Dienstag, 16. Dezember 2025
Bums Busenfreund
ziegen, 10:52h
Verfaßt um 2018
In meiner nichtkinofreien Kindheit verkörperte der beweg-liche, hagere Schauspieler Hanns Lothar (1929–67), geboren in Hannover, den pfiffigen deutschen Jungen – mal gelassen, mal schnoddrig, zumeist als charmante Nervensäge. Das war genau das Richtige für die west-deutsche Wirtschaftswunderzeit. Lothar gehörte seriösen Bühnen an, zuletzt dem Thalia Theater in Hamburg, trat aber auch gern in Fernsehkrimis auf.
~~~ 1962 gab er den armen Schlucker Axel in Rainer Erlers Film Seelenwanderung geradezu herzzerreißend. Es handelte sich um eine Art Kammerspiel, schwarzweiß, 75 Minuten lang, gedreht nach einer Parabel von Karl Wittlinger. Axels Kumpel Bum war freilich vom Naturell her gar nicht der Richtige für die Wirtschaftswunderzeit. In der proletarischen Kneipe Trübsal blasend, befinden die beiden, Bum (Wolfgang Reichmann, rundlich, mit großer Stirnglatze) sei zu gutherzig, nicht kaltblütig genug, um endlich einmal auf einen grünen Zweig zu kommen. Das gibt Axel den Vorschlag ein, Bum möge sich seiner Seele entledigen. Tatsächlich gelingt es Bum, durch geballte Anstrengungen, seine Seele in einen leeren Schuhkarton zu »denken«, den ihnen der Wirt gegeben hat. Axel macht schnell den Deckel zu; Bum versetzt den Karton anderntags für fünf Mark im Pfandhaus und bahnt so seinen unaufhaltsamen Aufstieg zum skrupellosen Kapitalisten an. Von Axel will er jetzt nichts mehr wissen – bis er ausgebrannt im Sarg liegt und erkennt, aufgrund der verlorenen Seele ist ihm der Weg ins Jenseits versperrt; er muß als »Geist« durch die Stadt seiner Erfolge irren. Damit beginnt die Jagd nach dem Schuhkarton. Axel steht Bum bei, obwohl ihn dieser so schäbig behandelt hat. Der Herzensgute ist hier Axel, der durchtriebene Ganove.
~~~ Daß Lothar außerdem singen konnte, bewies er unter anderem als Christian Buddenbrock in einer Verfilmung des bekannten Romans von Thomas Mann. Lothar liebte Frauen, Fußball, Boxen, Alkohol. 1967 ereilte ihn bei Bühnenproben in Hamburg eine Nierenkolik, an der er starb. Er war knapp 38. Seine dritte Gattin Gabriele, um 23, soll gerade auf Reisen gewesen sein. An ihre Vermögenslage, im Gegensatz zu einer vietnamesischen Reisanbauerin, wage ich gar nicht zu denken, sonst wird der Artikel zu lang.
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In meiner nichtkinofreien Kindheit verkörperte der beweg-liche, hagere Schauspieler Hanns Lothar (1929–67), geboren in Hannover, den pfiffigen deutschen Jungen – mal gelassen, mal schnoddrig, zumeist als charmante Nervensäge. Das war genau das Richtige für die west-deutsche Wirtschaftswunderzeit. Lothar gehörte seriösen Bühnen an, zuletzt dem Thalia Theater in Hamburg, trat aber auch gern in Fernsehkrimis auf.
~~~ 1962 gab er den armen Schlucker Axel in Rainer Erlers Film Seelenwanderung geradezu herzzerreißend. Es handelte sich um eine Art Kammerspiel, schwarzweiß, 75 Minuten lang, gedreht nach einer Parabel von Karl Wittlinger. Axels Kumpel Bum war freilich vom Naturell her gar nicht der Richtige für die Wirtschaftswunderzeit. In der proletarischen Kneipe Trübsal blasend, befinden die beiden, Bum (Wolfgang Reichmann, rundlich, mit großer Stirnglatze) sei zu gutherzig, nicht kaltblütig genug, um endlich einmal auf einen grünen Zweig zu kommen. Das gibt Axel den Vorschlag ein, Bum möge sich seiner Seele entledigen. Tatsächlich gelingt es Bum, durch geballte Anstrengungen, seine Seele in einen leeren Schuhkarton zu »denken«, den ihnen der Wirt gegeben hat. Axel macht schnell den Deckel zu; Bum versetzt den Karton anderntags für fünf Mark im Pfandhaus und bahnt so seinen unaufhaltsamen Aufstieg zum skrupellosen Kapitalisten an. Von Axel will er jetzt nichts mehr wissen – bis er ausgebrannt im Sarg liegt und erkennt, aufgrund der verlorenen Seele ist ihm der Weg ins Jenseits versperrt; er muß als »Geist« durch die Stadt seiner Erfolge irren. Damit beginnt die Jagd nach dem Schuhkarton. Axel steht Bum bei, obwohl ihn dieser so schäbig behandelt hat. Der Herzensgute ist hier Axel, der durchtriebene Ganove.
~~~ Daß Lothar außerdem singen konnte, bewies er unter anderem als Christian Buddenbrock in einer Verfilmung des bekannten Romans von Thomas Mann. Lothar liebte Frauen, Fußball, Boxen, Alkohol. 1967 ereilte ihn bei Bühnenproben in Hamburg eine Nierenkolik, an der er starb. Er war knapp 38. Seine dritte Gattin Gabriele, um 23, soll gerade auf Reisen gewesen sein. An ihre Vermögenslage, im Gegensatz zu einer vietnamesischen Reisanbauerin, wage ich gar nicht zu denken, sonst wird der Artikel zu lang.
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