Donnerstag, 5. Juli 2012
Großer Pichelsteiner
ziegen, 00:07h
Er wurde überschätzt – und zur Goldgrube für ein paar VerlegerInnen und VerfilmerInnen und Scharen von Exe-geten wie so manche vor und nach ihm.
In seinem vierbändigen Hauptwerk Jahrestage (1970–83) mußte der ehrgeizige Schriftsteller Uwe Johnson scheitern, weil er in zu vielen Hinsichten aufs Ganze gegangen war. Er bemüht sich nicht nur alles anzuführen, was seiner Heldin Gesine Cresspahl – ob aktuell oder lediglich erinnernd – binnen eines Jahres (1967/68) widerfährt, sondern er streut auch Interviews oder dozierende Befunde und jede Menge Zeitungsnotizen, Zahlen, Listen in seine Meldungen von der täglichen Gemütslage ein. So läßt er etwa nicht einen der Tag für Tag im Vietnamkrieg fallenden Soldaten aus, womit er natürlich genau das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht: statt Aufrüttelung Abstumpfung. Einer wie Johnson will alles, darunter Roman, Dokumentation, Abhandlung, Tagebuch – und macht nichts richtig. Er verhebt sich, weil ihm Musils Integrationskraft fehlt.
Am ehesten gelingen ihm noch die erzählerischen Passa-gen. Darin erinnert sich Gesine Cresspahl ihrer vor allem im Klützer Winkel (Mecklenburg) verbrachten Kindheit. Auf wundersame Weise wendet der körnige Ostseewind in diesen Passagen die Johnsonsche Prosa vom Hölzernen ins Herbe. Auch steht im Mittelpunkt der Erzählung nicht Gesine, die als Geschöpf eines männlichen Autors naturgemäß ziemlich blutleer geraten ist, vielmehr deren Vater Heinrich, ein etwas verschlossener, gleichwohl tapferer Schreiner- und Bürgermeister, der sowohl mit nationalsozialistischen wie sowjetrussischen Kerkern Bekanntschaft macht. Diese Gestalt rührt durchaus an.
Nur liegt das Ärgerliche darin, daß sich der ehrgeizige Autor keine Erzählung gestattet. So führt er seinen fes-selnden Erzählstoff über die Küchenreibe und streut ihn wie alles andere in seinen großen Pichelsteiner ein. Wo er ihn gar in den Dialog Gesines mit ihrem penetrant alt-klugen Töchterchen Marie verlegt, hat so mancher Gast mit Blähungen zu kämpfen.
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In seinem vierbändigen Hauptwerk Jahrestage (1970–83) mußte der ehrgeizige Schriftsteller Uwe Johnson scheitern, weil er in zu vielen Hinsichten aufs Ganze gegangen war. Er bemüht sich nicht nur alles anzuführen, was seiner Heldin Gesine Cresspahl – ob aktuell oder lediglich erinnernd – binnen eines Jahres (1967/68) widerfährt, sondern er streut auch Interviews oder dozierende Befunde und jede Menge Zeitungsnotizen, Zahlen, Listen in seine Meldungen von der täglichen Gemütslage ein. So läßt er etwa nicht einen der Tag für Tag im Vietnamkrieg fallenden Soldaten aus, womit er natürlich genau das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung erreicht: statt Aufrüttelung Abstumpfung. Einer wie Johnson will alles, darunter Roman, Dokumentation, Abhandlung, Tagebuch – und macht nichts richtig. Er verhebt sich, weil ihm Musils Integrationskraft fehlt.
Am ehesten gelingen ihm noch die erzählerischen Passa-gen. Darin erinnert sich Gesine Cresspahl ihrer vor allem im Klützer Winkel (Mecklenburg) verbrachten Kindheit. Auf wundersame Weise wendet der körnige Ostseewind in diesen Passagen die Johnsonsche Prosa vom Hölzernen ins Herbe. Auch steht im Mittelpunkt der Erzählung nicht Gesine, die als Geschöpf eines männlichen Autors naturgemäß ziemlich blutleer geraten ist, vielmehr deren Vater Heinrich, ein etwas verschlossener, gleichwohl tapferer Schreiner- und Bürgermeister, der sowohl mit nationalsozialistischen wie sowjetrussischen Kerkern Bekanntschaft macht. Diese Gestalt rührt durchaus an.
Nur liegt das Ärgerliche darin, daß sich der ehrgeizige Autor keine Erzählung gestattet. So führt er seinen fes-selnden Erzählstoff über die Küchenreibe und streut ihn wie alles andere in seinen großen Pichelsteiner ein. Wo er ihn gar in den Dialog Gesines mit ihrem penetrant alt-klugen Töchterchen Marie verlegt, hat so mancher Gast mit Blähungen zu kämpfen.
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