Dienstag, 8. November 2022
Gefährliche TÜV-Prüfung
ziegen, 14:49h
Ein verworfenes Buchmanuskript dreht sich um Heinz Schlacken-dörfer, geboren 1925, während der 1960er Jahre Privatdetektiv und bald auch Deutschrocksänger im nordhessischen Städtchen Karlskirchen. Daraus rette ich in dieser Rubrik drei Fälle, die ich allerdings gekürzt habe. Mittelgroß, steckt Schlackendörfer, ein dunkler Krauskopf mit knuffiger Nase, meist in einer olivgrünen Grobcordhose, die bereits starke Beulen schlägt. Der folgende Fall zieht ihn aus einem Stimmungstief.
… Als ihm eine Frauenstimme erklärte, er spräche mit Maria Schneider aus Bad Wildungen, klingelte bereits das erste Alarmglöckchen in dem Privatdetektiv. Wieviele Maria Schneiders mochte es allein in Nordhessen geben? Hunderte, schätzte er.
»Na prima«, sagte Schlackendörfer in seinen Telefonhörer. »Womit kann ich Ihnen dienen, Frau Schneider?«
»Der Doppelmordfall Bühnke ist ja wohl noch immer nicht aufgeklärt, nach drei Jahren noch nicht«, erwiderte sie. Es klang etwas vorwurfsvoll, wenn ihm auch ihre ein wenig rauhe, möglicherweise auf fränkischen oder böhmischen Höhen gewachsene Stimme durchaus gefiel. »Ich hoffe, Sie sind über den Fall im Bilde?« fügte sie hinzu.
Die Vesseler Krankenschwester Elvira Bühnke, damals Ende 20, war vor drei Jahren mitsamt ihrem achtjährigen unehelichen Sohn Clemens durch Zufall auf einem Campingplatz in Holstein ausgegraben worden. Beide Leichen waren schon recht verwest. Jemand hatte die Bühnkes offensichtlich rund zwei Monate früher erschlagen und erdrosselt.
»Das schon, Frau Schneider. Aber wenn Sie sich beschweren wollen, müßten Sie sich eher an den Vesseler Staatsanwalt wenden, nicht an mich. Ich hatte mit den Ermittlungen nicht das geringste zu tun.«
»Ich will mich nicht beschweren. Ich will, daß Sie den Fall wieder ins Rollen bringen. Ich hätte nämlich einen gewichtigen Hinweis, der zum Täter führen könnte.«
»Ich? Warum denn das? Ich bin nur ein kleiner Privatdetektiv aus dem Nest Karlskirchen. Gehen Sie zur Vesseler Polizei. Wie sind Sie überhaupt auf mich gekommen?«
Es stellte sich heraus, Frau Schneider war auf die Vesseler Polizei nicht gut zu sprechen. Die Gründe verriet sie aber Schlackendörfer nicht. Sie habe bis zum vergangenen Jahr im Vesseler Stadtkrankenhaus gearbeitet, wo ja auch die Ermordete tätig gewesen sei, und sie habe auch in Vessel gewohnt. Ihn habe sie einmal im Vesseler Landgericht bei einem kurzen Zeugenauftritt erlebt.
»Das hat mir imponiert«, fuhr Frau Schneider zur Freude seiner Eitelkeit fort. »Ihre uneingeschüchterte, gleichwohl etwas schläfrig wirkende Art, wissen Sie? Sie sind ja fast wie ein Preisringer zur Zeugenbank getappt. Aber Sie haben den Saal nicht zertrümmert; Sie haben mit einem schlagfertigen, trockenen Witz aufgewartet.«
Jetzt mußte sich Schlackendörfer doch ein Kichern verkneifen. Er dankte Frau Schneider für die Komplimente und hakte nach: »Um was für einen Hinweis auf den möglichen Täter handelt es sich denn, Frau Schneider?«
»Na hören Sie mal!« prustete sie. »Das erzähle ich doch nicht am Telefon! Schließlich sitzt hier in jeder zweiten Leitung ein Spion, vor allem bei Privatdetektiven, nehme ich an.«
Schlackendörfer schmunzelte. »Ihr Mißtrauen ist nicht völlig abwegig, Frau Schneider. Sie sagten, Sie wohnen in Bad Wildungen? Und sie arbeiten dort als Krankenschwester?«
»Nicht ganz. Ich bin Oberärztin in der Kurklinik.«
Er hinderte sich daran, durch die Zähne zu pfeifen. Er schlug der Anruferin vor, sich zu Hause aufsuchen zu lassen. Wann es ihr passe? Sie erwiderte:
»Können Sie morgen vormittag? Ich habe frei. Selbstverständlich honoriere ich Sie für Ihre Mühe, also auch schon für den Antrittsbesuch. Liege ich mit meiner Vermutung richtig, wird ohnehin die Belohnung fällig, die die Vesseler Staatsanwaltschaft ausgesetzt hat. Immerhin 12.000 DM, falls Sie es nicht wissen. Wie wir die aufteilen, können wir uns noch überlegen.«
Jetzt mußte er wirklich kichern. Dann erklärte er sich mit dem Termin einverstanden und ließ sich die Adresse geben.
