecks Gefangenenbefreiung das genannte Zuchthaus zu stürmen. Diese Leute besaßen ein paar Schußwaffen, die sie der Vopo entwunden hatten. Bei ihrem Angriff auf die Wachhabenden kamen die angeführten drei Beamten um. Der Älteste von ihnen war erst 33 Jahre alt. Wer im einzelnen schoß, ist teils umstritten, teils unbekannt. Verluste auf Seiten der ErstürmerInnen gab es nicht. Sie zerstreuten sich, als ein sowjetischer Panzer aufzog.
~~~ Im ganzen sollen die damaligen Unruhen 50 bis 70 Todesopfer gefordert haben. Es ist natürlich anzunehmen, daß sich unter den »Aufständischen« etliche Provokateure befanden. Wer sandte sie aus? Für die Linke besteht meist kein Zweifel: die AuftraggeberInnen konnten nur CDU, CIA, RIAS Berlin heißen – ein Rundfunksender, der die Unruhen kräftig schürte. Folgt man dagegen dem 2009 veröffentlichen Buch Deutsche Daten des aus der DDR stammenden Schriftstellers Friedrich Dieckmann, wurde der Aufstand von denen angezettelt, gegen den er sich richtete: Ulbricht und Semjonow. »Hochkommissar« Wladimir Semjonow vertrat damals die UdSSR und deren Armee. Sie alle hatten sich im ostdeutschen Volk unbeliebt gemacht, durch krasse Normerhöhungen und BesatzerInnengebaren etwa, hätten jedoch, so Dieckmann, durch Zugeständnisse keine Schonung mehr erlangt. Also mußte, wie üblich, ein massiver »feindlicher« Angriff von außen her (»westliche Provokateure!«), damit die Mannen um Ulbricht und Semjonow als Erretter der Nation auftreten konnten.
~~~ Den Hintergrund dieser Taktik gab für Dieckmann ein Kampf zweier Linien in der Sowjetunion ab, der die gesamte europäische Friedensordnung betraf. Eine Fraktion um den Geheimdienstchef Lawrenti Berija habe, mit Einvernehmen Winston Churchills, auf die Beendigung sowohl des (kostspieligen) »Kalten Kriegs« wie der deutschen Teilung, somit auf die Preisgabe der (kostspieligen) DDR gesetzt. Das war jedoch gar nicht nach dem Geschmack des Parteisekretärs Chruschtschow und der Roten Armee. Also konnte auch ihnen eine Gelegenheit, die Unverzichtbarkeit sowjetischer Anwesenheit in Ostdeutschland zu demonstrieren, nur willkommen sein. Der kräftig geförderte Aufstand wurde niedergeschlagen; Ulbricht saß wieder fest im Sattel; Berija wurde verhaftet und im Dezember 1953 erschossen; Adenauer (der »deutsche Einheit« immer nur als Lippen-bekenntnis gekannt hatte) gewann die westdeutschen Wahlen im September 1953 haushoch – die deutsche Teilung war zementiert.
~~~ Nebenbei eröffnet Dieckmann, sonst ein guter Stilist, seine Aufsatz-Sammlung mit einem langatmigen Essay über den idealen deutschen Nationalfeiertag, der zu allem Unglück (der Essay) ähnlich fruchtlos geraten ist, wie ich Kohls ostdeutsche »blühende Landschaften« aus eigener Anschauung kenne. Zur Krönung verkündet Dieckmann, ohne uns auch nur ein Komma einer Begründung zu gönnen, in diesem Essay bestimmt: »Wieder andere werden einen Staats-, einen Nationalfeiertag schlechthin für überflüssig erachten. Wer das tut, erkennt mittelbar Staat und Nation für entbehrlich, was keine realistische Position ist; wir brauchen beide so dringlich wie Kooperation und Verflechtung in kontinentalen und globalen Bezügen.« Statt sich die Mühe dieses schlechthin überflüssigen Essays zu machen, hätte er genauso gut erklären können, ein Gestirn ohne Steueroasen sei undenkbar.
~~~ Ich will noch einen Blick auf die bald darauf (1961) errichtete Mauer werfen. Eins sollte klar sein: Hat es eine angebliche Volksrepublik nötig, ihre Bevölkerung gewaltsam am Verlassen des Landes zu hindern, weil sich diese Bevölkerung weder aufgrund der republikanischen Zustände noch aufgrund der Argumentation der republikanischen Regierung mit dem Dableiben anfreunden kann, sollte diese »Volksrepublik« ihren Laden lieber aus freien Stücken schließen, ehe sie zurecht in Verruf gerät. Von daher gibt es an den Todesopfern des DDR-Grenzregimes, möglicherweise über 1.000, nichts zu beschönigen.
