Dienstag, 16. Dezember 2025
Ringelnatz in Klein-Öls
ziegen, 14:45h
Verfaßt 2024
Eine Wiederlektüre von Friedrich Georg Jüngers wichtiger Aufsatzsammlung Sprache und Denken aus dem Jahr 1962 ließ mich über einen wenig bekannten Schloßturm stolpern, wenn auch um den Preis, mich wieder einmal über sogenannte Philosophen zu ärgern. Ich hole etwas aus. Zunächst nimmt Jünger den vielverehrten Immanuel Kant auseinander – ja, ich möchte fast behaupten, er zermalmt ihn. Jünger weist ihm unter anderem etliche tautologische Annahmen oder Formulierungen nach, die Kants System der angeblichen Vernunftkritik schon allein in ein löchriges Luftschloß verwandeln. Liegt Jünger richtig, kann der Königsberger Professor eigentlich nur ein närrischer Klops gewesen sein, obwohl er meist als schmächtig geschildert wird. Warum die ganze Mühe (beider Denker), wird mir so oder so nicht klar, aber mir ist bekannt, diese Zunft beschäftigt sich gern mit Überflüssigem. Dann widmet sich Jünger dem selten erwähnten Philosophen Graf Paul Yorck von Wartenburg (1835–97). Dessen fragmentarisch hinterlassenes kultur- und philosophiegeschichtliches Gedankengebäude dürfte weder überzeugender noch genießbarer als das von Kant sein. Gleichwohl verfährt Jünger viel milder, teils sogar bewundernd mit Yorck, was vielleicht hauptsächlich an dessen früher Vorhersage und Verdammung der Abschaffung des Raumes liegt, die auch von Jünger mit Besorgnis beobachtet worden ist. Das entbehrt freilich nicht der Ironie, stand Yorck selber doch wahrlich jede Menge Raum zur Verfügung – durchaus mehr als das Turmzimmer [ https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Yorck_von_Wartenburg#/media/Datei:PalacMlOlesnica.jpg ], in dem er seine Aufzeich-nungen vorgenommen haben soll. Das störte Jünger aber nicht im geringsten, ganz im Gegenteil. Jünger hatte Eigentum, zumal in Form von Grundstücken und Ländereien, immer hochgehalten. Hier hieß es Klein-Öls.
~~~ Laut Jünger war die niederschlesische Domäne Klein-Öls, im Kreis Ohlau bei Breslau gelegen, dem Großvater Ludwig, einem General, nach dessen Sieg über Napoleon vom preußischen König (Friedrich Wilhelm III.) geschenkt worden. Vom Vater Ludwig wiederum erbte es Paul. Jünger kündigt am Schluß seines Aufsatzes eine Betrachtung der Person Pauls an, geht aber im wesentlichen doch wieder nur auf die Gedankenwelt des Gutsherren, Juristen, Offiziers und Philosophen ein. Vom ersteren, dem Gutsherrn, wagt er vermutlich wohlweislich schon gar nicht zu sprechen, denn das wäre wahrscheinlich selbst in Jüngers konservativ gefärbten Augen ein wunder Punkt. Dilthey habe dem Sohn Heinrich gegenüber nach dem Tod des Vaters von dessen »Herrlichkeit« im Charakter geschwärmt, teilt uns Jünger mit. Na prima. Wieviele Untergebene bekamen sie wohl auf welche Weise zu spüren, diese Herrlichkeit? Auch das Internet scheint über Pauls Herrschaft auf Klein-Öls so gut wie nichts verlauten zu lassen. Ich muß Sie deshalb mit einem mageren Bild abspeisen.
~~~ Wie sich versteht, hatte Graf Paul Familie. Er verheiratete sich 1860 mit der Generalstochter Luise von Wildenbruch. 1865 übernahm er die Bewirtschaftung von Klein-Öls, außerdem den erblichen Sitz des Clans im Preußischen Herrenhaus. Die Arbeit an seinem philosophischen Gedankengebäude »mußte« er sich mühsam von seinen vielen Verpflichtungen abzwacken, behauptet auch Jünger. Selbstverständlich mußte er nicht. Er tat es halt, und vermutlich hatte er mehr als einen Bediensteten, der ihm ab und zu ein Tässchen Mokka ins Turmzimmer brachte. Aus den Abbildungen vermute ich, allein das ziemlich wuchtig wirkende, zu Ringelnatz‘ Zeiten erst dreiflügelige Schloß der Yorcks hatte mindestens 50, eher 150 Zimmer.