Schlackendörfer grübelte eine Weile, dann wählte er die Nummer von Fenchels Büro. Er war da. Sie spielten beide bei den »Alten Herren« des 1. FC Karlskirchen. Während Fenchel, ein ziemlich dürrer, wenn auch biegsamer Lulatsch, zwischen den Pfosten stand, mußte Schlacken-dörfer vorn in der Mitte den »Sturmtank«, oder, mehr zurückgezogen, den »Vorbrecher« gegen die feindlichen Angriffswellen geben. Sie hatten sich auf der Vesseler Polizeischule miteinander angefreundet, und später, als Schlackendörfer bereits seinen Hut genommen hatte, nutzte Fenchel die Chance, bei der Karlskirchener Kripo einzusteigen. Inzwischen war er Kriminalkommissar. Sicherlich stank ihm im Staatsdienst vieles, aber inzwischen hatte er dummerweise eine Familie gegründet.
Der Kommissar konnte sich ziemlich gut an den Fall Bühnke erinnern, weil er im Rahmen der Amtshilfe sogar streckenweise damit befaßt gewesen war. Peinlicherweise habe man damals noch nicht einmal einen dringend Verdächtigen auf die Liste bekommen. Man zog nur Nieten. Der Campingplatz in Holstein war zur Tatzeit nahezu verwaist gewesen; örtliche Zeugen sprachen lediglich verschwommen von einem Paar mit Sohn. Schon die Körpergröße fiel bei jedem Zeugen anders aus. Ein zufälliger Raubmord war nicht völlig auszuschließen, da an der Frauenleiche jeglicher Schmuck fehlte. Das Zelt blieb unauffindbar. In Vessel hatte die als »anständig« und »eher schüchtern« geschilderte zierliche Brünette mit ihrem Sprößling in einem Mehrfamilienhaus unweit des Fuldahafens gewohnt. Nach Aussagen von zwei oder drei Hausbewohnern erhielt sie dort wohl zumindest gelegentlich Männerbesuch, doch dieser muß sich sehr bedeckt gehalten haben. Es gab weder übereinstimmende noch sonst brauchbare Beschreibungen. Im Krankenhaus war nichts von Sorgen oder gar Feinden der Kollegin bekannt. Abgeholt wurde sie nie. Sie hatte einen eigenen Wagen – »einen alten Käfer, ungefähr so wie du«, hatte Fenchel genüßlich erläutert. Zuletzt kündigte sie jedoch ihre Stelle im Krankenhaus und tischte dort und ihrer ausschließlich in Süddeutschland lebenden Verwandtschaft gegenüber freudestrahlend eine für manche etwas fadenscheinig klingende Geschichte auf. Sie werde einen Brieffreund namens Stegmüller heiraten, einen gebürtigen Rheinhessen, und diesem nach Südafrika folgen. Tatsächlich meldete sie auch ihren Sohn in der Schule ab und löste die gemeinsame Wohnung auf. Als es soweit war, fuhr sie aber offensichtlich, wie sich später zeigte, nicht zur Eheschließung nach Frankfurt/Main, sondern umgekehrt in dem einen oder anderen Pkw – auch das blieb ungeklärt – gen Holstein, also nach Norden. Möglicherweise sogar in Begleitung ihres Mörders. Man wisse es nicht.
Schlackendörfer dankte seinem Freund für die Auskünfte. Verständlicherweise erkundigte sich dieser im Gegenzug, warum ihn der Fall interessiere. Dazu zog Schlackendörfer eine undeutliche Aussage vor, obwohl sie sich beinahe blind vertrauten, nicht nur auf dem Fußballplatz. Er habe unter Umständen einen Fingerzeig bekommen, der den Fall in neues Licht tauche. Er bitte um Geduld. Er wollte Fenchel vorerst nicht unnötig in Gewissenskonflikte bringen.
2
Schlackendörfer verzichtete darauf, seine Verblüffung zu verbergen. »Meine Herren«, sagte er zu der blonden Frau, die ihm öffnete, »sind hier alle Oberärztinnen so jung ..?«
Frau Schneider beschränkte sich auf ein spöttisches Lächeln. Sie ließ sich seinen feuchten Hut geben und wies zum Wohnzimmer, wie sich zeigte. »Treten Sie näher, Herr Schlackendörfer. Möchten Sie frischen Kaffee ..? Gut, ich hole ihn.«
Er schätzte sie auf Anfang 30. Sie war nicht viel kleiner als er. Und blond war sie wirklich: kurze, kräftige Fransen um ein angenehmes Gesicht. Aber von Monikas Üppigkeit war sie weit entfernt. Vielleicht machte sie täglich Yoga. Mit einem wogenden Busen konnte sie also nicht dienen. Dafür hätte man in ihren Sitzmöbeln den DLRG-Leistungsschein für Rettungsschwimmer just wie auf hoher See machen können. Ihr dünner Hausanzug wirkte ähnlich flauschig. Sie bewegte sich völlig ungeziert, auch geschminkt war sie nicht. Ihr Wohnzimmer ging nach hinten hinaus, auf einen hübschen, leicht verwilderten Garten. Sie wohnte im Erdgeschoß einer mehrstöckigen Jugendstilvilla, die unweit vom Kurpark in einer stillen Seitenstraße lag. Schlackendörfer hatte seinen schäbigen Käfer wohlweis-lich ein paar Häuser weiter geparkt. Daher sein april-feuchter Hut, denn es regnete schon seit ungefähr Fritzlar. Das war zu seinem Zahnweh noch hinzugekommen.