~~~ Allerdings stelle ich es mir auch nicht angenehm vor, statt in der DDR in einer verschlossenen, dunklen Transportkiste zu ersticken. So erging es dem kleinen Holger H. Dessen Vater, früher schon bei einem Fluchtversuch über die Ostsee gescheitert, schlug nun den Weg über den Kontrollpunkt Dreilinden nach Westberlin vor. Ein Westberliner Bekannter mit Lastwagen stellte sich, im Januar 1973, als Fahrer der Fuhre zur Verfügung. Der Vater kam in eine, die Mutter mit dem 15 Monate alten Holger in eine andere Kiste. Man hatte die Kontrollen schon fast durchstanden, als Holger zu brüllen anhob. Da es der Mutter nicht gleich gelang, ihn zu beruhigen, hielt sie ihm kurzerhand den Mund zu. Dummerweise litt ihr Holger zu dieser Zeit an einer Mittelohrentzündung und einer Bronchitis zugleich, sodaß er nicht durch die Nase atmen konnte. Der Lastwagen erreichte glücklich Westberliner Gebiet – aber mit dem erstickten Holger als Leiche.*
~~~ Unerschrocken betrachtet, hätte man freilich auch den vielen westlichen Demokraten das Maul zuhalten müssen, die sich über das grausame DDR-Grenzregime ereiferten, während sie mit ihrem Hintern krampfhaft den Deckel des bodenlosen Fasses drückten, in dem die niedergemähten PrärieindianerInnen, die ausgepeitschten Kongo-Neger, die totgeschlagenen Asiaten des britischen Empires, die Verbrannten aus Hiroshima, die abermillionen Toten diverser Algerien- und Vietnamkriege, die Opfer bundesdeutscher Polizeipistolen und so weiter ächzten. Allein an der Grenze zwischen Mexiko und den USA, die mit Zäunen, Mauern, US-Nationalgardisten und Abschiebegefängnissen gespickt ist, kommen jährlich, seit Jahrzehnten, zwischen 250 und 500 Menschen um. Hat sich da jemand entrüstet? Auf diese obszöne Doppelmoral weist Gert von Paczensky in seinem wichtigen Buch Weiße Herrschaft unentwegt hin. Man hätte unseren Faßdrückern ins Gesicht sagen müssen, sie seien »herzlose Mörder, Plünderer und Verschwörer, wie sie die Welt ihresgleichen noch nicht gesehen« habe. So Hartley Shawcross, britischer Chefankläger bei den Nürnberger Prozessen – auf die bösen Nazis gemünzt. Sollte das geflügelte Wort »Haltet den Dieb!« im Englischen keine Entsprechung haben? Von Paczensky knöpft sich auch wiederholt** die unzulässige »Vereinzigartigung« der faschistischen Verbrechen vor. Der Ausdruck stammt von mir. Sie hat genau die angedeudete ablenkende Funktion. Dazu empfehle ich meine Betrachtung „Die VerbrecherInnen sind mitten über uns“, siehe unter → Gewalt.
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* Jens Bauszus, »Freiheit oder Friedhof«, Focus, 22. September 2014: https://www.focus.de/politik/deutschland/25-jahre-mauerfall/erschossen-verblutet-oder-ertrunken-ddr-fluechtlinge_id_1865059.html
** Etwa S. 125, 159, 240 in der Ausgabe Fischer-TB 1982
Man könnte Peter Sindermann (1939–71), Sohn eines hohen SED-Funktionärs, einen ausgesprochen sportlichen Schauspieler nennen. Sein früher Tod ist jetzt 50 Jahre alt, und wie es aussieht, wird dieser auch in den nächsten 50 Jahren ein Rätsel bleiben. Sindermann war bis zuletzt am Landestheater in Halle engagiert, wo er auch wohnte. Der dunkelhaarige Florettfechter, Reiter und Flieger könnte manchen Westdeutschen, von Porträtfotos her, an den dortigen Berufskollegen Horst Buchholz erinnern. In der Tat wird Sindermann oft als »Frauenschwarm« bezeichnet. Er trat auch in zahlreichen Filmen auf, angefangen 1959 mit Bevor der Blitz einschlägt. Im übrigen war er von Jugend an Aktivist der Gesellschaft für Sport und Technik (GST), in Nachschlagewerken meist als »paramilitärische Massenorganisation« ausgegeben. Die Nachrufe rühmen ihn als heiter und lebensbejahend, charmant und akrobatisch, witzig und hilfsbereit – und dies alles in einer schlanken Person.