~~~ Eine große Schloßkapelle gab es selbstverständlich ebenfalls. Die kirchliche Schirmherrschaft (»Patronat«) über ihr kleines Reich zählte mindestens zu den Befugnissen der Guts- und Schloßherren von Klein-Öls. Wahrscheinlich auch noch eine gewisse Gerichtsbarkeit, siehe Ringelnatz. Eine verläßliche Flächenangabe finde ich nicht. Jedenfalls scheint man zwischen der Landgemeinde (1871 über 500 EinwohnerInnen) und dem engeren Gutsbezirk am Schloß (1871 um 300 EinwohnerInnen) unterschieden zu haben. Mit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg fiel Klein-Öls jedoch an Polen, jetzt Oleśnica Mała genannt. Vielleicht hatte es zu Pauls und Heinrichs Zeiten zu den damals in Preußen noch verbreiteten Standesherrschaften gezählt. Das ist der Fachbegriff. Laut der deutschen Wikipedia »gehörten« Zwergstaaten wie Klein-Öls dem jeweiligen Standesherren. Dieser übte Gerichtsbarkeit, Kirchen- und Schulaufsicht aus. Zwar habe Preußen diese Vorrechte 1830 abgeschafft, doch die Standesherrschaften blieben dem Rang nach bis zur Weimarer Republik erhalten. Aufgrund dieser spärlichen Informationen und Mutmaßungen stelle ich mir die örtlichen Verhältnisse zu Graf Pauls und Heinrichs Zeiten ungefähr wie bei DDR-Autor Benno Voelkner vor, der in seinem Roman Die Leute von Karvenbruch einen mecklenburgischen Gutshof schilderte. Strenge Leibeigenschaft gab es natürlich nicht mehr, aber die demütigende und krankmachende Abhängigkeit der Bewohner (und FronerInnen) vom sogenannten Standesherren war immer noch groß genug.
~~~ Der schriftstellernde Pausenclown Joachim Ringelnatz traf leider erst 1912 in Klein-Öls ein. Er hielt sich ein Jahr dort. Graf Heinrich Yorck von Wartenburg, der älteste Sohn des Philosophen Graf Paul, hatte ihn engagiert, damit einer den umfangreichen Bücher-bestand des Schlosses in Ordnung bringe. Die Bibliothek sei auf fünf Räume verteilt gewesen, die auch noch anders genutzt worden seien, erzählt der neue Bibliothekar Ringelnatz in seinem Werk Mein Leben bis zum Kriege im Kapitel »Klein-Oels« [ http://www.zeno.org/Literatur/M/Ringelnatz,+Joachim/Autobiographisches/Mein+Leben+bis+zum+Kriege/Klein-Oels ]. Er hatte den Bücherhaufen zu sichten, zu sieben, themengerecht zu unterteilen und katalogmäßig zu erfassen. Das Kapitel liest sich gut, sofern man von Ringelnatz, bald darauf begeisterter Weltkriegsteilnehmer wie so viele, keine klassenkämpferischen Anklagen verlangt. Dafür bietet er Possen der Geschlechterliebe. Ich picke abschließend nur noch ein paar Beobachtungen heraus, die vielleicht auch ein gewisses Licht auf Heinrichs Erzeuger werfen, den Philosophen Paul.