Frau Schneider kam rasch zur Sache. Sie habe sich kürzlich mit ihrem Wagen beim Korbacher TÜV vorstellen müssen, und dabei sei es ihr plötzlich wieder eingefallen. Die ermordete Elvira Bühnke sei ja in Vessel eine Arbeitskollegin von ihr gewesen, wenn auch nicht auf derselben Station. Aber sie benutzten denselben Parkplatz; Schneider kannte also Bühnkes Wagen. Die Krankenschwester habe einen gebrauchten Käfer gefahren, »einen stahblauen, fast grau«. Das deckte sich nebenbei, wie Schlackendörfer bemerkte, mit Frau Schneiders kecken Augen, die ihn schon mehrmals, fast bohrend, gemustert hatten. Und einmal, fuhr die Ärztin fort, hatte sie zufällig durch ein geöffnetes Flurfenster mitbekommen, wie Bühnke vergeblich versuchte, ihren Käfer, nach Dienstschluß, in Bewegung zu setzen. Er sei nicht angesprungen. Deshalb habe sie der Schwester durch das Fenster vorgeschlagen, sich an den Hausmeister des Krankenhauses zu wenden, vielleicht könne ihr der Mann helfen. Bühnke habe daraufhin jedoch mit einem etwas krampfhaften Lächeln, das wohl sorglos wirken sollte, abgewunken und erwidert: »Danke sehr, Frau Schneider, aber das ist nicht nötig. Ich rufe einfach einen guten Freund von mir an, der ist Ingenieur, wissen Sie, sogar beim TÜV ..!« Frau Schneider legte eine Kunstpause ein, bevor sie vollendete: »Kaum hatte sie das herausgekräht, hätte man fast glauben können, sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Damals dachte ich mir dabei allerdings nichts. Ich nickte vielmehr nur beruhigt und wandte mich wieder meiner Arbeit zu.«
Schlackendörfer kraulte seinen aufsässigen Backenzahn und wog sein Haupt, woraus nicht gerade Begeisterung sprach. »Das ist alles ..?«
»Ja«, erwiderte sie trotzig, »das ist alles. Aber überlegen Sie einmal. Die Frau hat sich nie mit Männern blicken lassen und hielt ihr Privatleben im Kollegenkreis bedeckt wie einen Vogelbauer für eine Eule, die am Tage schlafen muß. Da ist es doch gut möglich, daß der TÜV-Kerl keine reine Erfindung war. Oder finden Sie nicht?«
Schlackendörfer hob nur leicht die Schultern. Dann hakte er nach: »Und was geschah? Kam der Kerl, um ihren Käfer flott zu machen?«
»Sehr unwahrscheinlich. Als ich selber Feierabend machte, stand ihr Käfer immer noch da. Ich nehme an, sie war mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Oder zu dem Kerl … Am nächsten Tag hatte ich frei, und später fuhr ihr Käfer wieder.«
Schlackendörfer nickte und dachte eine Weile nach, während er sich dankbar Kaffee nachschenken ließ und beim Schlürfen in den Garten blinzelte. Maria Schneiders etwas kehlige dunkle Stimme vollendete sich zwischen schönen, roten und vollen Lippen, und auch ihr Kaffee war erfreulich kräftig, das mußte er ihr lassen. Ob ihr jedoch zu trauen war?
»Ich nehme an, Sie und andere MitarbeiterInnen sind damals von Polizeibeamten befragt worden, Frau Schneider ..?«
»Pah!« machte sie verächtlich. »Befragt? So ein Hüne mit Bierbauch, ich glaube, er hieß Leder oder so ähnlich, hat sich mir gegenüber Anzüglichkeiten erlaubt! Ich hätte ihm am liebsten eine geknallt.«
»Ach!« sagte Schlackendörfer zwinkernd. »Kuno Lederer? Den kennen wir sogar in Karlskirchen. Ein Arschloch.«
»Na sehen Sie!« zwinkerte sie mit Genugtuung zurück.