~~~ Bei Sindermann selber kam die Stunde der Wahrheit am 17. Oktober 1971, als er in Halle-Oppin in Begleitung seines erst 18jährigen GST-Genossen Günter Heley ein Kleinflugzeug des Typs Zlin (aus der Tschechoslowakei) bestieg. Wahrscheinlich war Heley sein Flugschüler, denn dafür besaß Sindermann, inzwischen 32, neuerdings die erforderliche Lizenz. Die Traueranzeige der GST für die beiden »pflichtbewußten Genossen« wird wenig später etwas vieldeutiger versichern, sie seien »bei der Erfüllung eines Flugauftrages« umgekommen. Sie hätten sich immer mutig und leidenschaftlich für den Schutz ihrer sozialistischen Heimat eingesetzt.
~~~ Man hat es vielleicht schon geahnt: Kurz nach dem Start, noch an der Stadtgrenze der Großstadt Halle, wird der Unterricht durchkreuzt. AnglerInnen – die es womöglich genauso hätte treffen können wie etwa die BenutzerInnen der nahen Autobahn – sehen das von Sindermann gesteuerte* GST-Sportflugzeug ins Taumeln kommen. Gleich darauf vernehmen sie einen dumpfen Schlag. Sie vergessen ihre Beute und rennen hin. Die Maschine ist aus rund 300 Meter Höhe auf eine Wiese gestürzt. Flugzeug zerschellt; Insassen spätestens auf dem Weg ins Krankenhaus tot.
~~~ Natürlich spricht sich die »unglaubliche Nachricht« – so der Nachruf in der Liberal-Demokratischen Zeitung vom 21. Oktober – in Windeseile herum, zumal der Pilot ein Sohn des langjährigen allgewaltigen SED-Chefs des Bezirks Halle Horst Sindermann war. Dieser Mann war gerade erst noch höher aufgestiegen, nämlich nach Ostberlin, in den Vorstand des DDR-Ministerrates. Rudel von ErmittlerInnen der Polizei und der Stasi rücken auf der Unfallwiese an. Aber sie sind ratlos oder geben sich jedenfalls so. Sie finden nicht einen Anhaltspunkt für Feindeinwirkung, etwa Sabotage oder Spionage. Selbst die bekannten schnöderen Unfallursachen schließen sie Stück für Stück aus. Sindermann galt als erfahrener Flieger. Das Wetter war gut. Beide Piloten standen nicht unter dem Einfluß von Drogen, Krankheiten, Lebensmüdigkeit. Das Flugzeug selber wies ebenfalls keine technischen Mängel auf, wird jedenfalls behauptet. So werden die Ermittlungen nach zwei Monaten eingestellt. Der Abschlußbericht* spricht verwaschen davon, die Maschine sei über dem Kanalgebiet »in eine unklare Fluglage geraten«. Beim Kurvenflug mit verringerter Geschwindigkeit hätten die Piloten jähes Trudeln nicht mehr verhindern können. Das sind Berichte, gut für zahlreiche Gerüchte.
~~~ Seltsamerweise, wie ich finde, übergehen fast alle mir zugänglichen Quellen Sindermanns persönliche Verhältnisse. Nur Wikipedia erwähnt eine Ehefrau und einen Sohn des sportlichen Schauspielers, Micaëla und Andreas. Der Eintrag erweckt den Eindruck, diese Ehe habe beim Unfall nach wie vor bestanden. Das ist allerdings nicht der Fall, wie mir freundlicherweise ein Verwandter des Fliegers mitteilt. Danach war Sindermann in zweiter Ehe mit der Berufskollegin Jutta Peters verheiratet. In der familiären Traueranzeige wird sie als Jutta Sindermann-Peters angeführt. Mein Gewährsmann versichert auch, die Ehe sei glücklich gewesen – somit jedenfalls kein Selbstmordgrund. Eine solche Annahme wäre natürlich schon wegen des Mitsterbers reichlich waghalsig. Im übrigen erweist sich der Gewährsmann als loyal, wenn er dem Abschlußbericht sein volles Vertrauen schenkt und außerdem entschieden verneint, Funktionärssohn Peter Sindermann sei in seiner ganzen Laufbahn jemals unlauter begünstigt worden. Sicherlich hatte jeder VEB-Kantinenkoch zu Hause (oder bei der GST) sein Pferd und sein Sportflugzeug im Stall, gerade so wie in Willy Brandts Westdeutschland.