~~~ Graf Heinrich selber sei »der belesenste Mensch« gewesen, den Ringelnatz jemals kennengelernt habe, versichert uns der Hilfsbibliothekar. »Auf allen Gebieten und durch-aus gründlich.« Im preußischen Herrenhaus sei er für humanistische Bildung eingetreten. »Das war sein Steckenpferd. Und da hatte ich von Anfang an einen höchst schwierigen Stand. Denn zu der vornehmen Gesittung, Höflichkeit und Bildung, die der Graf besaß und zu der er auch mit höchstem Aufwand seine Kinder erzog und erziehen ließ, fehlte ihm, wie ich bald zu bemerken meinte, doch eins: Herz.«
~~~ Dabei hatte der Graf immerhin 10 Kinder. Die Maßregelungen, die ihnen der Recht- und Machthaber laut Ringelnatz angedeihen ließ, gern auch »bei Tische«, hätten sicherlich noch für 90 mehr ausgereicht. Na, die hatte er ja sogar: im Dorf. Rentmeister Dannenberg hatte geschlachtet. »Drei Inspektoren von den Yorckschen Gütern waren zugegen und der Oberförster und der Dorflehrer, der Pfarrer und [der Diener] Otto.« / »Da der Graf Amtsvorsteher war, hatte er, oder als Vertreter für ihn sein Sekretär Neugebauer, mitunter kleine Gerichtsver-handlungen zu führen. Ich kam einmal dazu. Zwei Dorfbuben hatten eine Eule in die Turmuhr gepreßt und damit wahrscheinlich Uhr und Eule lädiert.« Sie gestehen die Tat – wenn auch erst nach gewissen Züchtigungen, die im Mittelalter »Daumenschrauben anlegen« genannt worden wären.
~~~ Ringelnatz darf den Grafen auf einer landwirt-schaftlichen Inspektionsreise begleiten, die im Jagdwagen erfolgt. Die jeweils zuständigen Inspektoren reiten nebenher und stehen dem Standesherrn Rede und Antwort. Das jeweilige Landvolk wird freundlich begrüßt. »Guten Tag, mein Sohn.« – »Guten Tag, meine Tochter.« – »Der Klee steht dünn.« – »Haben Sie hier nicht nachgesät?« – »Das sind Mäuseflecken.« – »Das muß 'raus, nur keine halben Ernten.« – »Wieviel Polacken haben Sie?«
~~~ Auch Hasen und Fasanen laufen dem Grafen und seinem Bibliothekar über den Weg. Plötzlich habe der Graf zur Flinte gegriffen und einen Hund erschossen. »Sie sollen nicht auf die Felder gehen.« Später steuern sie im Auto den polnischen Ort Simmelwitz an, wo der Graf an einer Bezirksausschußsitzung teilzunehmen gedenkt. Sie hätten mehrere Gänse überfahren. »Gehören nicht zu mir«, habe der Graf im Weiterfahren erklärt.
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Eine Wiederlektüre von Friedrich Georg Jüngers wichtiger Aufsatzsammlung Sprache und Denken aus dem Jahr 1962 ließ mich über einen wenig bekannten Schloßturm stolpern, wenn auch um den Preis, mich wieder einmal über sogenannte Philosophen zu ärgern. Ich hole etwas aus. Zunächst nimmt Jünger den vielverehrten Immanuel Kant auseinander – ja, ich möchte fast behaupten, er zermalmt ihn. Jünger weist ihm unter anderem etliche tautologische Annahmen oder Formulierungen nach, die Kants System der angeblichen Vernunftkritik schon allein in ein löchriges Luftschloß verwandeln. Liegt Jünger richtig, kann der Königsberger Professor eigentlich nur ein närrischer Klops gewesen sein, obwohl er meist als schmächtig geschildert wird. Warum die ganze Mühe (beider Denker), wird mir so oder so nicht klar, aber mir ist bekannt, diese Zunft beschäftigt sich gern mit Überflüssigem. Dann widmet sich Jünger dem selten erwähnten Philosophen Graf Paul Yorck von Wartenburg (1835–97). Dessen fragmentarisch hinterlassenes kultur- und philosophiegeschichtliches Gedankengebäude dürfte weder überzeugender noch genießbarer als das von Kant sein. Gleichwohl verfährt Jünger viel milder, teils sogar bewundernd mit Yorck, was vielleicht hauptsächlich an dessen früher Vorhersage und Verdammung der Abschaffung des Raumes liegt, die auch von Jünger mit Besorgnis beobachtet worden ist. Das entbehrt freilich nicht der Ironie, stand Yorck selber doch wahrlich jede Menge Raum zur Verfügung – durchaus mehr als das Turmzimmer [ https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Yorck_von_Wartenburg#/media/Datei:PalacMlOlesnica.jpg ], in dem er seine Aufzeich-nungen vorgenommen haben soll. Das störte Jünger aber nicht im geringsten, ganz im Gegenteil. Jünger hatte Eigentum, zumal in Form von Grundstücken und Ländereien, immer hochgehalten. Hier hieß es Klein-Öls.