»Und dem Arschloch haben Sie die Geschichte mit dem TÜV-Kerl nicht erzählt ..?«
»Quatsch!« knurrte sie wie umgewandelt mit blitzenden Augen. »Die war mir doch gar nicht gegenwärtig! Sie ist mir erst beim Korbacher TÜV wieder eingefallen, wie ich Ihnen bereits erklärte.«
»Verstehe«, hob Schlackendörfer beschwichtigend seine gespreizten Hände. »Dann spricht eigentlich nichts dagegen, daß ich der Sache einmal nachgehe. Ich müßte Ihnen für jeden vollen Arbeitstag 50 Mark abknöpfen, Frau Schneider, zuzüglich Spesen, etwa Benzin oder Imbiß. Selbstverständlich würde ich so zügig wie möglich arbeiten. Ich könnte schon morgen beginnen, weil ich derzeit ohnehin nicht sonderlich viel zu tun habe. Es wäre natürlich zu hoffen, jener Kerl, falls vorhanden, ist beim Vesseler TÜV aufzutreiben, und nicht etwa beim TÜV von Korbach oder Wiesbaden. Dann wird es teuer für Sie.«
Sie lächelte und winkte ab, ohne auf diese Einzelheiten einzugehen. Vermutlich kam es ihr auf ein paar Mark nicht an. Sie nötigte ihm im Gegenteil gleich einen Vorschuß von 150 Mark auf, was er sich gar nicht so ungern gefallen ließ. Mit der Quittung, die er ihr ausstellte, betrachteten sie ihr Vertragsverhältnis hinreichend als besiegelt. Jetzt mußte Schlackendörfer nur noch heil und einigermaßen schicklich aus seinem wabernden Sitzmöbel kommen. Dazu gehörten natürlich auch unverzerrte Gesichtszüge, obwohl das Klopfen in seiner Wange wieder heftiger geworden war.
Schlackendörfer hatte bereits seinen Hut entgegen genommen und ging zur Wohnungstür. Da wandte er sich noch einmal um.
»Nach meinen Erkundigungen sind Sie mit einem Wildunger Zahnarzt verheiratet, Frau Schneider, wenn Sie auch offensichtlich nicht mit ihm in dieser schönen Gartenwohnung zusammenleben ..?«
Prompt verschwand das wohlmeinende Abschiedslächeln aus ihrem Gesicht. »Habe ich richtig gehört? Nach Ihren Erkundigungen? Sie spionieren Ihren potentiellen Kunden nach ..?«
Schlackendörfer beschwichtigte erneut mit Hilfe seiner ausgebreiteten Hände. »Was bleibt mir anderes übrig, Frau Schneider? Ich kenne Sie ja nicht. Sie können mir eine Falle stellen, und schon liege ich mausetot in Ihrem Vorratskeller … Ist er also Zahnarzt oder nicht?«
Sie bejahte es, schon halb versöhnt und leicht belustigt. Darauf erklärte er ihr die Sache mit seinem Backenzahn. Die drei Karlskirchener Zahnärzte seien leider erfahrungsgemäß ständig überlaufen. Ob sie vielleicht ein gutes Wort für ihn einlegen könne, damit ihr Mann ihn umgehend einschiebe und von seinen Qualen erlöse? Dabei nickte er auf ihr Telefon, das im Flur auf einer kleinen Kommode aus Nußbaum stand.
Sie dachte nicht lange nach, sprach mit einer Sprechstundenhilfe und beschrieb ihrem Besucher den Weg. Er dankte ihr beinahe überschwenglich und fragte sich in der Türöffnung, ob er ihr vielleicht zum Abschied die Hand geben sollte. Aber das sind alles Ärzte, sagte er sich sofort, die hüten sich vor jeder überflüssigen Infektionsgefahr.
Plötzlich traf ihn fast der Schlag. Maria Schneider hatte sich jäh an ihn geschmiegt und schien ihn mit einem Urwaldriesen zu verwechseln, dem es noch an einer Liane ermangele. Dann küßte sie ihn auch noch mitten auf den Mund! Schließlich flüsterte sie dicht an seinem Ohr: »Ich werde dafür beten, daß Rudolf Sie nicht ermordet. Es wäre zu schade um Sie.«
Damit stieß sie sich ähnlich überraschend wieder ab und schloß die Wohnungstür hinter ihm.
3
Die kriminalistischen Rätsel seines neuen Falls hatte Schlackendörfer während seiner Heimfahrt einstweilen beiseite geschoben. Er wollte erst einmal sehen, wie sich die Zahnwunde machte, eine Dusche und einen Imbiß nehmen und ein kleines Mittagsschläfchen halten. Gegen 16 Uhr erklärte er seine Lage für zufriedenstellend und fing mit ernsthaften Überlegungen an. Dazu setzte er sich an seinen Schreibtisch und säbelte sogar an einem Bleistift herum, auf daß er spitzer werde, für Notizen oder Skizzen.
