Sonntag, 8. Juli 2012
Not als Tugend
Für Alain war die Chance, aus der Not eine Tugend zu machen, grundsätzlich sehr groß. Jedenfalls schließt sie die aus Beton gegossene Grundplatte meines Häuschens ein.

Weil die mit dem Guß beauftragten Bauarbeiter pfuschten, bekam diese Platte ein leichtes Gefälle zur Südwestecke. Während der Rohbauzeit stand dort öfter eine Lache aus Regenwasser, hatten wir doch die Grundplatte mit einem umlaufenden Sockel versehen und damit zur Wanne gemacht. Vorm Verlegen der rund 30 Zentimeter höher gelegenen Fußbodendielen hatten wir nun das Vergnügen, die tragenden Balken differenziert zu unterfüttern, um dieses unerwünschte Gefälle auszugleichen und die Dielen so in die Waage zu bringen. Andererseits kam mir beim Dielenverlegen noch rechtzeitig die Idee, in der Südwest-ecke – die in meiner Werkstatt liegt – eine Revisions-klappe einzubauen. Immerhin verlaufen von der Küche zum Bad eine Wasserleitung und ein Ablußrohr unter den Dielen. An sie kommt man nicht mehr heran. So konnte ich wenigstens von Zeit zu Zeit nachsehen, ob sie womöglich undicht geworden waren. Und in der Tat! Als ich im zweiten Sommer meines Neubaus den Rest meines Brennholzvorrates beiseite schob und die Revisionsklappe öffnete, machte ich ein langes Gesicht, weil in der Mulde rund ein Zentimeter Wasser stand.

Ich sah mich schon meinen Ofen abschlagen und die dortigen Dielen entfernen, unter denen die Rohre verlaufen. Gregor vertrat allerdings die Theorie, an den Dämmplatten in meinen Hauswänden (Näheres siehe im ABC-Kapitel Kühlhaus) habe sich im Laufe des Winters Schwitzwasser gebildet. Er schlug vor, das Wasser mit einem Putztuch aufzunehmen und die Entwicklung zu beobachten. Es wurde tatsächlich weniger – bis ich das nächstemal duschte! Jetzt fluchten wir beide, blieb uns doch nichts anderes übrig, als in meinem beengten Bad die Duschkabine abzuschlagen, um die unter und hinter ihr liegenden Anschlüsse überprüfen zu können. Beim Nachgießen von Wasser erkannten wir schließlich die Quelle des Übels. Wir hatten den Abflußschlauch der Dusche lediglich lose in das breitere senkrechte Abflußrohr gehängt, das mit einbetoniert worden war. Es führt nach einem Knick ins Freie. Beim Nachgießen stieg Wasser in diesem senkrechten Rohr an und lief über. Dieses Wasser rann dann auf der Grundplatte zu der Mulde unter meiner Revisionsklappe, wobei es sich vermutlich um die sorgfältige Aufbockung unserer Dielenbalken schlängelte. Mit der Zeit wären die Holzfüße und Balken verschimmelt und verfault.

Die Ursache des Rückstaus war rasch freigelegt. Ich rannte nach draußen und harkte den Kies weg, den ich als Winterdämmung vor das offene Abflußrohr gehäuft hatte. Allerdings hatte ich die Rohrmündung mit einem arg kleinmaschigen Gitter gegen Nagetiere und Ungeziefer versehen. Genau das war ein Fehler gewesen: das Gitter war schon fast völlig zugesetzt. Ich tauschte es gegen ein weitmaschiges aus.

Ohne das Gefälle der Grundplatte im Haus – den „Pfusch“ der Betonierer also und die dadurch angeregte Revisions-klappe – wäre ich womöglich bis heute nicht argwöhnisch geworden. Das Wasser beleckte vielleicht schon die Dielen. Meinen Rheumatismus hätte ich falscher Ernährungsweise oder dem Ausbleiben des „Klimawandels“ angekreidet.
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