~~~ In dieser Hinsicht wäre es unter Umständen aufschlußreich, die Verhältnisse des Mitsterbers zu beleuchten. Aber für die Such-Roboter dieses Planeten ist ein »Günter Heley« noch weitaus unberühmter als ein Tabwa-Häuptling aus Sambia. Auch der Gewährsmann versichert, die Familie Sindermann hätte den jungen Mann nicht gekannt. Ob sie diesem Mangel vielleicht im Nachhinein abzuhelfen versuchte, habe ich lieber nicht gefragt. In der zeitgenössischen Presse taucht Heleys Name zwar durchaus auf, selbst im Neuen Deutschland – doch das war es denn auch. Man erfährt noch nicht einmal, was Könau Jahrzehnte später* ausgräbt: der 18jährige sei Elektrolehrling gewesen und habe den verhängnisvollen Unterricht genommen, weil er Flugingenieur werden wollte. Das scheint alles zu sein. Damit bleibt Heley beinahe so ein Rätsel wie das Unglück überhaupt. Damals, so steht zu befürchten, dürfte er einfach zu unwichtig für kostbaren Zeitungsspaltenplatz gewesen sein.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
* Steffen Könau, »Sturzflug in den Tod«, Mitteldeutsche Zeitung, 14. Oktober 2006, S. 27
Sohn eines KPD-Funktionärs in Oelsnitz, Sachsen, studiert Walter Tuchscheerer (1929–67) zum Teil in Moskau, wird anschließend in einem Ostberliner Institut angestellt und leistet angeblich pionierhafte und wichtige Forschung zur Frühgeschichte der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie. Leider kann er sein Hauptwerk nicht vollenden, weil er bereits mit 38 stirbt, und zwar »nach kurzer Krankheit«, wie es bestenfalls hier und dort heißt. Das Werk wird aber, als Fragment, ein Jahr darauf, 1968, von seiner Ehefrau Gerda veröffentlicht, damit auch wirklich nichts umkommt.
~~~ Hier und dort drückte ich schon mein Erstaunen über die Tatsache aus, daß es auf diesem Planeten offenbar nichts gibt, das nicht in Berufung und Einkommen verwandelt werden könnte, sofern sich der Betreffende nur schlau genug anstellt. Jetzt sehe ich diese unzähligen WissenschaftlerInnenrücken, die sich über Tonnen an Büchern, Schnipsel und Notizen bücken, um die Welt mit Belanglosigkeiten oder jedenfalls ihrer persönlichen Variante der Variante der Variante zu beglücken. Biochemiker Erwin Chargaff verhöhnte bereits vor Jahrzehnten das unaufhaltsame Streben der Naturwissenschaften zur Spezialisierung, etwa um noch die Gliedmaßen eines Tausendfüßlers zu spalten und dadurch wieder 2.000 neue Arbeitsplätze und Doktoranden zu schaffen. Ähnlich grotesk geht es bekanntlich im Sport zu, wo kein Monat vergeht, in dem nicht eine neue »Disziplin« erfunden wird, die nur um Haaresbreite von der Mutterdisziplin abweicht. Aber was sage ich, es geht überall so zu, Sie können nehmen, was sie wollen. Das Stichwort »neu« verweist nebenbei auf die kapitalistische Warenproduktion, in die der Zwang zur »Innovation« geradeso eingebaut ist wie der Motor ins Auto und die Inflation ins Kreditwesen. Allerdings verweist es auch auf den gleichsam natürlichen Zug der Neugier, der wahrscheinlich schon in Neandertalhöhlen keimte. Mit den ersten Zeitungen wurde der Neuigkeitswahn daraus.