Nach 10 Minuten stieß Schlackendörfer den Bleistift triumphierend in den ledernen Knobelbecher, in dem auch sein Füllfederhalter stak, ohne auch nur ein Komma zu Papier gebracht zu haben. Dadurch brach die neue Spitze übrigens wieder ab. Er angelte sich seinen Telefonapparat vom Teppich und wählte Fenchels Dienstnummer. Er hatte Glück: Fenchel war da und räumte ihm etwas Sprechzeit ein. Schlackendörfer kam gleich zur Sache:
»Nach dem Tip, den ich erwähnte, hatte sich die Krankenschwester Elvira Bühnke einmal verplappert und von einem 'guten Freund' gesprochen, der Ingenieur beim TÜV sei. Hoffen wir, sie meinte den TÜV in Vessel. Haben wir Glück, war dieser Bursche nämlich ihr Mörder. Gewiß steht zu fürchten, beim Vesseler TÜV laufen Dutzende von Prüfern oder Sachverständigen herum, die ein Ingenieur-Studium vorweisen können. Sie stürzen sich ja auch auf Waschmaschinen oder Rollstühle, nicht nur auf Kraftfahrzeuge. Der Kandidatenkreis läßt sich jedoch verkleinern, wenn man sich mit dem bekannten Privatdetektiv Heinz Schlackendörfer fragt, warum diese Thusnelda eigentlich so sehr darauf bedacht war, die mutmaßliche Liebschaft zu diesem Kerl zu verheimlichen? Ich will dir die Antwort verraten: Weil sie ein anständiges deutsches Mädel ist, das es sich nicht leisten kann, ihr Verhältnis mit einem verheirateten Mann einzugestehen. Das dürfte der Grund sein. Ergo müssen wir uns lediglich nach den verheirateten, vielleicht auch geschiedenen Vesseler TÜV-Ingenieuren aus der Tatzeit erkundigen. Kannst du mir folgen?«
»Was heißt hier wir ..?« knurrte Fenchel, der es schon ahnte.
»Richtig. Mir werden sie die gewünschte Liste bestimmt nicht überreichen. Aber dir. Du erfindest einen Vorwand, etwa 'möglicherweise wichtiger Zeuge in einem aktuellen Raubmordfall', und läßt dir die Namen, Dienstzeiten und Privatanschriften der Personen geben, die ich dann in Augenschein zu nehmen hätte. Sie haben da Früh- und Spätschichten, das fand ich bereits heraus. Stellen sich bei meinen auf diese Liste gestützten Nachforschungen weitere Indizien ein, marschiere ich sofort zur Vesseler Staatsanwaltschaft. Bist du freundlicherweise einverstanden?«
Fenchel zögerte. Er wußte, Schlackendörfer neigte zu Eigenmächtigkeiten und Abenteuern und hatte sich schon mehr als einmal damit in die Nesseln gesetzt. Andererseits war auch klar wie Kloßbrüh, daß die Vesseler Kripo völlig überlastet war und den Fall Bühnke niemals auf nebelhafte Verdachtsmomente hin von sich aus wieder aufrollen würde. Ihm selber, Fenchel, konnten wohl schwerlich Unannehmlichkeiten entstehen. Schlackendörfer würde ihn selbst dann noch eisern decken, wenn nur noch ein Torpfosten stand. So ließ sich Fenchel zu der illegalen Schützenhilfe breitschlagen.
»Könntest du dich schon morgen vormittag freimachen?«
Das bejahte der Kriminalkommissar. Er habe mindestens noch 30 Überstunden gut, außerdem sowieso eine Akteneinsicht beim Vesseler Landgericht geplant. Das könne man ja verbinden. Schlackendörfer müsse ihn allerdings fahren, in seinem privaten Käfer.
»Selbstverständlich! Nur: wie kommst du zurück? Sobald wir die Liste haben, gedenke ich nämlich mit den Nachforschungen loszulegen.«
»Na, Mensch«, knurrte Fenchel, »mit der Eisenbahn natürlich. Meinst du, sie hätten die Bahnstrecke von Vessel nach Karlskirchen und Bad Wildungen nur zur Belustigung der am Bahndamm wohnenden Eichhörnchen oder Eichelhäher gebaut?«
»Verstehe!« sagte Schlackendörfer beschwichtigend. Er kannte die Abneigung seines Freundes gegen den motorisierten Individualverkehr. »Selbstverständlich geht deine Fahrkarte zu meinen Lasten. Ich habe bereits ein Spesenkonto eröffnet.«
Sie vereinbarten, Schlackendörfer werde Fenchel gegen neun zu Hause abholen, und beendeten das Gespräch.