~~~ Laut Jünger war die niederschlesische Domäne Klein-Öls, im Kreis Ohlau bei Breslau gelegen, dem Großvater Ludwig, einem General, nach dessen Sieg über Napoleon vom preußischen König (Friedrich Wilhelm III.) geschenkt worden. Vom Vater Ludwig wiederum erbte es Paul. Jünger kündigt am Schluß seines Aufsatzes eine Betrachtung der Person Pauls an, geht aber im wesentlichen doch wieder nur auf die Gedankenwelt des Gutsherren, Juristen, Offiziers und Philosophen ein. Vom ersteren, dem Gutsherrn, wagt er vermutlich wohlweislich schon gar nicht zu sprechen, denn das wäre wahrscheinlich selbst in Jüngers konservativ gefärbten Augen ein wunder Punkt. Dilthey habe dem Sohn Heinrich gegenüber nach dem Tod des Vaters von dessen »Herrlichkeit« im Charakter geschwärmt, teilt uns Jünger mit. Na prima. Wieviele Untergebene bekamen sie wohl auf welche Weise zu spüren, diese Herrlichkeit? Auch das Internet scheint über Pauls Herrschaft auf Klein-Öls so gut wie nichts verlauten zu lassen. Ich muß Sie deshalb mit einem mageren Bild abspeisen.
~~~ Wie sich versteht, hatte Graf Paul Familie. Er verheiratete sich 1860 mit der Generalstochter Luise von Wildenbruch. 1865 übernahm er die Bewirtschaftung von Klein-Öls, außerdem den erblichen Sitz des Clans im Preußischen Herrenhaus. Die Arbeit an seinem philosophischen Gedankengebäude »mußte« er sich mühsam von seinen vielen Verpflichtungen abzwacken, behauptet auch Jünger. Selbstverständlich mußte er nicht. Er tat es halt, und vermutlich hatte er mehr als einen Bediensteten, der ihm ab und zu ein Tässchen Mokka ins Turmzimmer brachte. Aus den Abbildungen vermute ich, allein das ziemlich wuchtig wirkende, zu Ringelnatz‘ Zeiten erst dreiflügelige Schloß der Yorcks hatte mindestens 50, eher 150 Zimmer.
~~~ Eine große Schloßkapelle gab es selbstverständlich ebenfalls. Die kirchliche Schirmherrschaft (»Patronat«) über ihr kleines Reich zählte mindestens zu den Befugnissen der Guts- und Schloßherren von Klein-Öls. Wahrscheinlich auch noch eine gewisse Gerichtsbarkeit, siehe Ringelnatz. Eine verläßliche Flächenangabe finde ich nicht. Jedenfalls scheint man zwischen der Landgemeinde (1871 über 500 EinwohnerInnen) und dem engeren Gutsbezirk am Schloß (1871 um 300 EinwohnerInnen) unterschieden zu haben. Mit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg fiel Klein-Öls jedoch an Polen, jetzt Oleśnica Mała genannt. Vielleicht hatte es zu Pauls und Heinrichs Zeiten zu den damals in Preußen noch verbreiteten Standesherrschaften gezählt. Das ist der Fachbegriff. Laut der deutschen Wikipedia »gehörten« Zwergstaaten wie Klein-Öls dem jeweiligen Standesherren. Dieser übte Gerichtsbarkeit, Kirchen- und Schulaufsicht aus. Zwar habe Preußen diese Vorrechte 1830 abgeschafft, doch die Standesherrschaften blieben dem Rang nach bis zur Weimarer Republik erhalten. Aufgrund dieser spärlichen Informationen und Mutmaßungen stelle ich mir die örtlichen Verhältnisse zu Graf Pauls und Heinrichs Zeiten ungefähr wie bei DDR-Autor Benno Voelkner vor, der in seinem Roman Die Leute von Karvenbruch einen mecklenburgischen Gutshof schilderte. Strenge Leibeigenschaft gab es natürlich nicht mehr, aber die demütigende und krankmachende Abhängigkeit der Bewohner (und FronerInnen) vom sogenannten Standesherren war immer noch groß genug.