~~~ Vielleicht kommt uns die Gier nicht zufällig unter. Das Wesen des Menschen läßt sich ohne Zweifel unter etliche verschiedene Hüte packen – und einer davon heißt Vergeudungssucht. Der Mensch will nicht genügsam sein; er will nicht maßhalten – er will verschwenden. Da ist etwas Überquellendes in ihm, das sich an keinem Tier beobachten läßt. Er muß in einem fort opfern. Er opfert Zeit, seine Kinder, seine Gesundheit, sein Leben, um nur nicht auf der Stelle treten zu müssen. Niemals würde es einem Fuchs einfallen, einen Artikel über die Hutmode oder die Münchener Räterepublik zu verfassen, wo es doch schon viele tausend Artikel über die Hutmode und die Münchener Räterepublik gibt. Viele davon sind gut geschrieben, nur von einer geringfügig anderen Warte aus. Neu ist an ihnen nichts. Der Redakteur könnte einfach den Mutter-Artikel von 1922 ins Blatt rücken und das Honorar für den jüngsten Wichtigtuer einsparen. Aber dann bräche das Zeitungswesen oder das ganze Internet zusammen. Das will natürlich keiner.
~~~ Warum ist der Mensch so ungenügsam und rastlos? Warum opfert er so viel? Manche Autoren vermuten eine Quelle im Schuldbewußtsein des Menschen. Schließlich habe er sich durch irgendetwas die Vertreibung aus dem Paradies zugezogen, das bedrückt ihn, zumal er nicht weiß, durch was. Da ist sicherlich einiges daran. Es wäre mir freilich zu wenig, lediglich einen Gesichtspunkt anzubieten … Alain betont (in seinem Buch Die Götter) den Stolz des Menschen. Weit entfernt von Beschaulichkeit, handle es sich beim Stolz um einen gereizten, unbändigen Drang, der durch Maßlosigkeit zu herrschen suche. Wahrscheinlich wird er von dem Übermaß angegriffen, das die Natur uns zeigt – und als Zorn ist er die Antwort darauf. Denken Sie nur an tosende Stürme und Flüsse, endlose Sandwüsten, Gebirgsmassive, Urwälder und das Gewimmel im Tierreich. Diese Üppigkeit demütigt uns und stachelt uns auf. »Sie entzündet in uns den Wunsch nach noch steileren Gipfeln, noch höheren Wogen, noch drückenderer Einsamkeit. Versuch es, All, ob du mich zwingst! Wir stürzen uns ins Wagnis der Besteigung, des Fluges, des Krieges, der gefahrvollen Forschung.« Das im Ansatz rein geistige Phänomen des Stolzes – dessen Gegenspieler für Alain das Mitleid darstellt, also eine Sache des Herzens – erkläre auch ein wenig »die Hölle des alten Mexiko, wo man das Hinschlachten von Tausenden von Gefangenen zum Fest erhob. Man gefiel sich wohl in Verschwendung, die den Menschen der Sonne oder dem Vulkan gleichstellen sollte, also eine Rache aus Schwäche, aber auch aus Stärke gegenüber der Natur, und ganz etwas anderes, als wenn das Tier tötet um zu fressen und sich dann einfach aus dem Staub macht.«
~~~ Vielleicht gibt es für unsere Neigung zur Verschwendung sogar eine Quelle, die vor aller Nahrungszufuhr liegt. In seinem wahrlich fetten Hauptwerk Masse und Macht – von dem Sie 4/5 getrost vergessen können – kreist Elias Canetti um den Willen zum Überleben. Einmal streut er den verblüffenden Hinweis ein, die Erbitterung, mit dem ein jeder diesen Kampf zu führen pflege, gehe bereits aus dem Umstand unserer Zeugung hervor. Während bei diesem Vorgang bekanntlich lediglich eine Samenzelle bis in die Eizelle dringt, bleiben ungefähr 200 Millionen andere Samenzellen auf der Strecke. Jedes neue Ich verdankt sich einem wahren Massaker. Vielleicht haben wir darin sogar die Quelle des allgemeinen Selbstbehauptungsdrangs. Das hieße, selbst im geringfügigsten Streit darum, wer in der politökonomischen Frage X recht habe, drücke sich der Wunsch aus, von den 199,99 Millionen anderen nicht untergebuttert zu werden. Genauso könnte man hier »natürlich« auch die Quelle der Kriege vermuten, die die Menschheit nie für auch nur eine Woche zu führen unterläßt; das jeweilige »Vaterland« ist die eine Zelle, die den Sieg davontragen muß.
∞ Zuerst in Nasen der Weltgeschichte (Blog H.R.), 2022
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