Für Fenchel waren die Autos der Schrecken der Eich-hörnchen und Eichelhäher. Freilich waren sie auch der Schrecken der rund 14.000 jährlichen Straßenverkehrs-toten allein in Westdeutschland, von den Krüppeln und Traumatisierten einmal zu schweigen – nur stellte sich dieser Schrecken in der Regel zu spät ein, dann hatten sich die Leute schon totgefahren. Fenchel selber nahm, als Privatmann, auch in Karlskirchen überwiegend sein Fahrrad, gelegentlich die Straßenbahn, soweit er nicht sowieso zu Fuß ging. Die Karlskirchener Straßenbahn hatte lediglich eine eingleisige Linie; sie fuhr auf der Vesseler/Korbacher Straße hin und her. Aber auch diese eine würde, so glaubte Fenchel, früher oder später dem allgemeinen Mobilitätswahn zum Opfer fallen, und selbst die erwähnte Eisenbahnstrecke nach Vessel und Bad Wildungen stehe bereits mit einem Bein im Grab. Was Wunder, Schlackendörfer hatte sie ja am Vormittag ebenfalls verschmäht.
Übrigens hielt sich Fenchel für einen Sozialisten. Allerdings war es Schlackendörfer nie gelungen herauszubekommen, wie sich sein Busenfreund einen Sozialismus in einer Massengesellschaft, die im wesentlichen aus zigmillionen Kraftfahrzeugen, Fernsehgeräten und Knallköppen bestand, eigentlich vorstellte. Schlackendörfer lag also eher auf der Linie des Apothekers, in dessen stattlichem Eckhaus am Obermarkt der Detektiv im Mansardendachgeschoß wohnte, und der Wildunger Oberärztin, die einen hübschen verglasten Bücherschrank besaß, Eiche furniert … Er war massenscheuer Skeptiker. Jetzt hätte er, im Gegensatz dazu, an Monika denken können, die sich gegenwärtig auf einer Fortbildung in Niedersachsen befand, aber das unterließ er lieber. Stattdessen fiel ihm Eisler ein.
Hanns Eisler war erst im vergangenen Herbst gestorben, in Ostberlin, und die Meldungen von seinem Tod hatten vorübergehend zu einer kleinen Verstimmung zwischen Schlackendörfer und Fenchel geführt. Schlackendörfer schätzte Eisler durchaus, jedenfalls in dessen Eigenschaft als Komponist. Etliche Lieder von ihm konnte er auswendig. Kürzlich hatte ihm einer sogar eine Platte mit Eislers letztem großen Werk besorgt, den eindringlichen Ernsten Gesängen – überragend. Doch in politischer Hinsicht war der kleine rundliche Mann weitgehend linientreu gewesen, und als die Ulbricht-Leute im Sommer 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer begannen, hatte er auch diese »Maßnahme« gegen »Republikflucht« und »Menschenhandel« verteidigt, sogar als erklärte Antwort auf einen Offenen Brief, in dem sich westdeutsche SchriftstellerInnen kritisch geäußert hatten. Darauf war er nun im Gespräch mit Fenchel zurückgekommen. Fenchel ergriff dabei Eislers Partei, obwohl er sich den Sozialismus wahrscheinlich anders vorstellte, als ihn die Ulbricht-Leute – sozusagen der DDR-TÜV – zuließen. Schlackendörfer wurde beinahe zornig. Aber gegen Fenchels starrköpfige Verteidigung fruchtete selbst Schlackendörfers Rückgriff auf seine kurze Zeit in einer Vesseler »Kommune« nichts. Damals hatte er gelernt, drei Züge seien für solche Projekte unerläßlich: Freiwilligkeit in allen Dingen, Vertrauen in allen Dingen und folglich Offenheit in allen Dingen. Sobald sich in einer libertären Gemeinschaft Zwang und Mißtrauen ausbreiteten, könne man sie vergessen, predigten damals die Gurus vom SDS. Was aber geschah in der Gänsefüßchen-Republik, der »DDR«? Der Ulbricht-TÜV mißtraute dem Volk, und das Volk mißtraute dem Ulbricht-TÜV. Man war in einer Republik des Spionierens eingesperrt, und wen kann es wundern, wenn das auch ein günstiger Nährboden für die Wühlmäuse war, die die John McCones (CIA-Chef), Adenauers und Schumachers östlich der Werra aussetzten.
Schlackendörfer fluchte, weil das Telefon klingelte. Es war schon nach 22 Uhr. Vermutlich Monika.
4
Erfreulicherweise blieb Schlackendörfers Hut am nächsten Tage, in Vessel, trocken. Sogar die Sonne kam ein wenig hervor. Die Liste, die Fenchel besorgt hatte, umfaßte acht Männer und erstaunlicherweise auch eine Frau. Die ersparte er sich einstweilen, weil Bühnke nirgends als lesbisch bezeichnet worden war. Fünf von den männlichen Ingenieuren hatten in dieser Woche Spätschicht. Als er gegen 11 damit anfing, sie mit seinem Besuch zu überraschen, traf er allerdings nur drei von ihnen an. Das war Pech, aber eine andere Vorgehensweise kam schließlich kaum in Frage. Er konnte nur auf Überrumpelung setzen. Somit würde er unter Umständen genötigt sein, anderntags erneut nach Vessel zu fahren.