~~~ Der schriftstellernde Pausenclown Joachim Ringelnatz traf leider erst 1912 in Klein-Öls ein. Er hielt sich ein Jahr dort. Graf Heinrich Yorck von Wartenburg, der älteste Sohn des Philosophen Graf Paul, hatte ihn engagiert, damit einer den umfangreichen Bücher-bestand des Schlosses in Ordnung bringe. Die Bibliothek sei auf fünf Räume verteilt gewesen, die auch noch anders genutzt worden seien, erzählt der neue Bibliothekar Ringelnatz in seinem Werk Mein Leben bis zum Kriege im Kapitel »Klein-Oels« [ http://www.zeno.org/Literatur/M/Ringelnatz,+Joachim/Autobiographisches/Mein+Leben+bis+zum+Kriege/Klein-Oels ]. Er hatte den Bücherhaufen zu sichten, zu sieben, themengerecht zu unterteilen und katalogmäßig zu erfassen. Das Kapitel liest sich gut, sofern man von Ringelnatz, bald darauf begeisterter Weltkriegsteilnehmer wie so viele, keine klassenkämpferischen Anklagen verlangt. Dafür bietet er Possen der Geschlechterliebe. Ich picke abschließend nur noch ein paar Beobachtungen heraus, die vielleicht auch ein gewisses Licht auf Heinrichs Erzeuger werfen, den Philosophen Paul.
~~~ Graf Heinrich selber sei »der belesenste Mensch« gewesen, den Ringelnatz jemals kennengelernt habe, versichert uns der Hilfsbibliothekar. »Auf allen Gebieten und durch-aus gründlich.« Im preußischen Herrenhaus sei er für humanistische Bildung eingetreten. »Das war sein Steckenpferd. Und da hatte ich von Anfang an einen höchst schwierigen Stand. Denn zu der vornehmen Gesittung, Höflichkeit und Bildung, die der Graf besaß und zu der er auch mit höchstem Aufwand seine Kinder erzog und erziehen ließ, fehlte ihm, wie ich bald zu bemerken meinte, doch eins: Herz.«
~~~ Dabei hatte der Graf immerhin 10 Kinder. Die Maßregelungen, die ihnen der Recht- und Machthaber laut Ringelnatz angedeihen ließ, gern auch »bei Tische«, hätten sicherlich noch für 90 mehr ausgereicht. Na, die hatte er ja sogar: im Dorf. Rentmeister Dannenberg hatte geschlachtet. »Drei Inspektoren von den Yorckschen Gütern waren zugegen und der Oberförster und der Dorflehrer, der Pfarrer und [der Diener] Otto.« / »Da der Graf Amtsvorsteher war, hatte er, oder als Vertreter für ihn sein Sekretär Neugebauer, mitunter kleine Gerichtsver-handlungen zu führen. Ich kam einmal dazu. Zwei Dorfbuben hatten eine Eule in die Turmuhr gepreßt und damit wahrscheinlich Uhr und Eule lädiert.« Sie gestehen die Tat – wenn auch erst nach gewissen Züchtigungen, die im Mittelalter »Daumenschrauben anlegen« genannt worden wären.
~~~ Ringelnatz darf den Grafen auf einer landwirt-schaftlichen Inspektionsreise begleiten, die im Jagdwagen erfolgt. Die jeweils zuständigen Inspektoren reiten nebenher und stehen dem Standesherrn Rede und Antwort. Das jeweilige Landvolk wird freundlich begrüßt. »Guten Tag, mein Sohn.« – »Guten Tag, meine Tochter.« – »Der Klee steht dünn.« – »Haben Sie hier nicht nachgesät?« – »Das sind Mäuseflecken.« – »Das muß 'raus, nur keine halben Ernten.« – »Wieviel Polacken haben Sie?«
~~~ Auch Hasen und Fasanen laufen dem Grafen und seinem Bibliothekar über den Weg. Plötzlich habe der Graf zur Flinte gegriffen und einen Hund erschossen. »Sie sollen nicht auf die Felder gehen.« Später steuern sie im Auto den polnischen Ort Simmelwitz an, wo der Graf an einer Bezirksausschußsitzung teilzunehmen gedenkt. Sie hätten mehrere Gänse überfahren. »Gehören nicht zu mir«, habe der Graf im Weiterfahren erklärt.
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