Seine Methode im engeren Sinne war so primitiv wie alles Geniale. Sobald ihm der betreffende Kandidat, womöglich von seiner Gattin gerufen, in der Wohnungstür mehr oder weniger stirnrunzelnd gegenüberstand, sagte Schlackendörfer den immerselben kurzen Spruch auf: »Guten Tag, Herr Soundso, darf ich Ihnen einen schönen Gruß von Elvira Bühnke ausrichten ..?«
Auf eine Vorstellung verzichtete er. In der Regel verstärkte sich daraufhin das Stirnrunzeln der Kandidaten, ohne daß ihnen eine Verstörung oder gar ein Erschecken anzusehen war. Dann brummten sie etwas wie, dem Herrn müsse wohl eine Verwechslung unterlaufen sein; sie wüßten nichts von einer Dame dieses Namens; wer er überhaupt sei ..? Darauf bat Schlackendörfer beflissen stammelnd um Entschuldigung und trollte sich wieder. Wie sich versteht, parkte er seinen olivgrünen Käfer (daher die Cordhose, oder umgekehrt) nie in Sichtweite des betreffenden Hauses. Das beschriebene Muster hatte sich in allen drei Vormittagsfällen abgerollt, leider. Er konnte sich also über drei Nieten und zwei Abwesenheiten ärgern, während er in einer Pizzeria unweit des Landgerichts zu Mittag aß.
Auch der erste Kandidat von den Frühschichtlern erwies sich als Niete. Der zweite wohnte im Vesseler Osten in einem modernen Dreifamilienhaus mit dem üblichen, durch Hundehaufen garnierten Kurzgeschorenen vor den Kellerfenstern im mittleren Geschoß. Am Bordstein parkten ein paar hübsche Autos, darunter ein stattlicher weinrot lackierter Opel Kapitän P 2,6, den er im Vorübergehen mit einem gewissen Schmunzeln musterte, weil ihn die Lackierung dieser 90 PS starken Limousine an das Weinrot der Weltanschauung erinnerte, die Fenchel vertrat. Der Mieter im mittleren Geschoß hieß Bechthold. Als Herr Bechthold öffnete, drückte sich im Hintergrund eine Frau an der Badezimmertür herum, wohl seine Gattin. Schlackendörfer schätzte den schmächtigen Mann aufgrund seines schütteren Kopfhaars auf ungefähr 50. Er wirkte unscheinbar und bieder. Als Schlackendörfer jedoch seinen Spruch aufgesagt hatte, blieb ihm, dem Privatdetektiv, fast die Spucke weg. In Bechtholds blauen Augen hatte es unzweifelhaft Alarm geflackert. Und die Frau an der Badezimmertür hatte sich, mit geweiteten Augen, unwillkürlich ans Kinn gefaßt.
Selbstverständlich ließen sich beide Herren weiter nichts anmerken. Bechthold grummelte lediglich, der junge Mann müsse sich geirrt haben, und machte ihm die Tür vor der Nase zu.
Schlackendörfer stieg frohlockend die Treppe hinunter. Gewiß hatte die gewählte Taktik den Nachteil, den Täter, falls man ihn aufspürte, zu warnen. Dagegen war jedoch nichts zu machen, und es war wohl auch kein großes Unglück. Alle greifbaren Spuren des drei Jahre zurückliegenden Mordes dürfte der Ingenieur ja ohnehin längst beseitigt haben, und falls er jetzt fliehen sollte, hatte man doch zumindest seinen Namen. Trotzdem empfahl sich rasches Handeln, sonst brachte er am Ende auch noch seine Gattin oder die beiden halbwüchsigen Töchter um, die er laut Liste hatte. Schlackendörfer nahm sich daher vor, von der nächsten Telefonzelle aus, die er durch die Wagenfenster entdecken würde, Fenchel in seinem Büro anzurufen, um sich wenigstens kurz mit ihm zu beraten. Er hatte seinen Käfer um die Ecke vor einer Grundschule geparkt. Als er die Ecke erreichte, sah er sich natürlich routinegemäß um, wenn auch nicht unbedingt sehr sorgfältig. Niemand folgte ihm. So ging er zum Wagen und fuhr los.
Die gewünschte Telefonzelle stand schon zwei Seiten-straßen weiter vor einer Gaststätte. An der Kneipentür verkündete ein Schild, »Wir machen Osterurlaub vom … bis ..!«, aber die Telefonzelle schien noch in Betrieb zu sein. Sie war auch frei. Während er am gegenüber liegenden Bordstein ausstieg und auf die siebenfach unterteilte seitliche Glaswand der gelblackierten Zelle zuging, kramte er bereits in seiner Anzugjacke nach Kleingeld.
Mitten auf der Straße hielt er plötzlich erschrocken inne – und schimpfte sich fast im selben Atemzug einen Vollidioten. Ein Motor heulte auf, und schon raste jener weinrote Opel Kapitän auf ihn zu, den er vor Bechtholds Haus bewundert hatte.
Bechthold mußte eine enorme Geistesgegenwart besitzen. Nun schien er entschlossen, den lästigen Schnüffler mit dem weichen grauen Hut auf seinen mächtigen Kühlergrill zu nehmen. Schlackendörfer zog es jedoch vor, sich mit Hechtsprung hinter die einzige Deckung zu werfen, die in der Nähe war, nämlich die Telefonzelle. Bechthold riß das Steuer herum, erwischt aber nicht den Schnüffler auf dem Rasen, sondern streifte nur die Seitenwand der Telefon-zelle, die daraufhin zerbarst.
Als sich Schlackendörfer wieder aufrappelte und sein Widersacher scharf bremste, um den Kapitän zu wenden und einen neuen Anlauf zu nehmen, lagen bereits etliche Leute in den umliegenden Fenstern und gaben zum Teil spitze Schreie von sich. Der weinrote Panzer brauste schon wieder heran, während Schlackendörfer auf seinem Rasen noch in gebückter Haltung in seine Achselhöhle griff. Dieser Bechthold mußte von Sinnen sein! Schlackendörfer hatte sich bei dem Hechtsprung lediglich ein Knie an einem eisernen Begrenzungsband zerschunden; seine Arme dagegen waren noch unbeschädigt. So zog er seine unangemeldete Pistole und zerfetzte dem Kapitän den zur Straßenmitte zeigenden Vorderreifen. Darauf brach der Wagen aus und knallte vor eine dickere Linde, die auf der anderen Straßenseite stand. Es folgten Explosionen und Flammen, was der Linde womöglich noch schlechter bekam.
Erfreulicherweise hatte irgendein Bürger die Polizei alarmiert. Schlackendörfer hörte bereits die Sirenen, während er zu seinem Käfer humpelte, um einmal nachzusehen, ob er eigentlich den vorgeschriebenen Feuerlöscher an Bord hatte. Doch bald nach der Polizei trafen auch Krankenwagen und Feuerwehr ein. Die Linde konnte gerettet werden, während für Bechthold leider jede Hilfe zu spät kam. Die Polizei bestellte einen Leichenwagen. Dann ließ sie sich Schlackendörfers Pistole aushändigen und bat ihn selber darum, sie aufs Revier zu begleiten. Dem gab er, als der Klügere, natürlich nach.
5
Als Frau Bechthold, schwer geschockt, wieder vernehmungsfähig war, gab sie ziemlich rasch zu, von ihrer Konkurrentin Bühnke und deren gewaltsamen Ende gewußt zu haben. Offenbar hatte sie ihren etwas blaß wirkenden Gatten, warum auch immer, um jeden Preis halten wollen. Der Bühnke galt ihr ganzer Haß. Die Bühnke hatte ihren Mann verhext. Er war unschuldig. Bühnke setzte ihm zunehmend mit erschlichenen Schwangerschaften, angefangen mit Clemens, sowie der Forderung nach einem neuen gemeinsamen Leben zu, notfalls im Ausland. So erfanden die beiden die Sache mit dem Südafrikaner Stegmüller, planten jenes neue Leben jedoch für Skandinavien, wo sich Bechthold etwas auskannte. Er hatte sich von der Bühnke »belatschern« lassen. So stellte es jedenfalls seine Frau dar. Ob Herr Bechthold tatsächlich bereit gewesen war, seine Gattin zu verlassen oder vielmehr beabsichtigte, Bühnke, mit ihr gen Norden unterwegs, aus dem Verkehr zu ziehen, war kaum zu ermessen. Möglicherweise löste ein Streit einen Totschlag aus. Im anderen Fall kam Bechtholds Frau sogar als Mordbeihelferin in Betracht. Das wäre allerdings niemals nachweisbar gewesen. Deshalb blieb sie von Haft verschont.
Nicht nur Frau Bechthold, auch Schlackendörfer hatte durch das Vesseler »Road Movie« mit dem weinroten Opel Kapitän eine ziemlich große Presse. Es war wie immer. Die einen Kommentatoren fanden Schlackendörfers eigenmächtigen Vorstoß mutig und löblich, die anderen leichtsinnig und verwerflich. Die Staatsorgane neigten eher der zweiten Wertung zu. Sie rügten den Karlskirchener Privatdetektiv und bestraften ihn, durch Gerichtsbeschluß, mit einem halbjährlichen Berufsverbot. Seine nicht durch Waffenschein legitimierte Pistole wurde einbehalten. In dieser Hinsicht drückte man ein Auge zu. Schlackendörfer seinerseits verzichtete auf eine Klage, ihm gefälligst den Kaufpreis der klammheimlich erworbenen Waffe zu erstatten. Zum einen besaß er keine Quittung, zum anderen aber ziemlich plötzlich 12.000 Mark. Über sie hatte er freilich noch mit Maria Schneider zu verhandeln, die um Anonymität gebeten hatte. Es war die erwähnte Belohnung von der Vesseler Staatsanwaltschaft.
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